Im Stechschritt in den Corona-Zwei-Klassen-Staat Hardliner setzen sich auf Bund-Länder-Konferenz durch

„Wir dürfen denen, die sich nicht impfen lassen, wirklich nicht die Chance geben, die Impfung zu umgehen, zum Beispiel, indem sie sich freitesten lassen.“ Mit diesen Worten plädierte RKI-Chef Wieler für 2G. Und machte damit ziemlich unverblümt deutlich: Bei den G-Regeln geht es längst nicht mehr um den Schutz vor Ansteckung. Zumindest nicht vorrangig. Kanzlerin und Ministerpräsidenten nahmen Wielers Welle am Donnerstag auf. Beim Bund-Länder-Gipfel, den das Grundgesetz in dieser Form gar nicht als Entscheidungs-Organ vorsieht, setzten sich ganz klar die Hardliner durch. Das Motto: Die Ungeimpften so stark wie möglich zu schikanieren.

Auch, wenn es in Zeiten wie diesen kaum etwas Schlimmeres gibt, als das, was eigentlich für alle offensichtlich ist, aber um jeden Preis tabuisiert werden muss, beim Namen zu nennen, muss man es doch tun: Kanzlerin und Ministerpräsidenten machen Deutschland endgültig zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. In der zwar alle grundlegendster und eigentlich früher einmal als unveräußerlich garantierter Grundrechte beraubt werden. In denen dieser Raub der Grundrechte aber bei der privilegierten Klasse in milderer Form stattfindet. Bei der zweiten Klasse oder Kaste – man verkneift sich nur schwer den Begriff „der Unberührbaren“ – wird der Raub der Grundrechte dagegen mit aller Härte durchgezogen. Sie müssen als Sündenböcke herhalten. Das machte Wolfang Kubicki, Vize-Chef der FDP und in der Partei leider auf verlorenem Posten mit seinen liberalen Ansichten, heute im Bundestag deutlich mit einer Erklärung: „Sich impfen zu lassen ist keine Frage der gesellschaftlichen Solidarität. Schon gar nicht sind Menschen, die sich gegen eine Impfung entscheiden, für die Engpässe auf den Intensivstationen verantwortlich. Es ist vielmehr Ausweis staatlichen Versagens“, mahnt der Bundestags-Vize-Präsident. Und fügte hinzu, man dürfte Menschen nicht mit Androhung von Grundrechtseingriffen „anleiten“.

Damit ist das liberale Urgestein leider ein recht einsamer Rufer in der medial-politischen Wüste. Die Regierungschefs haben heute die Weichen gestellt für eine Impfpflicht für Personen in medizinischen Einrichtungen und in der Pflege. Auch Beschäftigte wie Köche und Reinigungskräfte wären dann betroffen, so sie in Einrichtungen für „vulnerable Gruppen“ tätig sind. Bundesweit soll 2G kommen; Ungeimpfte sind dann im ganzen Land weitgehend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Und das, obwohl RKI-Chef Lothar Wieler noch am Freitag auf meine Frage hin eingestehen musste, dass die alte Aussage des RKI nicht mehr gelte, wonach Geimpfte nicht mehr wesentlich zum Epidemie-Geschehen beitragen. Aber das ist nur einer von vielen himmelschreienden Logikbrüchen in diesen Tagen. Die nicht nur kaum jemanden aufzufallen scheinen in den Parteien und Medien. Schlimmer noch: Die auch nur zu erwähnen offenbar als Ketzerei gilt.  

Als neuer Maßstab für die Corona-Daumenschrauben soll nun die Hospitalisierungsinzidenz gelten, also die Hospitalisierungrate pro 100.000 Einwohner. Ab einer solchen Rate von drei soll im betroffenen Bundesland 2G gelten. Ab einer Rate von 6 sogar 2GPlus: Das heißt, auch Geimpfte und Genesene müssen sich dann testen lassen, um halbwegs normal leben zu können – obwohl ihnen die ganze Zeit das Gegenteil signalisiert wurde. Steigt die Hospitalisierungsrate auf 9 oder mehr, droht ein Lockdown. Da schon aktuell die Richtziffer bei 5,3 liegt, ist klar, wohin die Reise gehen soll. Umso mehr, da erhebliche Störungen im Meldesystem des RKI, die systemischen Charakter haben, für steigende Zahlen sorgen. Das ist einer der vielen Logikbrüche, die tabu sind im System der Panikmache und Herrschaft der Angst.

