Es war ein großes Schaulaufen der rotgrünen, regierungstreuen Medien. Mehr als eine Woche lang betrieben sie „Framing“ bis zum Umfallen, um den Menschen einzureden, dass der Tod einer Radfahrerin in Berlin nichts mit den Klimaprotesten zu tun hatte. In meinem letzten Artikel habe ich ausführlich beschrieben, welche Methoden aus der Propaganda-Giftküche dabei angewandt wurden, am Beispiel des „Spiegels“. Nicht einmal die Versteifung auf den Umstand, dass die Frau „nur“ hirntot war, war den Kollegen dabei zu zynisch. Sie drehten den Spieß um und machten statt den Klima-Extremisten diejenigen zu den Angeklagten, die auf das Offensichtliche hinwiesen: dass die Aktionen mit ihren Nötigungen dramatische Folgen haben können.
Jetzt werden Spiegel & Co. wieder einmal Lügen gestraft. Der Abschlussbericht der Berliner Feuerwehr liefert die Erkenntnisse über die Rolle der Straßenblockade, die bereits auf der Hand lagen anhand der ersten Schilderungen. Was aber etwa die Welt nicht hindert, diese Erkenntnisse als „neu“ zu bezeichnen. Was sie streng genommen natürlich auch sind, aber nicht in dem Sinne, den die Formulierung der Welt unterschwellig vermittelt. Laut dem Dokument, auf das sich die „Welt“ bezieht, hatte die Autobahn-Blockade erheblichen Einfluss auf den Rettungseinsatz für die 44-jährige Radfahrerin, die am vergangenen Montag von einem Betonmischer überfahren wurde. Ein Rüstwagen der Berliner Feuerwehr, mit dessen Hilfe die Retter den Betonmischer von der Verunglückten heben wollten, stand im Stau, den die Klima-Extremisten (die „Welt“ nennt sie beschönigend „Klimaaktivisten“) absichtlich verursacht haben.
Weil der Rüstwagen nicht durchkam, entschied die leitende Notärztin dem Bericht zufolge, nicht weiter auf ihn zu warten. Der Betonmischer musste deshalb „von der Patientin heruntergefahren“ werden, wie es in dem Abschlussbericht heißt. „Laut der Auswertung der Feuerwehr wäre der Rüstwagen ohne die Verzögerung durch die Blockade beinahe zeitgleich, genau eine Minute später als das Noteinsatzfahrzeug, an der Unfallstelle angekommen“, schreibt die Welt: „Der Stau habe den Fahrer acht Minuten gekostet. Bei früherem Eintreffen, so das Fazit der Feuerwehr, wäre eine ‘patientenschonendere‘ Rettung möglich gewesen. Das Herunterfahren des Betonmischers von der Verunglückten sei ‘grundsätzlich keine empfohlene Rettungstaktik‘. Diese sei aber ‘als Methode nach Abstimmung im Team, unter Zugrundelegung der taktischen und medizinischen Gesichtspunkte und mangels vorhandener Alternativen zum Zeitpunkt der Entscheidung gewählt‘ worden.“
Der „Focus“ berichtet, die Fahrer des Rüstfahrzeugs seien im Stau „völlig verzweifelt“ gewesen; sie seien weder vorwärts noch rückwärts weitergekommen. „Es waren mehrere Retter vor Ort, die diese Arbeit schon 35 Jahre machen und manches gewöhnt sind. In einer solchen Situation eine Frau schwerverletzt unter einem Betonmischer zu sehen und nicht helfen zu können, weil ein Rettungsfahrzeug in einem Stau steckt, der von einigen willkürlich verursacht wurde, das kann wirklich an die Substanz gehen“, sagte Rolf Erbe, Sprecher der Berliner Feuerwehr, dem Focus.
Eine interne Stellungnahme des Rettungsdienst-Leiters, auf die sich viele Medien bezogen, war zu einem anderen Schluss gekommen. Demnach wäre auch bei rechtzeitigem Eintreffen des Rüstfahrzeugs keine höhere Rettungschance da gewesen. Der Abschlussbericht macht nun deutlich, dass diese Einschätzung falsch war.
Bewegende Geschichte
Anja Umann, die eineiige Zwillingsschwester der Verunglückten Sandra Umann, gab zwischenzeitlich dem „Spiegel“ ein Interview. Sie hatte gemeinsam mit ihr kurz zuvor noch ein veganes Modelabel gegründet. Anja Umann berichtet, Sandra, genannt „San“, sei ihre „Welt“ gewesen, „so wie ich ihre Welt war“. Sie sagte dem Nachrichtenmagazin: „San war für mich alles, was man an Familie haben kann, wenn man sonst nichts hat. Wir sind mit 16 von zu Hause ausgezogen, unsere Eltern sind tot. Es gab immer nur uns zwei, keine Partner, kaum enge Freunde. Meine Schwester war Autistin, hatte ihr Leben lang schwere Depressionen und litt unter Angststörungen. Ich habe immer versucht, ihr die schweren Zeiten etwas leichter zu machen. Es gab keinen Tag, an dem wir nicht in irgendeiner Form verbunden waren. Bis zum vergangenen Montag.“ Sie und ihre Zwillingsschwester seien in den 44 Jahren ihres Lebens „nie getrennt gewesen“. Seit ihrer Kindheit seien sie auf sich „selbst gestellt“ und immer nur füreinander dagewesen.
