Von Mario Martin
Noch immer schreiben viele private und öffentliche Einrichtungen in Deutschland die Maske vor und kontrollieren Tests der Besucher, die so ihren 3G-Nachweis erbringen müssen. Der Sachverhalt wurde in einem Beitrag von Boris Reitschuster beleuchtet.
Im Beitrag wird der eklatante Logikbruch herausgearbeitet, der entsteht, wenn einerseits mit der Begründung des Hausrechts die Maske und die 3G-Regelung eingefordert werden darf, andererseits Hausherren sich, wenn es um andere Merkmale geht, aber nicht auf ihr Hausrecht berufen können.
Wir finden hier also wieder einmal einen klaren Doppelstandard. Man könnte es auch als Heuchelei bezeichnen, da Regelungen und Gesetze für politisch opportune Ziele genutzt werden, aber ignoriert werden, wenn das Ergebnis unvorteilhaft ausfällt.
Gegen diese Ungleichbehandlung richtet sich eine Aktion des ehemaligen Berliner Abgeordneten sowie Gewerkschaftsvorsitzenden der Good Governance Gewerkschaft (GGG), Marcel Luthe. Den Sachverhalt wollen wir hier schildern, um aufzuzeigen, dass es für die Aufrechterhaltung der Regeln über das Hausrecht keine Rechtsgrundlage zu geben scheint, es sich somit um eine Selbstermächtigung der Einrichtungen handelt, falls weiterhin Corona-Regeln verhängt werden, und, zumindest im vorliegenden Fall, die Androhung rechtlicher Konsequenzen zu einer Aufhebung der Regelungen führt.
Teilnahme nur mit Maske und 3G
Luthe erhielt vor einigen Tagen die Einladung zur Fashion-Show „seefashion22“ an der Kunsthochschule Weißensee Berlin (KHB). In der per Mail durch die Rektorin der Hochschule zugegangenen Einladung heißt es: “…bringen Sie zum Event einen Impf- oder Testnachweis (3G) mit und tragen vor Ort eine Maske”.
Luthe erwiderte: “Ihre Aufforderung, zum ‚Event einen Impf- oder Testnachweis mitzubringen und vor Ort eine Maske zu tragen‘ entbehrt jeder rechtlichen Grundlage und stellt überdies einen Verstoß gegen das Landesantidiskriminierungsgesetz dar.”
Es folgte die Bitte, diesen Fehler zu korrigieren, indem allen Gästen eine erneute Einladung zugehen sollte, in der der Missstand ausgeräumt wird.
Berufung aufs Hausrecht
Drei Tage später folgte dann die an Luthe gerichtete Antwort der KHB: “Wir haben zu Ihrer Ausführung eine andere Auffassung. Als Inhaberin des Hausrechts können wir Maßgaben für den Besuch unserer Veranstaltungen setzen. Der behauptete Verstoß gegen das LADG ist nicht substantiiert vorgetragen und wird von uns – dessen ungeachtet – entschieden zurückgewiesen.”
Wir finden hier also die bereits eingangs erwähnte Rechtfertigung für die angebliche Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Das Hausrecht soll die KHB berechtigen, eigenständig die Regeln der Veranstaltung zu bestimmen.
Man prüfe allerdings nochmal, ob man auch zukünftig an der Regelung festhalten werde, heißt es am Ende des Schreibens beschwichtigend.
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
In der nun folgenden Antwort an die KHB legt Luthe den Verantwortlichen nahe, die Regelungen aufzuheben, da es seit dem Wegfall der Berliner CoronaSchutzverordnung keine Rechtsgrundlage gebe, auf derer der Erlass möglich wäre. Er erklärt: “Sie sind nicht berechtigt, Daten zu einer chronischen Krankheit oder Schwerbehinderung zu erheben oder diese Menschen aus eben diesem Grunde anders zu behandeln als andere Gäste, sondern haben einen diskriminierungsfreien, gleichberechtigten Zugang sicherzustellen.”
Und weiter: “Egal ob Sie eine ‚Maskenpflicht‘, eine ‚Aluhutvorgabe‘ oder ein ‚Kopftuchverbot‘ beschließen wollen, sind dies unzulässige Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt unter anderem das Recht der Selbstdarstellung des Einzelnen in der Öffentlichkeit, namentlich das Recht, über die Gestaltung der äußeren Erscheinungsweise selbst zu bestimmen.”
