Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Rießinger
Glaubt man Teilen der deutschen Presse, so gibt es in Europa kein bedauernswerteres Volk als das schwedische. Ausgeliefert einer verantwortungslosen politischen Kaste und nicht geschützt durch alternativlose harte Maßnahmen, werden die Schweden sehenden Auges ins Unglück und in die Katastrophe getrieben. So wurde man beispielsweise im April beim Südwestdeutschen Rundfunk mit der freundlichen Überschrift „Corona in Schweden: Der Sonderweg ist gescheitert“ erfreut, und bei T-Online konnte man im Mai lesen, Schweden zahle für seinen Sonderweg in der Pandemie einen hohen Preis und die Lage habe sich deutlich zugespitzt. Grund genug, einen Blick auf die Situation in Schweden zu werfen.
Dass man dort im Frühjahr 2020 Fehler im Umgang mit den Alten- und Pflegeheimen begangen hat, bestreitet niemand, im Gegenteil: Man hat die Fehler erkannt, zugegeben und korrigiert – eine Verhaltensweise, die man sich von deutschen Politikern, Modellierern und Virologen ebenfalls wünschen würde, aber nur selten zur Kenntnis nehmen darf. Dennoch zeigt eine Untersuchung der schwedischen Todesfall-Statistik, dass von einer Übersterblichkeit im Jahr 2020 keine Rede sein kann. In einem früheren Beitrag bin ich zu folgenden Ergebnissen gekommen, die hier nur kurz aufgelistet werden; ihre Herleitung kann man in dem damaligen Beitrag nachlesen.
Dass die absolute Zahl der Sterbefälle 2020 auf den ersten Blick hoch erscheint, liegt an dem außerordentlich milden Jahr 2019, dem daraus resultierenden Nachholeffekt im Jahr 2020 und der Entwicklung der Bevölkerungszahlen.
Berücksichtigt man die Anzahl der Einwohner eines jeweiligen Jahres sowie die Verteilung der Altersgruppen auf die Menge aller Einwohner, so liegt 2020 im Hinblick auf die Sterblichkeit auf dem fünften Platz der Jahre 2006 bis 2020. Zehn Jahre waren härter.
Betrachtet man auch noch die einzelnen Altersgruppen, so stellt sich heraus, dass die Sterblichkeitsraten 2020 in keiner Altersgruppe in irgendeiner Weise auffällig waren.
Nun sind bereits annähernd sechs Monate des Jahres 2021 ins Land gezogen, und man kann der Frage nachgehen, wie sich die Lage in Schweden seither entwickelt hat. Da in Deutschland seit Anfang November 2020 ein wie auch immer benannter Lockdown herrscht – zu Beginn nannte man es einen „Lockdown light“, später gab es Brückenlockdowns, härtere Lockdowns und eine „Osterruhe“, die aber zurückgenommen wurde, sobald man sie verkündet hatte; der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt –, ist insbesondere ein Vergleich zwischen dem lockdownfreien Schweden und dem lockdowngequälten Deutschland von Interesse, soweit man ihn durchführen kann.
Eine immer wieder gern verwendete Datenquelle findet man bei Our World in Data, einer Online-Publikation der Oxford Martin School, die wiederum zur Universität von Oxford gehört. Sucht man hier nach der Anzahl der Covid-19-Fälle, umgerechnet auf die Einwohnerzahl, so stößt man auf die folgende Graphik für Schweden und Deutschland, abgerufen am 17. Juni 2021:
Die Darstellung beginnt am 1. November 2020, weil am 2. November Deutschland in die Lockdown-Starre versetzt wurde, Schweden jedoch nicht. Man kann leicht in der Original-Graphik überprüfen, dass in den drei vorherigen Monaten die Zahl der Fälle keineswegs weit auseinander lag, während vorher noch die Folgen der anfänglichen schwedischen Fehler zu spüren waren. Erst mit beginnendem Herbst gehen die Fallzahlen, wie die Graphik zeigt, deutlich auseinander.
