Luxus-Verfassungsrichter: Mit Regierungsjet zu Merkel-Dinner Zwischen 2017 und 2021: 38 Flüge – oft auch nur von Karlsruhe nach Berlin

Heiligste Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es, das Grundgesetz vor der Regierung zu schützen. Früher kam es denn auch immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Bonn und Karlsruhe. Seit Angela Merkel ihren Vertrauten Stephan Harbarth, früher Vize-Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, an der Spitze des Gerichtes installiert hat, wirkt es wie ein verlängerter Arm der Regierung. Kritiker sagen, es schütze weniger das Grundgesetz vor den Mächtigen als umgekehrt.

So ist denn auch kaum verwunderlich, dass eine Peinlichkeit nach der anderen an die Öffentlichkeit kommt: Etwa kürzlich ein Treffen mit den Richtern im Kanzleramt unter Merkel, bei dem auch Details zu laufenden Verfahren besprochen wurden. Stellen Sie sich das einmal bei einem anderen Zweig der Gerichtsbarkeit vor – dass eine Seite mit den Richtern, die über sie urteilen, gemütlich zu Abend isst und über den Fall plaudert. Peinlich auch der Verdacht, dass es dunkle Flecken in der Biographie des obersten Verfassungshüters gibt. Insbesondere ist ungeklärt, wer die Gutachter waren, die für seine Ernennung zum Honorar-Professor (Uni Heidelberg) entscheidend waren. Ging hier alles mit rechten Dingen zu? (Siehe meinen Bericht hier).

So passt die neueste Meldung leider sehr gut ins Bild. „Präsident Stephan Harbarth und weitere Richter flogen zwischen 2017 und 2021 insgesamt 38-mal mit der Deutschen Flugbereitschaft, oft hin und zurück“, berichtet jetzt die Berliner Zeitung: „Mitglieder des Verfassungsgerichts statteten dem israelischen, irischen und dem britischen Supreme Court Besuche ab, Stephan Harbarth nahm an Konferenzen im Senegal und Georgien teil. Die meisten Flüge gingen jedoch nach Berlin.“

Klimaschutz-Heuchler

Ich traute zuerst meinen Augen nicht, als ich das las. Ins 676 Kilometer entfernte Berlin mit der Flugbereitschaft? In Zeiten, in denen alle nur vom Klimaschutz und von Verminderung von Emissionen reden? In denen genau diese Richter sogar entschieden, für den Klimaschutz könne man Grundrechte einschränken – aber offenbar nicht sich selbst bei seinen Reisen. „Das Verfassungsgericht teilt mit, dass es neben einem Treffen mit dem Bundestagspräsidenten, einen Neujahrsempfang beim Bundespräsidenten auch zwei Treffen mit der früheren Kanzlerin Angela Merkel sowie ein weiteres mit ‘Mitgliedern der Bundesregierung‘ gegeben habe.“

Was per se schon verdächtig ist. Aber dazu mit dem Regierungsflieger nach Berlin jetten, statt Zug zu fahren? Oder Linie zu fliegen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies früher üblich war – solche Privilegien für diejenigen, die die Regierung kontrollieren sollen, von der Regierung – die über den Einsatz der Flugbereitschaft entscheidet.

Unterschiedliche Tempi bei Reisen und Urteilen

Die Berliner Zeitung schreibt denn auch korrekt: „Was bei Ministern und anderen Spitzenpolitikern plausibel ist, überrascht bei Richtern. Sie sind nicht den gleichen zeitlichen Zwängen wie Spitzenpolitiker unterworfen. Im Gegenteil. Sie lassen sich gern Zeit, brauchen teilweise Jahre, um Urteile zu fällen.“

Kein Wunder, dass sich das Gericht etwas einfallen ließ, um die Flüge zu rechtfertigen: „Bei der Nutzung von Linienflügen für den Hin- und Rückflug wäre die Wahrnehmung des Termins bei der Bundesregierung nicht bzw. nur mit erheblichem Zeitverlust möglich. Von den Flughäfen Karlsruhe Baden-Airpark und Mannheim aus gibt es am 30. Juni 2021 keine Linienflugverbindungen nach Berlin. Gleiches gilt für den Rückflug. Ein Linienflug ab Frankfurt oder Stuttgart kommt angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und der langen Anfahrtszeiten – auch aufgrund häufiger Verkehrsstörungen – nicht in Betracht.“

Weiter heißt es in der Akte, aus die der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting zitiert, laut „Berliner Zeitung“: „Zu berücksichtigen ist im Übrigen auch, dass die Delegation des BVerfG bei der Nutzung der Luftwaffe einem weitaus geringeren Infektionsrisiko im Vergleich zur Nutzung einer Linienflugverbindung, ausgesetzt sein wird.“ Zudem habe man Zeitverlust durch Bauarbeiten vermeiden wollen.

„Doch wieso stellen Bauarbeiten und Corona für die Verfassungsrichter derartige Reisehindernisse da?“, fragt das Blatt. Besonders pikant: Auch zu dem erwähnten Dinner im Kanzleramt ließen sich 15 Richter mit der Flugbereitschaft einfliegen. Bei einem Privatunternehmen hätte allein ein solcher Flug  35.000 bis 40.000 Euro pro Stunde gekostet. „Da die Richter keinem engen Zeitplan unterworfen sind, überrascht, dass sie für Zigtausende fliegen müssen, anstatt beispielsweise früher anzureisen“, moniert das Blatt. Laut den Richtlinien der Flugbereitschaft müssen die „durch den Flug verursachten Kosten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Dringlichkeit des Amtsgeschäfts und den damit verbundenen Bundesinteressen“ stehen.

Aber der Steuerzahler bezahlt es ja.

Mit dem ICE, in dem es sich sehr bequem reisen und auch arbeiten lässt, dauert die direkte Fahrt nach Berlin rund fünfeinhalb Stunden. Mit einer Übernachtung eine Lösung, die um ein Vielfaches billiger und umweltfreundlicher ist als ein Extra-Flug. Zum Flughafen Frankfurt, von dem es Linienflüge nach Berlin gibt, braucht der ICE aus Karlsruhe eine Stunde; mit dem Auto sind es knapp anderthalb Stunden. Zum Stuttgarter Flughafen sind es weniger als eine Stunde. Zum Vergleich: Nach Mannheim, wo die Richter auch mit Regierungsflugzeugen starteten, sind es 45 Minuten – knapp 15 weniger als staufrei mit dem ICE nach Frankfurt.

Die Argumentation der Verfassungshüter – und mit ihr deren Glaubwürdigkeit – bricht damit zusammen wie ein Kartenhaus.

Dafür wird so Vieles in Sachen Bundesverfassungsgericht und seiner neuen Regierungnähe noch klarer, als es ohnehin schon war.

David gegen Goliath
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!


Bild: Shutterstock
Text: br

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