Spahn verbreitet Fehlinformation zu Corona-Toten Irreführende Angaben auch in vielen Medien

Man soll nicht jeden Klick in den sozialen Netzwerken auf die Goldwaage legen. Und auch nicht jedes falsche „Teilen“, also Verbreiten von Nachrichten dort. Wenn allerdings ausgerechnet der Bundesgesundheitsminister Falschinformationen zu den Corona-Todeszahlen verbreitet, die dazu angetan sind, Angst und Panik zu schüren, dann ist das doch der Beachtung wert. Umso mehr, wenn mit diesen falschen, irreführenden Zahlen dann auch noch begründet wird, dass es keine Lockerungen geben dürfe.

Zum konkreten Fall: Über die Weihnachtsfeiertage meldete das Robert-Koch-Institut massiv gefallene Zahlen von Corona-Toten. Die Tageszahlen sanken teilweise auf unter ein Drittel, fast ein Viertel der Vortageswerte: Wurden am 23.12. noch 963 Tote vermeldet, so waren es am 26.12. „nur“ noch 240 – obwohl am 25.12. gar kein RKI-Tagesbericht erschien. Es wurde mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass es hier durch die Feiertage zu Verzögerungen bei den Übermittlungen gekommen war. Insofern war zu erwarten, dass nun nach den Feiertagen höhere Zahlen vermeldet werden.

Genau das geschah dann auch. Laut dem heutigen Situationsbericht des RKI wurden innerhalb eines Tages 1129 Todesfälle gemeldet. Wohlgemerkt gemeldet. Denn direkt unter der Zahl vermerkt die Bundesbehörde:  „Die Differenz zum Vortag bezieht sich auf das Eingangsdatum am RKI; aufgrund des Übermittlungsverzugs können Fälle aus vorangegangenen Tagen darunter sein.“ Angesichts der Verzögerungen durch die Feiertage spricht also alles dafür, dass diese hohe Zahl eben auf zu spät gekommene Meldungen aus den Feiertagen zurückzuführen ist.

Und was machen viele „Qualitätsmedien“ daraus? Wie etwa die staatliche „Deutsche Welle“? Hier ihr Tweet zu den neuen Zahlen: „@rki_de vermeldet mit 1.129 Corona-Toten innerhalb eines Tages einen traurigen Höchstwert.“ Und weiter: „Mit Blick auf die Zahlen sieht Gesundheitsminister @jensspahn keine Möglichkeit, den aktuellen Lockdown am 10. Januar zu beenden.“

 

Genau das tat das RKI eben nicht. Es sind eben nicht 1.129 Tote an einem Tag, sondern 1.129 Todesmeldungen an einem Tag.

Jens Spahn hinderte das nicht, genau diesen Tweet der Deutschen Welle auf Twitter zu teilen:

Für den Gesundheitsminister, der eigentlich die Zahlen kennen müsste, gleich doppelt peinlich. Auch in der Bundespressekonferenz äußerte sich Spahn höchst missverständlich: „1129 Todesfälle sind allein an diesem Morgen zu beklagen“, sagte er zu Beginn seines Auftrittes dort heute (siehe hier). Kann man das noch als schlampige Formulierung abtun? Oder ist es schon eine Neigung, Zahlen zu dramatisieren? Oder ist der gelernte Bankkaufmann Spahn angesichts des Zahlen-Wirrwarrs etwa gar genauso verwirrt wie die Normalsterblichen? Sei’s drum: Als Verantwortlicher darf er sich solche Patzer nicht leisten. Die erschreckende Zahl ohne Hinweis auf die besonderen Umstände der Feiertage und verzögerten Meldungen zu nennen, ist unverantwortlich.

Da ist es auch kein mildernder Umstand, dass reihenweise große Medien den gleichen Unsinn verbreiteten oder sich zumindest sehr missverständlich ausdrückten und damit den Menschen genauso Angst machten:

„1.129 Todesfälle, gemeldet an einem Tag“, „ein Höchstwert“, verkündet auch das heute-journal im ZDF. Zwar wenigstens formal korrekt, aber doch völlig irreführend, ja manipulierend (siehe hier, ab Minute 2.15). Korrekt machte es die Tagesschau in der ARD: Auch da hieß es, die 1.129 seien ein Höchstwert – doch dann wurde hinzugefügt, es sei nur eine Momentaufnahme, weil die Feiertage die Datenübermittlung verzögert haben (siehe hier, ab Minute 0.50).

Die vielen Fehlmeldungen sprechen Bände über den Zustand der selbst ernannten „Qualitätsmedien“. Erstaunlich, dass „umgekehrt“ niemandem der gleiche Fehler passiert ist: Die „nur“ 240 Covid-Toten an Weihnachten führten zu keinen (ebenfalls falschen) Schlagzeilen nach dem Motto „Erfreuliche Entwicklung“. Man hat den Eindruck, die Fehlinterpretationen und Missgeschicke – vor denen niemand sicher ist, auch ich nicht – gehen bei vielen Medien fast nur in eine Richtung: die, die dramatisiert und Angst schürt. Gibt es da etwa eine Schere (neudeutsch: Framing) im Kopf?

Der Spiegel hat den Fehler inzwischen erkannt und auch berichtigt. Paradox am Rande: Ausgerechnet die Satire-Seite Postillon hatte das Hamburger Magazin auf seinen Ausrutscher aufmerksam gemacht. Was könnte das selbstverschuldete Elend der „Qualitätsmedien“ am Steuerzahler-Tropf drastischer symbolisieren?

PS: Ob die „Qualitätsmedien“ den Spahn’schen Ausrutscher wohl vermelden werden?

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Bild: Boris Reitschuster
Text: br


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