„Nicht von den Lauterbachs dieser Republik in die Enge treiben lassen“ Söders Vize Aiwanger kritisiert indirekten Impfdruck und Schwarz-Weiß-Denke

«Wir dürfen uns nicht von den Lauterbachs dieser Republik in die Enge treiben lassen»: Nach einem öffentlich ausgetragenen Konflikt mit seinem Chef, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, legt sein Stellvertreter und Koalitionspartner Hubert Aiwanger von den Freien Wählern nun nach. Er wendet sich gegen einen „gesetzlichen oder moralischen Impfzwang“, fordert mehr Aufklärung über die Risiken, an Covid-19 zu erkranken. Bei Söder vermisst er differenzierendes Denken. Die Aussagen des Vize-Ministerpräsidenten dürften für viele Impf-Moralibans in Medien und Politik wohl schon Ketzerei sein.

Aber alles der Reihe nach.

Vor laufenden Kameras hatte Ministerpräsident Söder seinen Vize vergangene Woche aufgefordert, seine Haltung zur Impfung zu erklären (siehe Bericht auf meiner Seite hier): „Vielleicht sagst Du einfach selber was dazu, warum Du Dich nicht impfen lassen willst.“ Der Landesvater wiederholte sodann, dass nun eigentlich die Zeit wäre, „wo wir alle dran sein könnten“. Aiwanger stellte daraufhin klar: „Die Entscheidung, ob sich jemand impfen lässt oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung. Die nehme ich auch für mich in Anspruch.“ Er habe sich bisher nicht für eine Corona-Impfung entscheiden können. Das bedeute nicht, „dass ich mich generell niemals impfen lassen werde“, erläuterte der Freie-Wähler-Chef. „Ich schaue mir einfach die Entwicklung jetzt in den nächsten Wochen und Monaten an.“ Aiwanger bekam für seine Aussage massive Kritik, die Büchsenspanner der Regierung nahmen ihn prompt ins Visier.

Statt klein beizugeben, legt der Chef der Freien Wähler nun in einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) nach. Und rechnet mit der Corona-Politik und ihren Propagandisten ab: „Wir brauchen intelligente Konzepte, wie wir zügig aus dem Bunker wieder herauskommen, und nicht erst dann, wenn irgendwann das Virus aus der Welt verschwunden ist. Eine Elterninitiative aus dem Raum Passau bat mich gerade, erneute Schulschliessungen unbedingt zu verhindern.“

Die Mehrheit sei froh, dass die Freien Wähler „auf die Abschaffung der Maskenpflicht an den bayrischen Schulen hingewirkt haben“, sagte Aiwanger der NZZ: „Die pragmatischen Stimmen werden lauter. Wir dürfen uns als Gesellschaft nicht von den Lauterbachs dieser Republik in die Enge treiben lassen. Entscheidend wird es sein, dass wir uns jetzt vorbereiten, um auch bei eventuell wieder steigenden Infektionszahlen im Herbst beispielsweise die Schulen, den Handel und die Gastronomie offenhalten zu können. Wir brauchen jetzt die politische Einigung in Deutschland, dass ein erneuter Lockdown und Massnahmen wie die Bundesnotbremse nicht wiederkommen. Die enorme Polarisierung in der Debatte müssen wir überwinden. Es ist unmöglich, eine Gesellschaft über Jahre hinweg in Endzeitstimmung gefangen zu halten. Selbst wenn weitere Varianten des Coronavirus kommen sollten, müssen wir die Lage mit einer gewissen Nüchternheit managen. Panik ist der schlechteste Ratgeber.“

Massiv beklagte der stellvertretende Ministerpräsident des Freistaats auch das Diskussionsklima – nachdem ihm sein Auftritt auf der beschriebenen Pressekonferenz den Verdacht eingebracht hatte, ein „Impfgegner“ zu sein. Auch mit dieser Kritik rührt Aiwanger an einem Tabu – denn die Unterdrücker der Meinungsfreiheit versuchen ja auch, Klagen über deren Einschränkung zu verhindern. Etwa durch Diskreditierung und Diffamierung. Aiwanger spricht trotzdem Klartext. Es herrsche „Schwarz-Weiss-Denke“, sagte er zur NZZ: „Bist du nicht meiner Meinung, bist du ein ganz Böser und musst an den Pranger gestellt werden. Nach fünfzig Jahren Erziehung zu Toleranz muss man sich schon wundern, wie schnell die öffentliche Meinung auf Leute losgeht, die nicht dasselbe sagen wie einige Fernseh-Virologen.“

Er lehne Impfungen nicht generell ab, so der Vize-Premierminister: „Auch die Corona-Impfung ist wahrscheinlich für den einen sinnvoll, für den anderen nicht. Beispielsweise hat ja auch die Ständige Impfkommission Impfungen für Kinder bisher nicht empfohlen, und auch bei Erwachsenen gibt es in der Beratung verschiedene Empfehlungen. Man muss immer differenzieren und den Einzelfall betrachten.“

