Lockdown-Verschärfung: Was Merkel & Co verschweigen Schummeleien auf der Pressekonferenz

Auf der Pressekonferenz nach dem „Corona-Gipfel“ mit den Ministerpräsidenten, welcher im Grundgesetz gar nicht vorgesehen ist, warnte die für Corona-Zeiten auffallend gut frisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel heute eindringlich vor der Virus-Mutation: „Es droht eine ernsthafte Gefahr“. Was sie dabei nicht sagte: Sie und die Länderchefs haben sich bei der entscheidenden Expertenrunde am Vortag sehr einseitig informieren lassen. Skeptische Stimmen, wie die des Virologen Streeck, wurden zu der Expertenrunde erst gar nicht eingeladen. Streeck gab nämlich vorsichtig Entwarnung: Mutationen von Coronaviren seien nicht ungewöhnlich, und die britische Variante sei nicht dramatisch stärker infektiös: „Es gibt keinen Grund, in Panik zu geraten“. Ähnlich hatte sich laut Fuldaer Zeitung zuletzt auch Virologin Sandra Ciesek im NDR-Info-Podcast „Coronavirus-Update“ geäußert. Kein einziger der bekannten Kritiker des harten Regierungskurses war in der Expertenrunde dabei. Dafür aber Vertreter eines radikalen Kurses – Anhänger der „Null-Fälle-Strategie“ wie die Virologin Melanie Brinkmann und der Physiker Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum, und Christian Drosten.

Die Krone setzte dem Ganze der ebenfalls für Corona-Verhältnisse auffallend gut frisierte Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf: „Wir hatten am Montag eine Beratung mit acht Experten aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen …, ohne Ausnahmen haben alle bestätigt: Wir sind auf dem richtigen Weg.“ (Anzusehen hier). Diese Aussage ist extrem irreführend. Und es ist Realsatire und wäre zum Lachen, wenn die Folgen für unser Land und die Menschen nicht so dramatisch wären. Denn es waren eben genau keine „acht Experten aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen“ in der Experten-Runde. Sondern ein Kreis von engen Spezialisten, wie selbst Merkels Sprecher Steffen Seibert am Montag auf meine Nachfrage in der Pressekonferenz hin einräumen musste. Aus den Bereichen, die am meisten unter den Maßnahmen leiden, war kein einziger Wissenschaftler dabei: Kein Wirtschafts- oder Erziehungswissenschaftler. Und auch kein Psychologe oder Sozialpädagoge. Nichts. Acht Wissenschaftler, die für ihren harten Kurs bekannt sind, einer davon ein Beamter, der weisungsgebunden ist gegenüber der Regierung. Und sich dann hinzustellen wie Müller und stolz zu verkünden, „ohne Ausnahmen haben alle bestätigt: Wir sind auf dem richtigen Weg“, ist eine Verhöhnung der Bürger!

Schwerste Hypothek

Würde Müller reflektieren oder wäre er ehrlich, müsste ihm klar sein, dass es verdächtig ist, wenn sich die Regierung in der entscheidenden Runde nur von Experten beraten lässt, die sich alle einig sind. Das spricht für Beratungs-Monokultur und ist extrem gefährlich. Vor allem, wenn es um die Zerstörung der Wirtschaft und schwerwiegendste Beschränkungen der Grundrechte geht. Um Schulschließungen, die für Hunderttausende Kinder eine schwerste Hypothek für ihre Zukunft sind. Konkrete wissenschaftliche Studien, die den Nutzen von Lockdowns belegen? Wurden gar nicht erst genannt. Eine Rechtfertigung dafür, warum man die geprüfte Studie des renommierten Stanford-Forschers John Ioannidis ignoriert, der zufolge Lockdowns nichts nutzen, aber schaden könnten? Hatten die Regierenden offenbar nicht nötig, um die Grundrechte mal eben zu streichen. Als Begründung dafür ein paar Allgemeinplätze über die Aussagen der acht Fach-Wissenschaftler. Die Väter des Grundgesetzes würden im Grab rotieren, wenn sie sehen könnten, was heute ausreichend ist, um die Grundrechte einfach mal faktisch abzuschaffen.

