Von Kai Rebmann
Unter der hier gewählten Überschrift – nur ohne Fragezeichen – berichtete das ZDF vor wenigen Tagen über die Ergebnisse einer am vergangenen Donnerstag vorgestellten Studie. Die Mainzelmännchen wie auch die meisten anderen Medien übernahmen die in dem Papier getätigten Aussagen vollkommen unkritisch und zeichneten die üblichen Narrative bereitwillig nach. So wird etwa Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zitiert: „Viele der 5,5 Millionen Musliminnen und Muslime in Deutschland erleben Ausgrenzung und Diskriminierung im Alltag – bis hin zu Hass und Gewalt.“ Unter dem Strich, so wollen es die Autoren der vorliegenden Studie, soll jeder zweite Deutsche muslimfeindlichen Aussagen zustimmen.
Doch jetzt kommt heraus: Das Dokument ist offenbar nicht das Papier wert, auf dem es gedruckt wurde. Stattdessen ist die vermeintlich unabhängige Studie „Muslimfeindlichkeit – eine deutsche Bilanz“ zumindest in Teilen das Ergebnis der Arbeit einschlägig bekannter Lobbyisten, die vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuft werden und mit den Werten der westlichen Welt auf Kriegsfuß stehen.
Muslime werden angeblich ‚doppelt stigmatisiert‘
Beginnen wir aber mit dem, was die Studie herausgefunden haben will und den Schlüssen, die die daran Mitwirkenden daraus ziehen. Die mediale Irreführung beginnt bereits bei den Hintergründen zu der Arbeit. Demnach sei die Studie im September 2020 noch unter Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) in Auftrag gegebenen worden – als Reaktion auf die angeblich rassistisch motivierte Bluttat von Hanau.
Weiter richtet sich die Studie an „alle Menschen und Organisationen im Land“, da es entscheidend sei, dass gerade auch jene, die nicht unmittelbar diskriminiert werden, sich solidarisch verhalten. Betroffene hingegen würden meist „gleich doppelt stigmatisiert“, da sie sowohl als Muslime wie auch als Zuwanderer wahrgenommen und entsprechenden Diskriminierungen ausgesetzt würden. Dies seien „wiederkehrende und mitunter sehr belastende Erfahrungen“, so die Autoren.
Und dann kommt die vermeintlich entscheidende Feststellung: Laut „Untersuchungen“ stimme etwa jeder zweite Deutsche muslimfeindlichen Aussagen zu. Der noch von Seehofer eingesetzte „Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ (UEM) definiert dieses „Phänomen“ als „Zuschreibung pauschaler, weitestgehend unveränderbarer, rückständiger und bedrohlicher Eigenschaften gegenüber Muslimen und als muslimisch wahrgenommener Menschen.“ Dadurch werde bewusst oder unbewusst eine „Fremdheit“ oder gar „Feindlichkeit“ konstruiert.
Frauen, insbesondere Trägerinnen von Kopftüchern, hätten dabei insbesondere mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie „nicht selbstbestimmt“ lebten, während Männer vor allem als „aggressiv und gewalttätig“ wahrgenommen würden.
Dicker Katalog an Forderungen
Nachdem nun auf mehreren hundert Seiten dargelegt wurde, dass das Leben von Muslimen in Deutschland einem alltäglichen Spießrutenlauf gleichen soll, konnte guten Gewissens ein bunter Strauß an Forderungen vorgebracht werden. Und dabei war selbstverständlich klotzen statt kleckern angesagt.
Los ging es mit einem echten „Klassiker“ – der Forderung nach einem Beauftragten zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit. Wirklich überraschend an dieser Forderung ist eigentlich nur, dass es eine solche ABM-Planstelle in der Armada der Beauftragten, die die Ampel um sich schart, nicht schon längst gibt. Unterstützend soll darüber hinaus ein Sachverständigenrat eingesetzt werden.
Als weiterführenden Schritt wird der Bundesregierung eine Strategie zur Förderung der Teilhabe von Menschen „mit muslimischen Identitätsbezügen“ in allen staatlichen Einrichtungen empfohlen. Was aber natürlich nur Sinn macht, wenn die Angesprochenen das überhaupt wollen – aber für solche Anmerkungen war und ist in der vorliegenden Studie kein Platz.
Dafür aber umso mehr für eine weitere Forderung: Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen – etwa Lehrer, Erzieher und Polizisten – sollten auf Fortbildungen geschickt werden. In Schulen soll die Auseinandersetzung mit Muslimfeindlichkeit zur Pflicht werden und „rassismuskritische Studien“ müssen auch weiterhin gefördert werden.