Muss man daraus schließen, dass der schwedische Weg gescheitert ist? Keineswegs. Zunächst ist anzumerken, dass es sich hier nicht um wirkliche „Covid-19-Fälle“ handelt, sondern nur um die Anzahl der positiv Getesteten. Bis auf Politiker und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind inzwischen die meisten Menschen darüber informiert, dass zwischen beiden Gruppen ein großer Unterschied besteht, denn abgesehen vom üblichen Problem der falsch-positiven Testergebnisse gibt es die wegen eines zu hohen Ct-Wertes irrelevant Positiven und natürlich auch die asymptomatischen Fälle, die zwar eine messbare Viruslast in sich tragen, aber dennoch nicht krank werden. Man kann aufgrund der Messmethoden nicht feststellen, ob jemand eine relevante Virenlast trägt bzw. ob die irgendwann vielleicht einmal vorhandene relevante Virenlast nur noch eine Erinnerung an frühere Zeiten ist. Zudem sollte man nicht ganz vergessen, dass die Anzahl der positiven „Fälle“ stark davon abhängt, wie viele Probanden man testet: Je höher die Anzahl der Tests, desto mehr positive „Fälle“ wird man erwarten dürfen. Wie man in der entsprechenden Graphik von Our World in Data feststellen kann, wurden aber in Schweden ab November 2020 deutlich mehr Tests, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl, durchgeführt als in Deutschland, zeitweise mehr als doppelt so viel. Das relativiert die Abstände, und es zeigt auch, dass direkte Vergleiche der bekannten und beliebten Inzidenzen genauso sinnlos sind wie direkte Vergleiche der Fallzahlen, da immer auch die Anzahl der Tests mit eingerechnet werden muss.
Etwas sinnvoller ist es somit, nicht die Gesamtzahl der Fälle in Betracht zu ziehen, sondern die Positivrate, die beschreibt, wie hoch der Anteil der positiven Fälle an der Gesamtzahl der Tests ist. Auch diese Rate kann man Our World in Data entnehmen, die folgende Graphik wurde am 17. Juni abgerufen.
Man sieht deutlich, dass sich der dramatische Unterschied stark reduziert, sofern man die Anzahl der Tests berücksichtigt und zur entsprechenden Positivrate übergeht. Ab Anfang April 2021 verlaufen die Kurven weitgehend gleich, vorher allerdings sind noch immer höhere schwedische Werte zu verzeichnen. Kann man nun aus den Daten zwischen November und Juni schon schließen, dass der schwedische Weg gescheitert ist?
Eher nicht. Noch immer handelt es sich nur um Fälle positiv Getesteter, diesmal eben in Relation gesetzt zur Anzahl der vorgenommenen Tests. Die oben angeführten Vorbehalte gelten noch immer mit Ausnahme des letzten, der die Verwendung der reinen Gesamtzahl positiver Testergebnisse moniert. Ein kleines Gedankenexperiment kann das noch verdeutlichen: Nehmen wir eine Variante an, die hochansteckend, aber im Hinblick auf die Symptome eher harmlos ist und bis auf wenige Ausnahmen nichts weiter hervorbringt als vertraute Erkältungssymptome. In diesem Fall kann die Positivrate gerne bis auf 100 % steigen – falls Karl Lauterbach das noch nicht weiß: mehr als 100 % geht nicht –, es liegt dennoch keine wie auch immer geartete Notsituation vor, nur eben eine weit verbreitete Erkältung. Man kann schon die entrüsteten Stimmen hören, die nun zornbebend vorbringen, es handle sich hier um einen klaren Fall von Corona-Leugnung oder doch wenigstens Verharmlosung. Es ist zwar schwer zu sehen, wie ein schlichtes fiktives Gedankenexperiment eine Leugnung darstellen soll, aber lassen wir der Einfachheit halber einen Virologen zu Wort kommen: „Wir werden sicherlich, wenn man das im Labor strikt messen würde, wenn man strikt so weiter testen würde, irgendwann der Auffassung, jetzt kommt so etwas wie eine vierte Welle. Aber die Frage ist, wie man die bewerten muss. Ist das überhaupt eine Welle, wenn das nur Labornachweise sind? Oder ist das eigentlich das erste Mal, der erste Winter einer saisonalen endemischen Situation? Natürlich wird die Fallzahl im Winter wieder hochgehen. Das kann auch schon im Herbst passieren. Aber das wird ab jetzt jeden Winter passieren. Und das ist dann keine pandemische Welle mehr, sondern es mag sein, dass man das im Nachhinein in ein paar Jahren interpretieren wird als: Das war der erste endemische normale Wintereffekt.“
Das entspricht im Wesentlichen der Aussage des fiktiven Szenarios und wurde im Juni 2021 auf einer bekannten Verharmloserplattform namens NDR von Christian Drosten vorgetragen. Selbst in den Augen des Hof- und Staatsvirologen scheint eine Positivenrate nicht mehr der Weisheit letzter Schluss zu sein.