Erneut bat Luthe, in der Sache nachzugeben und die Haltung des Hauses zu ändern.
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Nachdem die gesetzte Frist verstrichen war, schickte Luthe durch seinen Anwalt einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Verwaltungsgericht Berlin und an die KHB. Darin heißt es:
“Die Anordnung von Zugangsbeschränkungen und das Tragen von Masken ist rechtswidrig und verletzt daher den Antragsteller in seinen subjektiven Rechten. Seit dem 01.04.2022 sieht die CoronaSchutzverordnung des Landes Berlin etwaige Zugangsbeschränkungen und das verpflichtende Tragen von Masken nur noch in den dort speziell genannten Fällen vor.
Die Antragsgegnerin ist jedoch als Körperschaft öffentlichen Rechts, genauso wie die gesamte Verwaltung, an Recht und Gesetz gebunden. Ferner fehlt es damit auch an einem Sachgrund, um die Anordnung seitens der Antragsgegnerin mit dem sogenannten ‚Hausrecht‘ zu begründen.
Aus dem Hausrecht kann erst recht keine Grundlage abgeleitet werden, die vom Antragsteller verlangten, Gesundheitsdaten zu erheben und zu verarbeiten. Auch hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage, da die vom Infektionsschutzgesetz vorgesehene Ermächtigungsgrundlage und deren Übergangsfristen seit dem 01.04.2022 abgelaufen sind.
Es liegt hiernach ein unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vor. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt unter anderem das Recht der Selbstdarstellung des Einzelnen in der Öffentlichkeit, namentlich das Recht, über die Gestaltung der äußeren Erscheinungsweise selbst zu bestimmen. Damit ist auch das Recht zur Bestimmung der eigenen Kleidung als einem Element der äußeren Persönlichkeitsdarstellung grundrechtlich geschützt.”
Hochschule gibt klein bei
In der am nächsten Tag durch den Kanzler der Hochschule folgenden Erwiderung auf den Antrag an das Verwaltungsgericht, gibt sich die Hochschule dann aber doch noch einsichtig. Man werde Luthe ohne Prüfung der 3G-Regel Zutritt zu der Veranstaltung gewähren.
Es wird darauf verwiesen, Luthe die ungestörte Teilnahme ohnehin schon im Rahmen der oben erwähnten Antwort gewährt zu haben. Dies entspricht allerdings nicht ganz der Wahrheit, wie dem Schriftverkehr zu entnehmen ist.
Es war lediglich die Rede davon, die Regelungen für zukünftige Veranstaltungen nochmal zu überdenken. Weiterhin wurde mitgeteilt, man versuche Luthe einen Zugang zu ermöglichen. Eine feste Zusage, die eine Teilnahme gewährt hätte, ist dies aber nicht.
Der Vorgang zeigt, hier scheut sich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts gegen den Antragssteller in den Rechtsstreit zu gehen. Die Rechtslage scheint eindeutig, da sonst zu erwarten wäre, dass die KHB die rechtliche Konfrontation nicht scheuen würde.
Aussichtsreicher Rechtsweg
Zwar wurde Luthes initiale Aufforderung – die Einladung nochmal ohne die einschränkenden Regelungen zu verschicken – nicht erfüllt, aber Luthe sagte der Berliner Zeitung am Freitagabend, er sei dennoch mit dem Ausgang zufrieden. Dies sei nur der Auftakt und es gebe „viele andere Fälle, in denen Maskenregeln und sonstige Corona-Maßnahmen nach Gutsherrenart und ohne Rechtsgrundlage angeordnet“ werden.
Dem Ergebnis nach zu urteilen, macht Luthe hier vor, wie man mit öffentlichen Einrichtungen umzugehen hat, die sich über geltendes Recht stellen und Maßnahmen erlassen, für die es keine Grundlage gibt. Vielleicht findet sich ja ein betroffener Abgeordneter des Bundestages, der das Vorgehen dort analog anwenden möchte.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.
Bild: Angela M. Arnold CC BY-SA 3.0 licenseText: mm