Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber liest meine Seite. Das ist die gute Nachricht. Sie wird konterkariert von zwei schlechten Nachrichten. Weber versteht meine Texte nicht oder missversteht sie absichtlich. Und sie unterstellt mir öffentlich genau das, was sie selbst tut. Das nennt man in der Psychologie „Projizieren“ – eigene Absichten und Gedanken anderen unterstellen.
Aber alles der Reihe nach. Vergangene Woche erreichte mich die Nachricht eines Mitarbeiters (m/w) der Augsburger Stadtverwaltung, der/die eine Rundmail der Oberbürgermeisterin erhalten hat. Sie enthielt einen Aufruf, zur Anti-AfD-Demo am vergangenen Samstag in Augsburg zu gehen. Die CSU-Politikerin Weber war schon bei Corona durch eine stramm autoritäre „Haltung“ aufgefallen. So setzte sie etwa die Maskenpflicht für Jogger durch. Damit ist eigentlich alles über sie gesagt.
Ihr Brief in Sachen Demo war so formuliert, dass sich Mitarbeiter wie derjenige, der mich kontaktierte, unter Druck gesetzt fühlten. Völlig zu Recht, wie jeder verstehen wird, der weiß, wie eine Verwaltung intern tickt und welcher Konformitätsdruck dort herrscht. Unter den kritischen Mitarbeitern in der Stadtverwaltung ging die Angst um, dass, wer nicht brav zur Demo geht und damit wie gefordert ein „Zeichen“ setzt, sich „outen“ würde und gegebenenfalls mit Nachteilen rechnen müsste. Genau das habe ich in meinem Artikel beschrieben, den sie hier nachlesen können.
Fast genauso spannend und hanebüchen wie der Aufruf selbst sind die Reaktionen darauf. Weber sagte laut „Augsburger Allgemeine“: „Trotz der Einschüchterungsversuche und Verdrehung der Tatsachen à la Reitschuster, Scheirich und Co. werde ich als Oberbürgermeisterin und als Bürgerin dieser Stadt weiterhin für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, für unsere Demokratie und für unsere Grundrechte, insbesondere die Menschenwürde, eintreten.“
In dem Schreiben wird explizit auf die angeblichen „Enthüllungen“ des staatsfinanzierten Medienhauses „Correctiv“ hingewiesen. Es heißt dort unter anderem, angesichts von „demokratiefeindlicher und menschenfeindlicher Bestrebung“ sei es „wichtig, sich zu positionieren. Als Bürgerinnen und Bürger, aber insbesondere auch als Mitarbeitende einer öffentlichen Verwaltung“.
Weiter steht da: „Als Stadtverwaltung sind wir eine wichtige Säule der Demokratie. Wir setzen uns tagtäglich für ein funktionierendes Gemeinwohl ein. Mehr denn je sind auch wir gefragt, sie aktiv zu verteidigen und zu stärken. Deshalb rufe ich Sie alle dazu auf, sich an der Demonstration für unsere Demokratie am 3. Februar am Rathausplatz zu beteiligen.“
Sodann wird die Aufforderung noch drastischer: „Unsere Präsenz bei dieser Veranstaltung sendet ein starkes Signal“, heißt es da. Und: „Zeigen wir gemeinsam, dass wir als Verwaltung für eine offene, demokratische und tolerante Gesellschaft einstehen.“
In der Augsburger Stadtverwaltung geht nun die Angst um. Wer nicht brav mitmacht und demonstrieren geht, muss Angst haben, gemobbt zu werden. Ähnliche Schreiben gibt es massenhaft in Behörden, Schulen, Firmen. Es ist der Geist der DDR, der aus ihnen spricht (siehe hier).
Verwaltungsangestellte unter Druck zu setzen, für die Regierung gegen die Opposition zu demonstrieren, und das damit zu begründen, sie müssten „für eine offene, demokratische und tolerante Gesellschaft einstehen“, ist an Zynismus kaum zu überbieten.
Aber angesichts der Massenhysterie, die in Deutschland geschürt wird, scheint das vielen nicht mehr aufzufallen.
Professor Stefan Homburg schrieb auf „X“: „Gustave Le Bon lehrte, wie Regierungen die Massen mit simplen Mitteln entfesseln können. Nach langer Zeit erleben wir das in Deutschland leider erneut. Ein abgehörtes Privattreffen reicht, schon sind Wohnungsnot, Inflation, Degrowth und Massenimmigration vergessen. Laut Le Bon sind aufgestachelte Massen impulsiv, leichtgläubig, besessen von schlichten Ideen, intolerant und diktatorisch. Seine Einsicht, dass Menschen stärker von Unbewusstem als von Vernunft gesteuert werden, griff später Sigmund Freud auf.“
Homburg unterstreicht seine These mit dem Bild von einer Demo, auf der ein Teilnehmer ein Spruchband mit dem Ruf nach einer ‚alternativlosen Demokratie‘ hält. Der Professor: „Das ulkige Plakat unterstreicht diese Einsicht.“
Le Bons Klassiker ist ein Muss, wenn man verstehen will, was heute passiert (zu bestellen für nur 4,99 Euro hier). Ein Leser schrieb mir: „Ich habe das Buch im März 2020 gelesen, danach hatte ich keine weiteren Fragen mehr. Wer es noch nicht kennt, es ist eine echte Leseempfehlung. Aktuell wie nie, man braucht allerdings heute noch stärkere Nerven als vor 4 Jahren …“
Die CSU-Dame setzt also ihre Mitarbeiter unter Druck, pfeift auf ihre Neutralitätspflicht und damit auf die Demokratie und, wie schon bei Corona, auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Und wirft dann mir genau das vor. Sie ist es, die die Tatsachen verdreht. Und nicht ich. Wie sie auf die Idee kommt, mir Einschüchterungsversuche vorzuwerfen, wird ihr Geheimnis bleiben. Während man ihren Aufruf durchaus als Einschüchterungsversuch werten kann – von kritischen Mitarbeitern.