Um es zusammenzufassen: Während die Betrachtung der Gesamtzahl positiver Fälle, ob man sie nun in einer Inzidenz misst oder nicht, völlig sinnlos ist, dürfte die Betrachtung der Positivraten zwar nicht mehr völlig, aber nur wenig sinnvoll sein. Immerhin sieht man an beiden Kurvenverläufen die unglaubliche Weisheit unserer rechenstarken Regierungschefin. Vor kurzem verkündete sie: „Die derzeit deutlich sinkenden Infektionsraten machen Mut und zeigen, wie sehr unsere Maßnahmen und Verhaltensregeln wirken.“ Wer hätte gedacht, dass die deutschen Maßnahmen und Verhaltensregeln sogar in Schweden zu einem zeitgleichen Abfall führen, obwohl sie dort nicht gelten?
Aber gibt es denn ein brauchbares Kriterium zur Beurteilung der Lage? Das gibt es, und die höchstrangige Herrscherin unserer radikal reduzierten Republik hat uns tatsächlich deutlich darauf hingewiesen. Im April 2020 hat sie in einer Bundestagsrede zwar wieder auf den „rapiden Anstieg der Infektionen“ aufmerksam gemacht und damit gezeigt, dass sie den Unterschied zwischen Infektion und einem positiven Testergebnis auch nach einem Jahr noch nicht verstanden hat – sie gab aber auch den vielzitierten Satz von sich, die Hilferufe der Intensivmediziner würden sie täglich erreichen: „Wer sind wir denn, wenn wir diese Notrufe überhören würden?“ Die Frage, wer „wir“ – also die politische Riege – wirklich sind, möchte ich lieber unbeantwortet lassen. Tatsache ist aber, dass hier auf eines der mehr oder weniger harten Kriterien zur Lagebeurteilung hingewiesen wurde, nämlich auf die wirkliche Zahl der Patienten, insbesondere auf die Zahl der schwer erkrankten Patienten, die Intensivbetten belegen. Und Tatsache ist auch, dass Deutschland mit dem Hinweis auf die Intensivbettenbelegung seit November in den Lockdown getrieben wurde.
Sehen wir einmal davon ab, dass noch immer nicht zwischen „an“ und „mit Covid-19“ unterschieden wird, weshalb auch beispielsweise ein auf der Intensivstation liegender Herzinfarkt-Patient, der zwar einen positiven Test erhalten hat, aber nicht im Mindesten an Covid erkrankt ist, zu den schweren Covid-Fällen gezählt wird. Sehen wir weiter davon ab, dass die in Deutschland gemeldeten Belegungszahlen der Intensivbetten nach Auffassung des Bundesrechnungshofes von den Meldenden ein wenig in ihrem Sinne interpretiert, um nicht zu sagen manipuliert wurden: Nehmen wir die von Our World in Data gelieferten Daten, wiederum abgerufen am 17. Juni, einfach für bare Münze.
Es ist nicht zu übersehen: Umgerechnet auf die jeweilige Bevölkerungszahl waren seit November in Schweden weniger Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt als in Deutschland. Und das galt nicht nur seit Anfang November, sondern, wie man an der Originalgraphik sofort ablesen kann, seit Mitte August, als man in Schweden die Folgen der anfänglichen Fehler überwunden hatte. Man hatte dort keinen Lockdown, man hat die Menschen nicht gezwungen, sich Masken vor das Gesicht zu binden, und trotzdem verlaufen die beiden Kurven nicht nur parallel – die schwedische Kurve liegt durchgängig unter der deutschen, die Belegung der Intensivbetten pro Einwohnermillion war und ist niedriger. Noch einmal: Die Belegung der Intensivbetten war ein wichtiger Grund, die Deutschen einer lang andauernden Freiheitsberaubung zu unterziehen, und nun stellt man fest, dass anderenorts eben diese Belegung ohne freiheitsentziehende Maßnahmen einen günstigeren Verlauf genommen hat.