Steuergelder für islamistische Verbände
Über das und vieles mehr rund um den vorliegenden Bericht zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland berichteten das ZDF und die meisten Staatsmedien in aller Ausführlichkeit. Kein Wort ist in weiten Teilen der hiesigen Medienlandschaft dagegen über die jüngsten Enthüllungen zu hören, die in der „Welt“ zu lesen und für jedermann nachprüfbar sind – und die ein gänzlich anderes Licht auf die vorgetragenen Behauptungen und damit verbundenen Forderungen werfen.
Um den Lesern der Studie einen Blick aus der Betroffenen-Perspektive zu ermöglichen, wurden auch Interviews mit Vertretern muslimischer Verbände und Organisationen geführt – so weit, so normal. Aber: Die Statements kamen unter anderem von der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland (IGS), das sich wiederum unter dem Dach des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) befindet. Letzteres ist den Verfassungsschützern als „bedeutendes Propagandazentrum Irans in Europa“ bekannt und wurde als extremistische Organisation des Islamismus eingestuft.
Es wurden aber nicht nur bloße Stellungnahmen von – sehr vorsichtig ausgedrückt – zumindest umstrittenen Islamverbänden eingeholt. So durfte die dem Namen nach harmlos anmutende „Fair International“ sogar eine eigene Teilstudie zu der Arbeit beisteuern. Problem: Die Organisation ist Teil der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), die sich in Europa für die Etablierung einer „gerechten Ordnung“ starkmacht. Dahinter verbirgt sich allerdings nicht weniger als die Abschaffung der bestehenden Werteordnung der westlichen Welt.
Auffallend: Im Titel der Hauptstudie ist wohl ganz bewusst von „Muslimfeindlichkeit“ die Rede – und nicht etwa von „Islamfeindlichkeit“ –, um jeden bewussten oder unbewussten Rückschluss auf den negativ besetzten „Islamismus“ zu vermeiden. Andererseits tragen die genannten und weitere Verbände dieser Art das „Islamisch“ aber ganz offen im Namen. Einen Zusammenhang zwischen „Islam(isch)“ und „Islamismus“ kategorisch zu verneinen, wie das deutsche Politiker und Medien gerne tun, ist in etwa so, als würde man sagen, Alkoholismus hat nichts mit Alkohol zu tun.
Fest steht: Direkt oder indirekt wurde und wird die Arbeit der islamischen Verbände, ausdrücklich auch solcher, die dem Verfassungsschutz bekannt sind, durch Steuergelder finanziert. Im vorliegenden Fall trifft dies etwa auf die Erstellung der erwähnten Teilstudie zu, die „Fair International“ beigesteuert hat und den Titel „Auswirkungen von Moscheeangriffen auf Gemeindemitglieder“ trägt.
Expertenkreis beharrt auf seiner Unabhängigkeit
Mit Blick auf Nancy Faeser stellt sich also die Frage, ob die Bundesinnenministerin den Inhalt der Berichte des ihr unterstellten Verfassungsschutzes kennt – oder ob sie ganz bewusst nur die liest, die ihr politisch und ideologisch in den Kram passen. Schmallippig gibt sich das BMI auch, wenn es um Fragen nach der Höhe der Zuschüsse für die umstrittene Teilstudie geht. Die Kollegen der „Welt“ bekamen auf entsprechende Nachfrage mitgeteilt, dass eine Antwort erst nach „Übermittlung und Prüfung des Sachberichts und des Verwendungsnachweises“ gegeben werden könne.
Und auch Mathias Rohde, Koordinator des vom BMI eingesetzten Expertenkreises, sieht die Unabhängigkeit des Gremiums durch die Befragung von Lobbyisten nicht gefährdet. Zu den ehernen Geboten der Wissenschaft gehöre es, so der Jurist, sich ein möglichst breites Faktenbild einzuholen, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen. Das sind wahrlich erstaunliche Einsichten, denn in anderen Zusammenhängen wurde das von der Bundesregierung auch schon ganz anders gesehen …
Am Ende bleibt somit der Verdacht, dass die Studie „Muslimfeindlichkeit – eine deutsche Bilanz“ vor allem dazu dienen soll, ein möglicherweise bestehendes Problem deutlich größer wirken zu lassen, als es tatsächlich ist.
Jede Wirkung hat auch eine Ursache. Und wenn die Muslimfeindlichkeit in Deutschland ein so großes Problem ist, wie es die Studie uns glauben zu machen versucht, dann müsste es auch dafür Gründe geben. Aber solche Fragen wollen die Autoren offenbar erst gar nicht stellen – am allerwenigsten das BMI oder seine Hausherrin.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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