Von Kai Rebmann
In immer mehr Ländern setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Kampf gegen Corona nicht zu gewinnen ist, zumindest nicht in dem Sinne, dass sich jede Ansteckung vermeiden ließe. Nachdem Spanien schon vor mehreren Monaten erklärt hatte, Corona künftig wie eine Grippe zu behandeln und damit einen ersten Schritt auf dem Weg zurück in die Normalität gegangen war, sollen diesbezügliche Maßnahmen und Beschränkungen auch in Katalonien endgültig der Vergangenheit angehören. Josep Maria Argimon, der Gesundheitsminister der autonomen Region im Nordosten Spaniens, hat sich zumindest bei den Masken eindeutig darauf festgelegt, dass diese kein Comeback feiern werden. Das erklärte der Politiker am Montag in einem Interview mit Catalunya Ràdio und verwies dabei auf die formal noch bestehende Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln. Diese werde „nicht immer“ eingehalten und man könne sehen, dass sich bei den Menschen diesbezüglich eine „gewisse Lockerheit“ eingestellt habe.
Argimon, dem Ambitionen nachgesagt werden, bei der Bürgermeisterwahl 2023 in Barcelona seinen Hut in den Ring werfen zu wollen, nennt die Intensivstationen in Katalonien als entscheidenden Indikator. Er würde über die Maskenpflicht in Innenräumen womöglich anders denken, wenn 150 oder mehr Patienten auf den Intensivstationen lägen. Selbst damit könnten die Krankenhäuser in der Region umgehen, jedoch müsse dann möglicherweise mit Versorgungsengpässen für Menschen gerechnet werden, die nicht wegen Covid-Symptomen behandelt werden müssen. Auf dem Höhepunkt der siebten Welle seien es im Durchschnitt aber nie mehr als 50 Patienten gewesen. „Das Leben muss wieder normalisiert werden“, so die Forderung des Junts-Politikers.
Katalonien sieht neue Wellen und Varianten entspannt
Josep Maria Argimon, der im Gegensatz zu anderen Gesundheitsministern tatsächlich Epidemiologe und damit unmittelbar vom Fach ist, sorgt sich auch nicht vor weiteren Varianten und Wellen. Diese werden eher früher als später auch nach Katalonien kommen. Er führte das am Beispiel der aktuell vorherrschenden Omikron-Subvarianten aus und erklärte: „Wir erreichen einen Höhepunkt und werden einige Tage lang sehr hohe Fallzahlen haben. Aber dann werden wir eine ähnliche Entwicklung wie in Portugal sehen. Wir müssen die Maskenpflicht in Innenräumen hinter uns lassen.“
Geht es nach dem Willen des Gesundheitsministers, so soll ab Herbst als einzige Erinnerung an Corona noch die Impfung verbleiben. Argimon empfiehlt den sogenannten „Booster“ grundsätzlich allen, die „zweite Auffrischung“ sollen dagegen nur die vulnerablen Gruppen erhalten. Eine wie auch immer geartete Impfpflicht war dagegen weder in Katalonien noch in anderen Regionen Spaniens jemals ein ernsthaft diskutiertes Thema.
Argimon legt die Corona-Scheuklappen ab
Es soll in Europa Gesundheitsminister geben, die vor lauter Corona-Alarmismus den Überblick über andere gesundheitspolitische Problemfelder verloren bzw. noch nicht einmal etwas von deren Existenz gehört haben. Personalmangel bei Ärzten und Krankenschwestern ist auch in Katalonien ein nicht erst seit vorgestern bekanntes Problem. Und so sprach Argimon im Laufe des Radio-Interviews auch darüber, dass er die Behebung dieses Mangels als seine derzeit wichtigste Aufgabe sehe. Bereits im Jahr 2010 sei auf diesen Missstand hingewiesen worden. Das Einzige, was in den letzten 12 Jahren aber passiert sei, ist, dass die seither pensionierten Ärzte und Pfleger nicht durch entsprechend qualifiziertes Personal aus der nachwachsenden Generation ersetzt worden sind, klagte Argimon.
Während immer mehr Länder und Regionen in Europa ihren bisherigen Corona-Kurs an neueste Entwicklungen und Erkenntnisse anpassen, hält Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unbeirrbar am deutschen Sonderweg fest. Katalonien, Dänemark, Großbritannien, Spanien, Österreich und viele weitere Länder haben gezeigt, dass es auch ein Leben nach Corona geben kann – wenn es politisch gewollt ist.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Filmbildfabrik / ShutterstockText: kr
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