‘Minderheit dominiert Mehrheit‘

Die Kanzlerin sprach von einem Zwang zum Handeln, weil die Lage „hochdramatisch“ sei. Was logisch ist, wenn es eine Regierung zulässt, dass die Zahl der Intensivbetten massiv zurückgeht, während immer noch die epidemische Lage gilt. Ein weiterer Logikbruch. Wehe, man redet darüber. Und lenkt von der Strategie ab, die Ungeimpften zu den Sündenböcken zu machen. Diese Strategie führte Berlins immer noch regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) heute in besonders drastischer Weise vor. Der Mann, der sonst eher für emotionale Kälte bekannt ist, redete sich für seine Verhältnisse regelrecht in Rage und meinte, der Grund für die geringe Impfquote, die wiederum an den Maßnahmen schuld sei, liege im „Egoismus und Gleichgültigkeit“ der Ungeimpften. Er verstieg sich sogar zur Aussage, es könne so nicht weitergehen, dass „eine Minderheit eine Mehrheit dominiert“. Wie weit will Herr Müller gehen? Sollen Ungeimpfte zwangsweise zum Arzt vorgeführt werden? Eingesperrt? Nur durch einen Lockdown? Wie die Politik hier gegen eine Minderheit hetzt und archaische Stimmungen und Ängste bedient, ist wie live erlebter Geschichtsunterricht und zutiefst unheimlich. Und auch wieder ein Tabu. Ebenso, wie zu hinterfragen, was für eine Logik dahinter steckt, dass man massiven Druck auf Ungeschützte macht, damit diese zu vermeintlich Geschützten werden, zu deren Schutz man eben diese Ungeschützten unter Druck setzen muss. Oder auch nur schlicht zu fragen, wie es sein kann, dass heute bei hoher Impfquote viel schlechtere Zahlen vorliegen als vor einem Jahr ohne Impfung. Oder warum wir den zweiten Monat in Folge eine Übersterblichkeit haben, von der nur ein Bruchteil durch Corona zu erklären ist? Alles tabu! Auch über das Versagen des RKI beim Erfassen der Daten und der Infektionsdynamik wird kaum gesprochen. Ebenso wenig wie über den Intensivbetten-Schwund. 

Müller machte kaum einen Hehl daraus – wie zuvor schon Wieler, dass er 2G etc. in erster Linie als Strafmaßnahmen für Ungeimpfte verstehe. Um dann hinzuzufügen, dass auch bei einer Impfung Abstand, Hygiene, Masketragen und insgesamt die ABC-Regeln weiter einzuhalten seien. Womit wir beim offenbar größten Tabu sind: Man muss blind und taub sein, um nicht zu verstehen, dass die Impfung bzw. ihre Wirkung ganz weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, die den Menschen über ein Jahr lang gebetsmühlenartig eingetrichtert worden sind. Denen zufolge man sich aus der Pandemie heraus bzw. „frei impfen“ lassen könne. Das Impf-Narrativ der vergangenen anderthalb Jahre ist kollabiert. Erlitt den Super-GAU. Doch wehe, jemand sagt offen, dass die Impf-Apostel nackt sind. Das ist so verpönt wie es früher Gotteslästerung war. Wohl noch mehr: Weil es für viele Menschen, die täglich von Medien und Politik in Angst und Schrecken versetzt werden, eine unerträgliche Vorstellung ist, dass das Wundermittel doch keines ist. Lieber spielt man weiter das Spiel, in dem sowohl Betrogene als auch Betrüger so tun, als sähen sie den Betrug nicht. Wobei ich den Betrügern, zumindest teilweise,  hier durchaus zugute halten will, dass viel dafür spricht, dass sie in gutem Glauben handelten oder dem Selbstbetrug anheimfielen. Aber so weiterzumachen, als sei nichts geschehen, macht sie dann doch zu aktiven Betrügern.   

