Jeder Dritte sieht EU als Auslaufmodell ohne Zukunft Wunsch nach souveränen Nationalstaaten

Von Kai Rebmann

Das European Council on Foreign Relations (ECFR) hat in Zusammenarbeit mit dem Projekt „Europe in a Changing World“ der Universität Oxford eine globale Umfrage zu mehreren geopolitischen Themenfeldern durchgeführt. Befragt wurden dabei Bürger aus 21 Ländern aus Europa, aber zum Beispiel auch China, Russland, Südafrika, Brasilien oder den USA. Die Ergebnisse überraschen dabei nur teilweise, vielmehr bestätigen sie in vielerlei Hinsicht genau das, was viele Menschen spüren, von Politikern aber gerne geleugnet wird.

Den wohl größten Dämpfer gab es dabei für Brüssel. Weltweit glaubt eine Mehrheit daran, dass die EU die nächsten 20 Jahre nicht überleben wird. Selbst in Europa hält jeder Dritte (33 Prozent) das kontinentale Staatenbündnis für ein Auslaufmodell ohne Zukunft. Gleichzeitig antwortet eine Mehrheit auf die Frage, was einen guten Führer („a good leader“) ausmache, dass dieser sich an erster Stelle für die Interessen eigenen Landes einsetzen sollte.

Forderung nach Bündnissen ohne Scheuklappen

Der dadurch unmissverständlich zum Ausdruck gebrachte Wunsch nach mehr Souveränität für die Nationalstaaten bedeutet jedoch nicht, dass sich die Bürger generell gegen internationale Bündnisse wehren. Die Autoren betonen jedoch, dass die Menschen sich nicht mehr länger „für eine Seite entscheiden“ wollen, sondern ihre Regierungen auffordern, sich je nach Thema mit anderen internationalen Partnern zusammenzuschließen. Eine feste Zugehörigkeit zum Westen (USA oder EU) bzw. Osten (Russland oder China) wird demzufolge mehrheitlich abgelehnt.

Die westlichen Werte werden von den meisten Befragten zwar „bewundert“, gleichzeitig wird jedoch nicht an ein langfristiges Überleben dieses „liberalen Westens“ geglaubt – was nicht zuletzt in den düsteren Zukunftsprognosen mit Blick auf die EU in ihrer bestehenden Form zum Ausdruck kommt.

Co-Autor Ivan Krastev gibt Brüssel daher einen Rat: „Die Welt verändert sich – und zwar nicht zu Gunsten Europas. Jeder Strategieansatz muss damit beginnen, diese Welt so zu sehen, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie gerne hätten. Angesichts des Selbstbewusstseins, mit dem Mittelmächte wie die Türkei, Indien, Brasilien, Südafrika oder Saudi-Arabien aktuell auf der Weltbühne auftreten, sollte die EU dies zur Kenntnis nehmen und versuchen, den Umfang ihrer Allianzen zu erweitern.“

Den diesbezüglich geäußerten Wunsch einer Mehrheit der Befragten fasst der Bericht so zusammen: „Souverän zu sein bedeutet für sie [die Bürger bzw. Nationalstaaten], Wahlmöglichkeiten zu haben.“ Von oben herab – sei es aus Brüssel oder Washington – diktierte, allgemein verbindliche Sanktionen wie Zölle oder Embargos werden demzufolge eher abgelehnt.

Bedrohung für die innere Sicherheit

Neben dem Krieg in der Ukraine werden von den Europäern insbesondere auch Konflikte in weiter entfernteren Regionen als Bedrohung für die innere Sicherheit angesehen. Die damit unmittelbar in Verbindung stehenden Migrationsströme gen Westen – sprich in die EU – können „die innere Stabilität westeuropäischer Länder mit beträchtlichen Minderheiten aus verschiedenen Gemeinschaften massiv gefährden.“ Im Klartext: Auch das seit Jahren propagierte „Multi-Kulti“ war und ist vielmehr ein politisch-ideologisches konstruiertes Luftschloss, entspricht aber nicht dem mehrheitlichen Willen der Bevölkerung.

Bemerkenswerte Antworten erhielten die Autoren auch auf die Frage: „Sind Sie optimistisch, was die Zukunft Ihres Landes angeht?“ bzw. „Glauben Sie, dass in Ihrem Land die richtigen Entscheidungen getroffen werden?“ Hier äußerten sich die Befragten aus den USA und Europa eher pessimistisch, während die Menschen in Ländern wie Russland, Indien, China oder Indonesien deutlich optimistischer in die Zukunft blicken – allerdings gemessen am jeweiligen Ist-Zustand.

Nicht zuletzt wurde auch das Meinungsbild bei einer der aktuell wohl wichtigsten geopolitischen Fragen eingeholt. Demnach glaubt in den „nicht-westlichen Ländern“, dass Russland den Krieg in der Ukraine „innerhalb der nächsten fünf Jahre“ gewinnen werde. Neben Russland selbst (85 Prozent) zum Beispiel auch in China (68 Prozent). Dies wiederum werde in den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern als „existenzielle Bedrohung“ angesehen.

Timothy Garton Ash, ein weiterer Co-Autor des vorliegenden Berichts, sieht ausgerechnet in diesem Konflikt die vielleicht letzte Chance für das Überleben der EU. Eine Erweiterung nach Osten – einen Sieg der Ukraine mit Unterstützung des Westens setzt der Oxford-Professor dabei voraus – „würde die EU zu einem mächtigeren und glaubwürdigeren globalen Akteur in einer Welt zunehmend härteren geopolitischen und geoökonomischen Wettbewerbs machen.“

Das mag nüchtern betrachtet vielleicht sogar stimmen. Bei den eigenen Bürgern – dem eigentlichen Souverän – scheint Brüssel seine institutionelle Glaubwürdigkeit hingegen längst verspielt und aufgebraucht zu haben.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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