Seibert hatte auf meine kritische Frage in der Bundespressekonferenz bezüglich des engen Blickwinkels im Experten-Gespräch vor dem Gipfel betont, die Regierung habe auch andere Wissenschaftler im Blick. Auf der Pressekonferenz ließ Merkel dann aber erkennen, dass man sich auf die Beratung des eng ausgewählten Hardliner-Gremiums ohne wirkliche Kritiker gestützt hat – sie begründete die Beschlüsse explizit mit deren Rat (anzusehen hier).

Der frühere russische Vize-Regierungschef Alfred Koch erzählte mir kürzlich, wie solche Expertenanhörungen nach seiner Erfahrung ablaufen: „Man holt sich zur Beratung genau die Experten, von denen man weiß, dass sie das sagen werden, was man gerne hören möchte. Viele Wissenschaftler sind da auch sehr geschickt im Vorahnen der Wünsche der Regierung.“ Ob es in Deutschland auch so zugeht?

Mit ihren Maximal-Forderungen jedenfalls konnte sich die Kanzlerin in der Runde der Länderfürsten nicht durchsetzen. Wäre es nach ihr gegangen, wären die 83 Millionen Menschen in Deutschland an eine noch kürzere Leine gekommen: Mit 15 Kilometer Radius und Ausgangssperren reihum und noch härterer Linie bei den Schulschließungen.

Interessant ist auch, warum der ebenfalls auffallend gut frisierte Markus Söder (CSU) schon zum wiederholten Mal persönlich zu der Konferenz nach Berlin anreist, im Gegensatz zu allen anderen Ministerpräsidenten. In Zeiten, in denen Reisen extrem eingeschränkt werden sollen und so gefährlich sind, die Bundesregierung ständig für Homeoffice wirbt und Risikominderung, ist das mehr als fragwürdig: Es ist eine Doppelmoral. Zumal Söder ja keine Funktion hat, die über die der anderen 15 Länderchefs hinausgeht. Und selbst der amtierende Bundesratspräsident Rei­ner Ha­se­loff aus dem verhältnismäßig nahen Magdeburg nicht anreiste.

PS: Ich wurde gefragt, ob ich auf der Pressekonferenz sei. Nein. Denn es handelt sich hier um eine Veranstaltung, bei der Merkel-Sprecher Steffen Seibert Hausherr ist. Und so kam heute als erster Fragesteller der Korrespondent der handzahmen, inzwischen offiziösen Nachrichtenagentur dpa dran – der auch beim letzten Mal schon eine der wenigen Fragen stellen durfte. Ebenso die Korrespondentin Kristina Dunz vom Redaktionsnetzwerk Deutschland, zu dessen Eigentümern die SPD gehört. Die Kollegin klang so, als sei sie enttäuscht, dass man den Lockdown nicht noch weiter verlängert hat als bis Mitte Februar (anzusehen hier). Auch der Kollege von Reuters stellte eine ähnliche Frage – doppelt gefragt hält besser – und klang genauso (siehe hier). Kritische Nachfragen dahingehend, dass die Maßnahmen zu weit gehen? Dass die wissenschaftliche Grundlage viel zu dünn ist? Fehlanzeige! Merkwürdig, dass drei von vier Fragestellern bei der Pressekonferenz genau die gleichen waren wie bei der letzten am 5.1. Gibt es da ein Monopol für bestimmte Journalisten? Mit welchen Auflagen ist das verbunden? Fragen über Fragen (die nicht gestellt werden).

Bei solchen Regierungspressekonferenzen wären meine Chancen, bei einer der wenigen zugelassenen Fragen von Seibert das Wort zu erhalten, minimal gewesen. Anders ist das bei der Bundespressekonferenz. Die ist ein Verein, Seibert und die Regierungssprecher sind dort selbst Gäste. Deshalb kann ich mich dort darauf verlassen, zu Wort zu kommen. Auch wenn die Bundespressekonferenzen aktuell wegen Corona zeitlich beschränkt sind und deswegen viele Kollegen und auch ich nicht so viel fragen können, wie sie wollen – es kommen der Reihe nach garantiert immer alle zu Wort. Das ist viel wert. Vor allem in diesen Zeiten. Heute werde ich um 13 Uhr wieder auf der Bundespressekonferenz sein. Ich hoffe, sie wird bei Phoenix übertragen.


Hier noch einige Tweets von mir zur heutigen Konferenz:


Bild: Tagesschau/Youtube
Text: br


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