Die Schilderung der Schwester ist herzerweichend, man kann sie kaum lesen, ohne zu weinen. Als sie nach verzweifelter Suche nach ihrer Schwester, die abends nicht heimkam, die Krankenhäuser abtelefonierte, bestätigten sich ihre Ängste. Der behandelnde Chefarzt sagte ihr, dass ihre Schwester in einem sehr kritischen Zustand sei: „Sie müssen sich vorstellen, dort liegt Ihr Ein und Alles, und Sie haben kaum eine Chance, sie zu berühren, weil alles so kaputt ist, so voller Verletzungen, dass es kaum noch eine Stelle auf ihrem Körper gibt, an der Sie sie einfach für einen Moment berühren können, um ganz bei ihr zu sein, sie zu halten. San lag im künstlichen Koma, wurde beatmet. Auf ihrer Stirn gab es eine kleine Stelle, an der ich sie berühren und ihr übers Haar streicheln konnte.“ Am Dienstag erfuhr Anja Umann laut Spiegel dann vom Stationsarzt, dass weitere Untersuchungen ergaben, dass es nach „dem Unfall und während der Bergung längere Zeit Durchblutungsstörungen des Hirns gab“ und dass man von den Folgen eines Schlaganfalls ausgehen müsse.
Tragischer Abschied
Es wird noch herzerweichender: Nachdem Anja Umann im Beisein einer Psychologin mitgeteilt wurde, dass sich das Gehirn ihrer Schwester „allmählich ganzflächig auflöst“, ging sie zu ihr ans Krankenbett und las ihr die Geschichte vom kleinen Prinzen und dem Fuchs vor. Die hatte Sandra immer geliebt. Dann spielte Anja Umann ihrer Schwester noch zwei Lieder vor: „Die haben wir gemeinsam gehört, Kopf an Kopf auf ihrem Kissen. Ich hielt sie, so gut ich konnte: Ich legte meine Hand auf ihre Stirn und streichelte mit der anderen ihre Schulter. Ich wusste, dass es ihr da, wo sie jetzt hingeht, wahrscheinlich besser geht als hier.“
Die Geschichte von Anja und Sandra Umann steht im krassen Gegensatz dazu, wie die Extremisten von der „Letzten Generation“ mit ihren Sympathisanten in den großen Medien versuchen, sich selbst als Opfer des tragischen Unfalls hinzustellen – wegen der Kritik, die sie einstecken mussten. Die Extremisten selbst twitterten in einer Denkweise, wie man sie eher aus dem Krieg kennt, so als sei Umann nur ein „Kollateralschaden“, der eben sein müsse: „Wir setzen die Blockaden in #Berlin fort. Größtes Risiko für die Menschheit ist, den Alltag einfach weiterzumachen. Größte Gefahr ist hinzunehmen, dass die Regierung nicht mal einfachste Sicherheitsmaßnahmen ergreift.“
Empörendes Rechtfertigen
Relativierungen dieser Art gab es zuhauf. Etwa von Grünen-Politikerin Katharina Beck. Sie schrieb: „Sind alle, die jetzt einen Kausal-Zusammenhang zwischen Straßenblockade #LetzteGeneration und Folgen für die Radfahrerin machen, entsprechend überzeugt, dass Baustellen oder Demonstrationen, die auch den Verkehr behindern, verantwortlich für Ähnliches und strafbar sein sollten?“
Derartige Stimmen sind es wohl, die Anja Umann dazu brachten, an die Öffentlichkeit zu gehen. Auf die Frage des „Spiegel“, warum sie sich an das Magazin gewandt hat, antwortete Anja Umann: „Weil ich in der Berichterstattung las, wie ignorant einige Klimaaktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen, die sich unter Umständen selbst für Umweltschutz und andere Menschen einsetzen. In einem Interview wurde ein Aktivist gefragt, ob der Unfall und der eingetretene Hirntod etwas an ihrer Einstellung zur Wahl der Mittel, die sie einsetzen, ändert. Ob sie dies zum Überdenken ihrer Aktionen anrege. Er antwortete etwas schön umschrieben, dass es schlussendlich nichts, rein gar nichts verändert.“ Solche Aussagen lösten in ihr zwar „keine Wut“ aus, „so Umann, aber es seien „Messerstiche“.
An dieser Stelle möchte ich Anja Umann mein tief empfundenes Mitgefühl aussprechen und meine Hochachtung für ihren Mut und ihre Aufrichtigkeit. Möge ihre Schwester in Frieden ruhen!
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