Heute wurde klar: Der neue Lockdown ist vorbereitet. In Sachsen wird er bereits Realität. Gegen alle Versprechen. Zumindest was die Geimpften angeht. Das nächste Tabu. Von flächendeckenden 3G-Regeln in Bussen und Bahnen hieß es noch vor wenigen Wochen von Merkels Sprechern auf der Bundespressekonferenz, diese seien rechtlich nicht machbar. Offenbar beugt sich das Recht inzwischen dem Virus. Für Fußballspieler ist eine 2G-Regelung im Gespräch. Eine „Lex Kimmich“? Ab nächste Woche soll zudem 3G an Arbeitsplätzen gelten, wie Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) ausführte: „Menschen müssen sich impfen lassen. Wer den Arbeitsplatz betritt, muss ab kommender Woche nachweisen, dass er oder sie geimpft ist, und wenn das nicht da ist, einen tagesaktuellen Test mitbringen.“ Mitarbeiter ohne 3G-Nachweis blieben ausgeschlossen und dürften ihren Betrieb nicht betreten. Sie müssten auch damit rechnen, keine Lohnfortzahlung zu erhalten. Kontrollieren müssten die Arbeitgeber. Auch die Anordnung von Firmenschließungen sei möglich. Vergangene Woche hatte schon Gesundheitsminister Jens Spahn dazu aufgerufen, im Kreise der Familie gegenseitig die Echtheit der Impfzertifikate per Kontroll-App zu überprüfen.

Wie aus einem Albtraum

Eine „schöne neue Welt“ – die Schreckensszenarien von Aldous Huxley lassen grüßen. Gemischt mit denen von Orwell. Neusprech und Wahrheitsministerien (neudeutsch: Faktenchecker) inklusive. 

Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt sprach im Bundestag von einem Anti-Corona-„Schutzwall“, den man hochziehen müsse. Der früheren Funktionärin der SED-Nachwuchsorganisation FDJ war offenbar gar nicht bewusst, welche Assoziationen sie dabei bei manchem früheren DDR-Bürger weckt. Die Mauer hieß im DDR-Propaganda-Sprachgebrauch „antifaschistischer Schutzwall“. Den kritisierte dann – Ironie der Geschichte – im Parlament heute ausgerechnet die „Linke“, also die frühere SED. Und die AfD. Deren Chef Tino Chrupalla ging die FDP frontal an: „Wo sind ihre Wahlversprechen geblieben?“ Tatsächlich hatten Lindner & Co. ihre Wähler ja mit einem Ende des Lockdowns und weniger harten Maßnahmen gelockt. Dazu Chrupalla: „Noch nicht mal in der Regierung und schon zum ersten Mal umgekippt“.

Bittere Symbolik im Bundestag: Der AfD-Abgeordnete Martin Sichert durfte, weil er auf seine Persönlichkeitsrechte pochte und nicht offenlegen wollte, ob er geimpft, genesen oder getestet ist, nur von der Besuchertribüne aus reden. Womit die Klassen-Gesellschaft auch im Bundestag angekommen ist – noch dazu auf eine derart offensichtliche Weise. Sichert erntete Empörung, als er die „Nacktheit des Kaisers“ ansprach – dass man sich von der Impfung zu viel versprochen habe.

Sicherts Glück ist, dass die Scheiterhaufen im „besten Deutschland aller Zeiten“ nur noch virtuell sind.

Ich muss ganz offen gestehen: Mir ist dieses neue Deutschland unheimlich. Und ich hätte mir diesen Geschichts-Unterricht im Live-Modus sehr gerne erspart. 

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Text: br

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