Irrfahrten durch Hessen – dank Deutscher Bahn Frauen mit Hidschab und ein Fahrer, der kein Deutsch spricht und die Strecke nicht kennt

Kurz vor Weihnachten gab es wieder einmal eine Nachricht über ein Versagen der Bahn, das unterging angesichts der Vielzahl solcher Meldungen. „Regionalbahn lässt Wagen mit Fahrgästen bei Berlin zurück“, titelte die Berliner Zeitung: „Bei einem ungewöhnlichen Vorfall auf der Linie RB26 von Berlin nach Küstrin-Kietz stranden Fahrgäste an einem kleinen Bahnhof. Der Zug fährt ohne ihren Wagen weiter.“ Mit anderen Worten: Ein Waggon wurde einfach am Bahnsteig vergessen. Nicht weniger irre ist, was der Mathematiker, Systemanalytiker, Zukunftsforscher und Autor Peter Mersch mit der Bahn erlebte und auf Facebook schilderte. Mich hat sein brillant geschriebener Text so fasziniert, dass ich ihn um die Erlaubnis bat, ihn hier wiederzugeben. Die er mir auch erteilte.

Vor seinem Text sei noch der kurze Hinweis erlaubt, dass Bahnchef Richard Lutz nicht nur ein Gehalt von einer Million Euro für das Jahr 2022 bekomme hat, sondern auch noch einen Bonus von rund 1,3 Millionen. Insgesamt betrugen die Boni für alle Vorstände 2022 fünf Millionen Euro. 2023 sollen es noch mehr sein. Offenbar bekommen die Vorstände des Staatsbetriebs umso mehr Geld, je geringer die Zufriedenheit der Fahrgäste ist und je höher die Unfähigkeit, die Unpünktlichkeit, die Zugausfälle und die Verschmutzung. Nach den neuesten Zahlen mussten rund 30 Prozent der Fahrgäste 2023 im Fernverkehr Verspätungen hinnehmen – worüber man im Ausland nur verwundert die Augen reibt. Und Besserung ist nicht in Sicht. Aber nun zum Text von Mersch:


Am vergangenen Samstag wollte ich im Ortskern unserer Gemeinde noch ein paar Lebensmittel einkaufen. Vor dem Aufbrechen prüfte ich gewohnheitsgemäß, ob der nächste Zug pünktlich ist. Die DB-App zeigte jedoch an, dass alle restlichen Züge des Tages nach Reiskirchen ausfallen. Der Grund: In den Stellwerken seien mehrere Positionen nicht besetzt. Es lag also keine technische Störung vor, sondern es fehlte Personal. In der umgekehrten Richtung sollte gegen 22:30 Uhr aber noch ein letzter Zug fahren. Das machte Sinn, denn um die Uhrzeit ist an den Samstagen mit vielen Fahrgästen zu rechnen, kurz vor Weihnachten sowieso. Außerdem war zu lesen, dass man sich um einen Schienenersatzverkehr „bemühe“. Uhrzeiten und Streckenführung waren dafür allerdings nicht angegeben.

Von mir zu Hause bis zum Bahnhof in Reiskirchen sind es zu Fuß ca. 3,5 km (den größten Teil dieser Strecke würde ich normalerweise mit der Bahn fahren), von dort sind es bis zum REWE (der einzige Supermarkt in der Gemeinde, der nach 20:00 Uhr noch geöffnet hat) weitere 1,5 km. Da das Wetter ausnahmsweise einmal ruhig war (weitestgehend windstill, bedeckter Himmel, kein angekündigter Regen, Temperatur 1 Grad C), entschloss ich mich gegen 20 Uhr, den Hinweg zu Fuß zurückzulegen. Einschließlich Rückweg vom REWE zum Bahnhof Reiskirchen war also eine Strecke von ca. 6,5 km zu Fuß zurückzulegen. Mir schien dies machbar zu sein.

Als ich allerdings nach dem Einkauf gegen 22:10 Uhr zum Bahnhof Reiskirchen zurückkehrte, stellte sich die Situation ein wenig anders dar. Sowohl auf dem Bahnsteig als auch an den umliegenden Bushaltestellen standen etliche ratlose Fahrgäste herum, die nicht wussten, wie sie nach Hause kommen oder ihr sonstiges Ziel erreichen konnten. Die meisten hofften auf den angeblich noch immer fahrenden letzten Zug, der auf dem Laufband auf dem Bahnsteig auch tatsächlich angekündigt war. Er kam aber nicht. Und von den Bussen des Schienenersatzverkehrs ließ sich nur ein einziger blicken, der allerdings in die exakt umgekehrte Richtung fuhr.

