Von Alexander Wallasch
Eine Allensbach-Umfrage belegt, was wenige überraschen kann: Eine Mehrheit der Deutschen meint, dass Corona die Gesellschaft zum Schlechteren verändert hat.
Aber wer nimmt ernsthaft etwas anderes an? Man muss schon abgebrüht sein, angesichts der Belastungen aus Krankheit und einschränkenden Maßnahmen von „Corona als Chance“ zu fabulieren. Die Trefferquote virtueller Suchfunktionen allerdings erzählt etwas anderes: Insbesondere Unternehmensberater gerieren sich in Goldgräberstimmung.
Besagte Umfrage wurde von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beauftragt, die Auswertung wird dort hinter der Bezahlschranke angeboten.
Wo also eine Mehrheit der Bevölkerung meint, das Leben hätte sich unter Corona zum Schlechteren entwickelt, glaubt nur noch jeder Vierte, dass 2022 alles wieder gut werden könnte. Dann jedenfalls, wenn man, was vor Corona war, als „gut“ einordnet.
Noch interessanter ist ein weiteres Ergebnis der Allensbach-Umfrage: Der Anteil der Menschen, die die Nase voll haben von den Maßnahmen, wächst. Und mit dieser Empörungshaltung auch der Wunsch, dagegen zu protestieren.
46 Prozent der Befragten empfinden die Corona-Berichterstattung der Medien als Panikmache. Gerade einmal 28 Prozent glauben, was ihnen da aufgetischt wird. Das Vertrauen in die Medien geht also im selben Maße verloren, wie das Vertrauen in die Politik bereits erodiert ist.
Viele Deutsche haben schlichtweg die Nase voll. Sie ächzen unter der Doppelbelastung von Corona und den von immer mehr Bürgern als unsinnig verstandenen Maßnahmen. Die Gefühlslage ist dabei zwiespältig. Die Umfrage bestätigt das Gefühl, „in einer Endlosschleife festzuhängen“, wie die Zeitung weiter schreibt.
Auch die von Fachleuten mittlerweile als eher milde deklarierte Omikron-Variante konnte diesen Trend nicht umkehren: Laut Allensbach-Umfrage bleibt die tiefe Skepsis. Offensichtlich sind Begriffe wie „Endemie“ viel zu abstrakt, als dass er als Leuchtturm aus der Pandemie zu begreifen wäre.
Und es kommt noch wuchtiger: 70 Prozent der Befragten, schreibt die Zeitung weiter, hätten 2022 bereits abgeschrieben, obwohl das Jahr gerade erst begonnen hat.
Gereiztheit, Müdigkeit und Enttäuschung bleiben also weiter die vorherrschenden Stimmungsbilder vieler Deutscher.
Auch keine Überraschung: Insbesondere die junge Generation fühlt sich schlechter als vor Ausrufung der Pandemie. Nur ein Prozent der Bevölkerung geben an, dass es ihnen heute besser geht als vor zwei Jahren.
Vergleicht man noch die Geschlechter miteinander, dann fällt auf, dass Frauen in der Umfrage deutlich pessimistischer sind. 48 Prozent der Männer und 57 Prozent der Frauen geben an, dass sich ihr Leben durch die Pandemie gravierend verändert hätte. Das erstaunt auch deshalb ein wenig, weil Männer häufiger an Corona erkranken als Frauen.
Diejenigen, die kaum von Veränderungen berichten, sind fast ausschließlich ältere Menschen. Also ausgerechnet jene Gruppe, die in der Pandemie als besonders gefährdet gilt. Hier geben neun Prozent der Gesamtbevölkerung an, ihr „gewohntes Leben auch in der Pandemie ohne nennenswerte Abstriche fortführen“ zu können, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung als Auftraggeber der Studie berichtet.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“
Bild: shutterstock
Text: wal
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