Je größer in einer Gesellschaft der Druck auf Menschen mit abweichenden Meinungen ist, umso scheuer sind viele, ihre Ansichten offen zu äußern. In Deutschland sind Kritiker der aktuellen Corona-Politik inzwischen der latenten Gefahr ausgesetzt, Nachteile im sozialen und beruflichen Leben zu erleiden. Viele haben Angst, als „Querdenker“ stigmatisiert zu werden. Einiges spricht dafür, dass dies zumindest bei einigen Menschen auch dazu führt, dass sie bei Umfragen solche Antworten geben, die nicht auffallen und sie nicht verdächtig machen. Umso interessanter sind die Ergebnisse auf Fragen, die indirekt formuliert sind – bei denen Befragte also keine Angst haben müssen, durch eine „falsche“ Antwort stigmatisiert zu werden. Das Meinungsforschungsinstitut INSA mit Sitz in Erfurt, mit dem meine Seite seit längerem erfolgreich zusammenarbeitet, hat jetzt mehr als 1000 repräsentativ ausgewählte Menschen in Deutschland befragt, wie sie zu folgender These stehen: „Ich vertraue auf die Richtigkeit der veröffentlichten Inzidenzwerte bzw. ähnliche Statistiken zum Coronavirus.“
Die Antwort ist überraschend. Während sonst meist eine Mehrheit Schritte wie den harten Lockdown befürwortet, scheint das Grundvertrauen in die staatliche Informationspolitik recht angekratzt.
Nur etwa ein Fünftel der Befragten (18 Prozent) vertraut voll und ganz auf die Richtigkeit der veröffentlichten Inzidenzwerte bzw. ähnliche Statistiken zum Coronavirus. Eine relative Mehrheit von 48 Prozent der Befragten „vertraut teilweise“ auf die Richtigkeit der veröffentlichten Inzidenzwerte. Über ein Viertel der Befragten (28 Prozent) vertrauen „gar nicht“ auf die Richtigkeit der Inzidenzwerte. INSA zieht daraus den Schluss, dass „eine absolute Mehrheit der Befragten (66 Prozent zusammengerechnet) auf die Richtigkeit der Inzidenzwerte vertraue. Aber kann man das wirklich aus diesen Daten schließen? Wäre nicht die richtigere Interpretation: „Nur ein knappes Fünftel der Deutschen hat volles Vertrauen in Corona-Werte?“ Ich würde das sogar noch weiter zuspitzen: Ist es nicht mit Vertrauen wie mit einer Schwangerschaft? Kann man „teilweise schwanger“ sein bzw. „teilweise vertrauen“? Ein nur teilweises Vertrauen schließt Misstrauen bereits ein, so zumindest meine Interpretation.
„In allen Altersklassen vertraut die absolute Mehrheit der Befragten ganz oder teilweise auf die Richtigkeit der veröffentlichten Inzidenzwerte“, interpretiert INSA die Werte weiter. Weiter schreibt das Institut: „Bei den ältesten Befragten vertraut die absolute Mehrheit (55 Prozent) teilweise auf die Richtigkeit der Inzidenzwerte. Über ein Viertel der Befragten zwischen 30 und 59 vertrauen auf die Richtigkeit der veröffentlichten Inzidenzwerte gar nicht (27 bis 37 Prozent).“ Man könnte das aber auch ganz anders darstellen: Am geringsten ist das Vertrauen in die Richtigkeit der Werte bei den 50- bis 59-Jährigen: Nur 14 Prozent, und damit nicht einmal jeder Siebte, vertraut dort den Inzidenzwerten voll und ganz. Am höchsten ist das Vertrauen bei den 18- bis 29-Jährigen – hier haben 26 Prozent vollstes Vertrauen. Was gerade ein gutes Viertel ausmacht.
Auch bei der Verteilung nach Parteien kann man die Ergebnisse ganz unterschiedlich interpretieren. INSA schreibt: „Einzig die Wähler der AfD vertrauen mehrheitlich auf die Richtigkeit der veröffentlichten Inzidenzwerte nicht (63 Prozent). Wähler der Union, der SPD, der FDP, der Linken und der Grünen vertrauen absolut-mehrheitlich teilweise auf die Richtigkeit der Inzidenzwerte (52 bis 60 Prozent). Wähler der Union und der Grünen (28 bzw. 29 Prozent) vertrauen am häufigsten auf die Richtigkeit der veröffentlichten Inzidenzwerte voll und ganz, gefolgt von Wählern der SPD (21 Prozent; Rest: 2 bis 16 Prozent).“ Der Ausdruck „vertrauen absolut-mehrheitlich teilweise“ ist bemerkenswert. Auch hier könnte man die Zahlen ganz anders werten. Etwa: Selbst bei den Grünen-Wählern haben nur 29 Prozent volles Vertrauen in die offiziellen Werte. Bei den AfD-Wählern sind es ganze zwei Prozent, bei FDP-Wählern neun, bei Linke-Wählern 16. Am geringsten ist die Zahl derjenigen, die „gar kein Vertrauen“ in die Werte haben, bei Grünen- und CDU-Wählern. Auch da machen die Skeptiker noch 15 bzw. 13 Prozent aus.
Das Fazit: Wie bei so vielen Umfragen hängt auch bei dieser alles davon ab, wie man sie interpretiert. ARD, ZDF und viele großen Medien würden möglicherweise die Schlagzeile „Deutliche Mehrheit hat Vertrauen in Corona-Zahlen“ daraus machen. Ich würde das als Irreführung auffassen. Die Schlagzeile: „Nur 18 Prozent der Deutschen haben volles Vertrauen in die Corona-Zahlen“ ist dagegen zwar ebenfalls wertend – aber durch das Wort „volles“ und die Dachzeile: „Mehrheit vertraut teilweise“ wird sie sachlich korrekt. Und sie ist auch journalistisch richtig: Denn sie drückt das wohl überraschendste Ergebnis der Umfrage aus. Darum habe ich sie gewählt. So erfreulich es einerseits ist, dass eine Mehrheit der Deutschen offenbar die offiziellen Angaben der Behörden kritisch hinterfragt: Das damit verbundene – zumindest teilweise – Misstrauen in staatliche Institutionen wird mittelfristig katastrophale Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unsere Demokratie haben. Verantwortlich dafür sind diejenigen, die aktuell das von Haus aus enorme Grundvertrauen der Menschen in Deutschland in den Staat und seine Institutionen, das Generationen aufgebaut haben, mit einem geradezu atemberaubenden Tempo und mit Taschenspielertricks verspielen.
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Text: red