Nun könnte das vielleicht daran liegen, dass man in Deutschland Patienten schneller in eine Intensivstation verlegt als in Schweden und in Wahrheit die Zahl der Covid-Todesfälle in Schweden deutlicher höher liegt als hierzulande, nur dass nicht auf der Intensivstation, sondern anderswo gestorben wird. Das lässt sich überprüfen, wobei wieder das Problem, ob es sich um echte Covid-Todesfälle oder um Todesfälle im Zusammenhang mit einem positiven Test außer Acht gelassen wird; die vorliegenden Daten treffen keine solche Unterscheidung.
Die Kurven sind nicht leicht auseinander zu halten, was an der von Our World in Data vorgegebenen Farbgestaltung liegt. Das würde aber überhaupt nicht auffallen, wenn die beiden Kurven nicht fast durchgängig gleichläufig wären. Mit Ausnahme weniger Tage im Dezember, als die deutschen Zahlen deutlich über den schwedischen lagen, und einiger Tage im Januar, als es umgekehrt war, sind die Kurven fast deckungsgleich, wobei seit Februar Schweden stets etwas besser davonkommt als Deutschland. Und schon wieder sehen wir, wie sich auf wundersame Weise die Wirksamkeit der deutschen Maßnahmen einfach über die Ostsee schwingt und dafür sorgt, dass auch die Schweden trotz ihres Sonderweges davon profitieren.
Bisher ist, wie es scheint, kein nennenswertes Indiz für ein aktuelles Scheitern des schwedischen Weges zu entdecken. Aber könnte es nicht sein, dass die schwedische Politik, um ihr Versagen zu kaschieren, an Covid-19 Verstorbene einfach umdeklarieren ließ, damit die hohen Todeszahlen nicht auffallen? Betrachtet man die Handlungsweise der deutschen Regierung, so wird man keine Schlechtigkeit ausschließen wollen, und warum sollten schwedische Politiker besser sein als deutsche? In diesem Fall müsste aber eine allgemeine Übersterblichkeit vorliegen, die sich in der Statistik der allgemeinen Todesfälle niederschlagen würde. Für das Jahr 2020 war das nicht der Fall, ich hatte es eingangs bereits erwähnt. Und 2021? Bisher liegen beim statistischen Zentralamt Schwedens die Daten der Todesfälle für Januar bis April 2021 vor, wenn auch nicht nach Altersgruppen aufgeschlüsselt. Man sieht sie in der folgenden Tabelle, ebenfalls abgerufen am 17. Juni.
Einschließlich der 107 Todesfälle, die man keinem Monat zuordnen kann, sind insgesamt 32.861 Sterbefälle für die Zeit von Januar bis April zu verzeichnen. Für sich genommen, besagt diese Zahl wenig, solange man sie nicht vergleicht mit den Daten der schwedischen Sterbestatistiken vergangener Jahre. Das statistische Amt stellt monatsgenaue Daten zur Verfügung, wobei allerdings die Aufteilung in Altersklassen fest vorgegeben ist und daher nicht variiert werden kann. Ebenfalls bekannt ist die Aufteilung der Bevölkerung zu Beginn des Jahres 2021 auf diese Altersklassen, ebenso wie die Aufteilung in früheren Jahren; ich führe hier nur die Werte für 2021 an.
Nun kann man, wie ich es schon in meinem Beitrag zu den schwedischen Sterblichkeitszahlen für 2020 vorgerechnet hatte, für die Jahre von 2006 bis 2020 bestimmen, wie hoch der prozentuale Anteil der Verstorbenen an der Gesamtbevölkerung der jeweiligen Altersklasse ist, bezogen auf die Monate Januar bis April. Da es in jedem Jahr eine geringe Zahl von Todesfällen gibt, die man keinem Monat zuordnen kann, wurden diese Fälle gleichmäßig auf die einzelnen Jahresmonate verteilt; für die Gesamtbetrachtung spielen sie allerdings keine Rolle.
In den ersten vier Monaten des Jahres 2013 sind also beispielsweise 0,509 % der Bevölkerung der Altersklasse 65–74 verstorben.
