Von reitschuster.de
Ohne jede Vorwarnung wurde dem deutschen Volk Anfang Dezember Christine Lambrecht als neue Bundesverteidigungsministerin präsentiert. Der Wechsel der Rechtsanwältin aus dem Bundesjustizministerium ins Verteidigungsministerium sorgte nicht nur bei erfahrenen Hauptstadt-Journalisten für hochgezogene Augenbrauen, da Lambrecht auch in ihrem vorherigen Amt nicht unumstritten war. So übte die FDP nur wenige Tage nach ihrem Amtsantritt im Juli 2019 deutliche Kritik unter anderem an Lambrechts Personalpolitik. Als Verteidigungsministerin reichten der SPD-Politikerin nur wenige Monate, um zu zeigen, dass sie auch in diesem Amt heillos überfordert ist und jeden Bezug zur Realität verloren hat. Nur wenige Tage nach ihrer Ernennung zur Bundesverteidigungsministerin im Kabinett Scholz verabschiedete sich Lambrecht erstmal in den Urlaub. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine hatte Lambrecht die Lacher auf ihrer Seite, als sie den Ukrainern die letzten 5000 Helme aus den Beständen der Bundeswehr versprach. Im April tauchte die „Stöckelschuh-Ministerin“ (BILD) in Pumps beim Truppenbesuch in Mali auf und schließlich musste sie am Rande der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg, auf der unter anderem Lieferung von Panzerhaubitzen an die Ukraine beschlossen wurde, einräumen: „Ich habe diese Entscheidung nicht getroffen.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die wirklich wichtigen Fragen im Bundesverteidigungsministerium also längst zur Chefsache gemacht oder an andere Stellen delegiert. Der desolate Zustand der Bundeswehr ist zwar schon länger bekannt und daher nicht Lambrecht anzulasten, jedoch hat nicht zuletzt der Ausbruch des Ukraine-Kriegs gezeigt, welch eklatante Fehlbesetzung sich Scholz mit seiner Parteifreundin geleistet hat. Nachdem zu Beginn dieser Woche bekannt wurde, dass Lambrecht ihren Sohn schon mehrfach in Regierungsfliegern hat mitreisen lassen, wollte die Verteidigungsministerin darin nichts Verwerfliches erkennen und ließ über ihr Ministerium lediglich ausrichten, dass alles rechtens gewesen sei.
Nicht alles, was rechtens ist, ist auch richtig!
Es sagt viel darüber aus, wie weit Christine Lambrecht und ihr Umfeld, in diesem Fall ihr Sohn, der Realität bereits entrückt sind, wenn sie ihren Filius nicht nur in einem Helikopter zu einem Truppenbesuch mitnimmt, um sich danach auf das nahegelegene Sylt in den gemeinsamen Oster-Urlaub zu verabschieden. Nein, der Sohnemann hat nichts Besseres zu tun, als die dazugehörigen Bilder dann auch noch auf seinen Profilen in den sozialen Netzwerken zu posten – als sei es die normalste Sache der Welt, dass ein 21-jähriger seine Mutter regelmäßig auf Dienstreisen begleitet, um so die Welt kennenzulernen. Die Sache wird auch dadurch nicht besser, falls – die Betonung liegt auf falls – rein formal alles mit rechten Dingen zugegangen sein sollte, sprich die Kosten für diese Reisen aus eigener Tasche beglichen worden sind.
Das sehen auch Politiker fast aller anderen Parteien so. Selbst Marie-Agnes Strack-Zimmermann vom Koalitionspartner FDP sprach von einem „ungewöhnlichen Vorgang“ und ergänzte gegenüber der Welt: „Ich kann nicht beurteilen, was das für ein Flug war, ob die Ministerin sowieso unterwegs war. Das Ganze ist nicht wirklich korrekt, das wissen wir alle.“ Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, nannte es „stillos“, die Bundeswehr für private und parteipolitische Zwecke zu benutzen und sagte der BILD: „Die Verteidigungsministerin sollte als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt mehr Fingerspitzengefühl zeigen und nicht die Luftwaffe mit der Lufthansa verwechseln.“ Joachim Paul (AfD) twitterte im Steno-Stil: „In Europa herrscht Krieg. Die Bundeswehr ist nicht einsatzfähig. Deutschland ist wehrlos. Lambrecht macht Urlaub in Sylt. Und nimmt Sohnemann im Diensthubschrauber mit. Der Naivling postet das bei Insta. Buntland in einer Szene. Rücktritt jetzt.“ Die Linke äußerte sich ebenfalls über Twitter zu dem Vorfall: „Wir würden ja das 9-Euro-Ticket nehmen, um in den Sylt-Urlaub zu fahren. Ganz anders Frau Lambrecht, die SPD-Verteidigungsministerin. Sie hat ihren Sohn, offenbar rechtswidrig, in einem Hubschrauber der Flugbereitschaft in den privaten Sylt-Urlaub einfliegen lassen. Und der macht dann Selfies für Insta.“
Chance für eleganten Rücktritt verpasst
Ob sich die Verteidigungsministerin tatsächlich rechtswidrig verhalten hat und inwieweit es sich um eine dienstliche oder eben doch um eine zumindest in Teilen private Reise gehandelt hat, werden vermutlich die nächsten Tage zeigen. Fest steht aber schon jetzt, dass sowohl Christine Lambrecht als auch Kanzler Scholz die goldene Chance verpasst haben, die offensichtlich überforderte Ministerin auszutauschen. Im Gegensatz zu manch anderen Politikern der heutigen Generation würde Lambrecht nicht ins Bodenlose fallen, da sie jederzeit wieder in ihren ursprünglichen Beruf als Rechtsanwältin zurückkehren kann. Alle Beteiligten hätten ihr Gesicht wahren können, wenn Lambrecht sofort ihren Rücktritt erklärt hätte und die üblichen Floskeln vom „großen Respekt für diese Entscheidung“ wären ihr sicher gewesen.
So aber bleibt Lambrecht wohl eine (Selbst)Verteidigungsministerin auf Abruf – entweder bis sie sich den nächsten Lapsus leistet oder der Druck auf Kanzler Scholz zu groß wird. Beides scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein und könnte durchaus auch zusammen eintreten. Dass Christine Lambrecht am Ende der Legislaturperiode der Ampelkoalition immer noch Bundesverteidigungsministerin sein wird, sofern die Koalition als solche diese vier Jahre übersteht, ist hingegen nur mit sehr viel Fantasie vorstellbar.
Bild: Alexandros Michailidis / ShutterstockText: reitschuster.de
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