Es sei „wirklich falsch, auf die Ungeimpften Druck auszuüben und sie als verantwortungslos zu brandmarken.“ Man müsse akzeptieren, dass sich Menschen gegen die Impfung entscheiden. Es sei auch aus medizinischen Gründen unklug, Druck auszuüben, so Aiwanger zur NZZ: „Man wird nur das Gegenteil erreichen und Trotz ernten. Man muss die Menschen überzeugen. Bei den Impfkonzernen und in der Wissenschaft lief ja einiges schief. Was heute nur für die Älteren geeignet sein sollte, wurde morgen plötzlich nur für die Jüngeren empfohlen, dann wieder andersherum. So erzeugt man Verunsicherung.“

Die Wortschöpfung „Impfverweigerer“ lehne er ab, betonte der Minister in der NZZ: „Gibt es auch Impfeuphoriker, Impffanatiker, Impferzwinger, Impfleugner? Lassen Sie uns doch einfach von Geimpften und Ungeimpften reden. Unsere Demokratie leidet, wenn wir einen gesetzlichen oder moralischen Impfzwang einführen.“ Wenn Ministerpräsident Söder sage, Impfen sei die einzige echte Antwort auf Corona, einen anderen Weg gebe es nicht, sei ihm das „zu alternativlos und zu absolut“. Auch das starker Tobak, für den im „besten Deutschland aller Zeiten“ öffentliche Ächtung droht.

Momentan deute „vieles darauf hin, dass das Impfen ein zielführender Weg ist, vor allem auch für Menschen, bei denen ein schwerer Krankheitsverlauf zu befürchten ist, wobei wir noch zu wenig wissen, welche Menschen das genau sind“, so Aiwanger weiter. Dabei dürfte allein der Ausdruck „es deutet vieles darauf hin“ für Corona-Orthodoxe bereits ein rotes Tuch sein. Wie vieles in dem Interview des streitbaren Bayern. Er fordert: „Wir müssen vor allem pragmatische Antworten finden.“ In bayrischen Schulen seien „jüngst über 900 000 Schüler getestet“ worden, „108 von ihnen waren positiv, also rund 0,01 Prozent.“ Das zeige klar, dass man „den Präsenzunterricht mit Hygiene- und Abstandsregeln aufrechterhalten kann“, so Aiwanger zur NZZ: „Ob mit, ob ohne die Delta-Variante. Es muss endlich Nüchternheit in die Debatte kommen.“

Faktisch müsste sich der Nichtgeimpfte rechtfertigen, klagt der Bayer: „Das sehen Sie ja an den Vorwürfen, die auf mich niedergingen. Doch ich bleibe dabei: Wir müssen auch diejenigen ernst nehmen, die Gründe haben, sich nicht oder noch nicht impfen zu lassen.“ Vorwürfe, er würde „zu Angst und Schrecken beitragen“, wenn er „Zweifel säe an der Wirksamkeit der Impfstoffe“, wies Aiwanger gegenüber der NZZ zurück: „Zur Wirksamkeit der Vakzine habe ich mich gar nicht geäussert. Ich habe meine persönliche Entscheidung kundgetan, und ich will nicht, dass sich jeder Ungeimpfte rechtfertigen muss, warum er sich so entschieden hat.“

Sein Schluss-Fazit in dem Interview mit der Schweizer Zeitung: „Jens Spahn sollte seinen Ehrgeiz lieber darauf verwenden, mitzuhelfen, das Schulsystem so robust aufzustellen, dass nirgends Wechselunterricht oder gar Schulschliessung nötig sein werden. Beispielsweise drängen wir in Bayern darauf, in den Klassenzimmern Luftreiniger gegen Viren einzubauen. Auch in anderen Bereichen unseres Landes muss wieder mehr Normalität einziehen, sogar in Diskotheken. Warum sollen Getestete oder Geimpfte nicht tanzen dürfen? Ich begreife die deutsche Lust an der ewigen Einschränkung jeden Tag weniger.“

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ist damit auf der gleichen Linie wie der frühere Berliner FDP-Abgeordnete Marcel Luthe, der zu den Freien Wählern übergetreten ist und als deren Spitzenkandidat für die Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin im September antritt. Die Partei will sich offenbar auch als bürgerliche Alternative um den Einzug in den Bundestag bemühen. In vielen Medien gibt es bereits massive Diskreditierungs-Kampagnen. Etwa gegen Aiwanger wegen seiner zurückhaltenden Töne zu Corona oder auch gegen Luthe, der ebenfalls wegen seiner kritischen Position zur Corona-Politik massiv unter Beschuss ist.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Bild: Stefan Brending / Lizenz: Creative Commons CC-BY-SA-3.0 de
Text: br


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