Vielleicht hat Frau Weber meinen Text auch einfach nicht kapiert. Und der Unterschied zwischen indirektem, verhohlenem Druck und direktem, unverhohlenem ist ihr nicht bekannt. Ich neige ja sonst dazu, Sachen allzu oft mit Kafka und Orwell zu vergleichen, wie kritische Leser mir völlig zurecht mit Augenzwinkern ankreiden. In diesem Fall verzichte ich deshalb ausdrücklich darauf, so einen Zusammenhang herzustellen: Der CSU-Politikerin Anleihen bei Kafka und Orwell zu unterstellen, wäre aufgrund ihrer intellektuellen Schlichtheit einfach zu gewagt.
Ebenso intellektuell schlicht ist der Artikel der Augsburger Allgemeinen, in dem das Zitat der Oberbürgermeisterin zu finden ist. Es beginnt mit der unvermeidlichen Etikettierung meiner Wenigkeit als „umstrittener Blogger“. Dass nur brave stromlinienförmige Journalisten nicht umstritten sind, ist den Kollegen offenbar nicht klar. Dass sie mich zudem nicht für einen Journalisten, sondern Blogger halten, ist insbesondere deshalb witzig, weil ich eben bei der Augsburger Allgemeinen meine offizielle Ausbildung zum Journalisten absolviert habe. Offenbar hat das Blatt kein Vertrauen in die eigene Ausbildung. Könnte man meinen. Wahrscheinlicher ist einfach, dass die Kollegen zu faul waren zum Recherchieren und nicht wussten, dass ich aus ihrem eigenen Hause stamme.
Vielleicht sind die Kollegen auch nur sauer, weil ich ja geschrieben hatte, dass es eigentlich Sache der regionalen Monopol-Zeitung wäre, aufzudecken, wenn sich Mitarbeiter der Oberbürgermeisterin durch diese unter Druck gesetzt fühlen. Und dass die „Augsburger Allgemeine“ aber brav geschwiegen bzw. Männchen gemacht hat. So was hört man nicht gerne in der Redaktion: Je mehr Journalisten faktisch zahnlose Schmusekätzchen der Mächtigen sind, umso mehr sehen sie sich selbst in der Regel als mutige Tiger. Und wehe, man hält ihnen den Spiegel vor.
Doch damit nicht genug der Peinlichkeiten. In dem Artikel heißt es: „Die AfD greift einen Artikel des umstrittenen Bloggers Boris Reitschuster auf, der der Stadt im Vorfeld unterstellt hatte, ihre Mitarbeiter zur Demo-Teilnahme zu nötigen.“
Abgesehen davon, dass der Begriff „unterstellt“ astreines Framing ist: Nötigung ist ein Straftatbestand. Und da die Journalisten-Ausbildung bei der Augsburger Allgemeinen zu meiner Zeit noch gut war, habe ich gelernt, nicht leichtfertig mit Straftatbeständen um mich zu schmeißen. Anders, als mir die Augsburger Allgemeine vorwirft, war in meinem Artikel nie von einer Nötigung die Rede. Sondern von „kaum verhohlenem Druck“. Den Unterschied sollte eigentlich ein Achtklässler verstehen. Aber die Kollegen von der Augsburger Allgemeinen verstehen ihn entweder nicht – oder sie wollen ihn nicht verstehen – und mich absichtlich diskreditieren. Fakt ist: Sie lügen.
Wie schon bisher agiert die „Augsburger Allgemeine“ zudem wie das Verkündigungsblatt der Oberbürgermeisterin. In Propaganda-Manier versuchen die Kollegen, die Vorwürfe gegen die CSU-Politikerin zu entkräften und zu diskreditieren. Kritisch ist der Beitrag nur gegenüber der Opposition – also der AFD. Aber nicht gegenüber der Stadtregierung.
Besonders putzig ist, wie brav der Personalrat der Stadt dem Beitrag zufolge Männchen macht. Da heißt es: „Der Vorsitzende des städtischen Personalrats, Thomas Wünsch, sagte auf Anfrage, einzelnen Mitarbeitern der Stadt habe der Aufruf der Oberbürgermeisterin im städtischen Intranet nicht gefallen. ‚Für uns erkennbar wurde aber kein Druck auf die Belegschaft ausgeübt‘, betont Wünsch. Im Übrigen seien Demonstrationen ein verbrieftes Grundrecht auf den Säulen der Verfassung.“
Keine Angst – ich verkneife mir, jetzt hier an dieser Stelle wieder von Orwell oder Kafka zu sprechen. Aber dass ausgerechnet der Betriebsrat den indirekten Druck, den ein solcher Demo-Aufruf der Oberbürgermeisterin an die Mitarbeiter automatisch hervorruft, nicht sehen kann oder will, ist bemerkenswert. Ebenso wie der Hinweis auf das Demonstrationsrecht in der Verfassung. Ist der Mann geistig so schlicht, dass er die Problematik nicht versteht – oder tut er nur so, weil er keinen Ärger will? Die gleiche Frage darf man hinsichtlich des Autors des Artikels in der „Augsburger Allgemeinen“ stellen.
Über diese ganze Causa könnte man eigentlich herzlich lachen, weil sie ein Stück aus dem Tollhaus ist. Nur leider ist das Thema zu traurig. Und die Folgen werden so bitter sein, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.
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