Einige Fahrgäste hatten recht viel Gepäck dabei, als seien sie von einer längeren Reise zurückkehrt. Und es befanden sich zwei muslimische Frauen mit Hidschab und Kinderwagen darunter, ferner eine Familie mit zwei kleineren Kindern. Die Temperatur war mittlerweile auf 0 Grad zurückgegangen. Die beiden Mütter mit den Kinderwagen schauten immer wieder besorgt nach ihren Säuglingen.

Die RMV-Telefon-Hotline war derweil bei Anruf permanent besetzt. Erst nach ca. 20 Minuten kam ich durch. Doch der Mitarbeiter in der Hotline wusste von rein gar nichts. Zudem sprach er nur schlecht Deutsch. Er versprach mir, sich bei einer anderen Stelle zu informieren. Nach ca. 5 Minuten kam er mit der Antwort zurück, dass man auch dort nichts von einer Störung wisse. Ob noch ein Bus des Schienenersatzverkehrs unterwegs sei und wann er eintreffe, konnte er nicht sagen.

Sprach- oder Schriftansagen auf dem Bahnsteig gab es ebenfalls nicht.

Gegen 23:10 Uhr rollte dann tatsächlich ein leerer, abgedunkelter und schilderloser Bus über die Hauptstraße heran. Die noch verbliebenen Fahrgäste (ca. 40) machten sich sofort auf den Weg zur benachbarten Bushaltestelle, um ihn abzufangen. Leider sprach der Fahrer praktisch kein Wort Deutsch. Dementsprechend konnte er auch nicht sagen, welche Strecke er fahren und an welchen Bahnhöfen er halten wird. Wir hatten dennoch Glück: Der Mann war intelligent. Anhand einer App auf seinem Handy und der ihm bekannten Endstation fand er sukzessive heraus, welche Strecke er fahren und an welchen Bahnhöfen er halten wird. Nach und nach bestätigte er mir alle üblichen Bahnhöfe auf der Strecke.

Überraschend für mich in diesem Zusammenhang: Ich schien unter allen Fahrgästen der einzige zu sein, der die Strecke im Detail kannte. Die meisten Fahrgäste kannten nur den eigenen Zielbahnhof. Andere wären wohl sonst stets mit dem Auto nach Gießen gefahren, hatten aber diesmal – um etwas Trinken zu können – den RMV vorgezogen. Und dann gab es noch die Kofferbepackten, die ebenfalls nur ihr Endziel kannten.

Es blieb mir also nichts anders übrig, als die Bushaltestellen laut auszurufen bzw. die noch Wartenden nach ihren Zielen zu fragen. Die beiden muslimischen Mütter warteten derweil einige Meter hinter dem Bus in stoischer Ruhe auf das, was sich ergeben würde. Alles in ihrem Blick schien zu sagen: „Wir steigen um diese Uhrzeit in keinen Bus, von dem wir nicht wissen, wohin er fährt.“ Und: „Allah wird es schon richten.“ Als ich sie fragte, wohin sie wollen, und ich auf ihre Angabe „Grünberg“ mit einer Handbewegung und den Worten „dieser Bus“ antwortete, waren sie in Rekordzeit im Inneren verschwunden.

Mein Fazit aus diesem Erlebnis: Weil Personal fehlte, wurde eine wichtige Strecke des ÖPNVs an einem Samstag Abend vor Weihnachten kurzerhand eingestellt. Die den Fahrgästen zur Verfügung gestellten Informationen waren entweder falsch oder unzureichend. Die Hotline war nicht ausreichend informiert und zudem völlig inkompetent und überfordert. Die Fahrgäste standen eine ganze Stunde in der Kälte herum und wussten nicht, ob und wann sie an diesem Abend noch befördert werden.

Und: Auch die Fahrgaststruktur hat sich gegenüber den früheren Jahren drastisch verändert. Der Anteil an Personen mit sowohl guten Orts- als auch Deutschkenntnissen ging an diesem Abend gegen Null. Nach meinem Eindruck war ich der Einzige, auf den beide Kriterien zutrafen.

Aber wie sollen denn dann in Deutschland einmal schwerste Krisen bewältigt werden können, wenn es schon in solch vergleichsweise harmlosen Fällen dermaßen schwierig wird?

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