Nun kann man die Sterbedaten von 2021 mit den Daten vorhergehender Jahre vergleichen, indem man die demographische Entwicklung in Rechnung stellt. Bei einer prozentualen Verteilung der Sterberaten wie im Jahr 2006 wären zum Beispiel 2021 in der Altersklasse 65–74 0,567 % der entsprechenden Bevölkerung von Januar bis April verstorben. In dieser Klasse befanden sich 1.087.351 Menschen, was zu einer Zahl von etwa 6.165 Todesfällen führt. Bestimmt man diese Zahlen für jede Altersklasse und addiert anschließend, so weiß man, wie viele Todesfälle es 2021 gegeben hätte, wenn man die Verteilung der Sterberaten des Jahres 2006 zugrunde legt. Dieses Vorgehen ergibt für die Jahre von 2006 bis 2020 die folgenden Werte, wobei nicht mit den gerundeten Prozentsätzen, sondern mit weiteren Nachkommastellen gerechnet wurde.
Hätte somit 2021 die gleichen nach Altersklassen aufgeteilten Sterblichkeitsquoten wie 2007 vorgelegen, so wären 39.305 Todesfälle zu erwarten gewesen, bei Quoten wie 2019 dagegen nur 32.165, alle anderen Jahre lagen dazwischen. Gestorben sind von Januar bis April nach den vorliegenden Daten 32.861 Menschen. Damit liegen die vier ersten Monate des Jahres 2021 auf dem zweiten Platz nach dem extrem milden Jahr 2019, und sie liegen weit entfernt von hohen Werten, wie sie etwa 2007 vorkamen. Ein Hinweis auf eine allgemeine Übersterblichkeit ist das nicht.
Es ist nicht übermäßig sinnvoll, auch die Werte einzelner Monate auszurechnen, da ein Monatszeitraum zu kurz ist, um viel auszusagen, es sei denn, man möchte überprüfen, ob extreme Ausreißermonate vorlagen. Das kann man mit der beschriebenen Methode problemlos tun. Dabei stellt sich heraus, dass der Januar 2021 kein milder Monat war, allerdings auch kein extremer Ausreißer: Die Jahre 2006 und 2009 waren härter, 2007 war annähernd gleich, die anderen Jahre waren milder. Dagegen zeigen die Monate Februar bis April ein völlig anderes Bild, denn in den Jahren von 2006 bis 2020 gab es in den entsprechenden Monaten keine niedrigeren Werte als 2021 – immer unter der Voraussetzung, dass man die Sterbequoten der früheren Jahre auf die Bevölkerungszahlen von 2021 anwendet und so die demographische Entwicklung berücksichtigt. Im Januar hat es daher ungewöhnlich viele Todesfälle gegeben, in den darauf folgenden drei Monaten allerdings außerordentlich wenige, was insgesamt die höhere Januarzahl ausgleicht und zu einem sehr milden Verlauf für die ersten vier Monate des Jahres 2021 führt.
Die Ergebnisse lassen sich leicht zusammenfassen: Bei allen relevanten Kenngrößen – Fallzahlen gehören nicht dazu und Positivraten nur sehr bedingt – hat Schweden keine auffälligen Werte. Die Belegungsquote der Intensivbetten mit Covid-Patienten, umgerechnet auf die Bevölkerung, ist niedriger als in Deutschland. Die Zahlen der an oder mit Covid-19 Verstorbenen pro Einwohnermillion haben sich in der gesamten Zeit des deutschen Lockdowns seit November 2020 genauso entwickelt wie die entsprechenden deutschen Zahlen. Im Jahr 2020 gab es keine Übersterblichkeit. Und die ersten vier Monate des Jahres 2021 haben im Hinblick auf die Sterblichkeit einen milden Verlauf zu verzeichnen.
Wer wird angesichts dieser Daten noch bestreiten können, dass der deutsche Weg gescheitert ist? Im Grunde jeder, mit Ausnahme mancher Politiker und mancher Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gescheitert ist nicht der schwedische Weg, sondern der deutsche Weg der Lockdowns und der Freiheitsberaubung ohne greifbaren Erfolg. Gescheitert ist der Weg der Grundrechtseinschränkungen und der verfassungswidrigen Gesetze. Gescheitert ist der Weg extrem einseitiger Beraterauswahl und maximaler politischer Inkompetenz. Gescheitert ist, um es kurz zu sagen, der Weg der bizarren Bundeskanzlerin. Es ist der Weg verantwortungslosen Vorgehens und vollständigen Versagens. Wie lange noch wollen sich die Menschen diesen Weg gefallen lassen?
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Text: gast