Von Kai Rebmann
Wichtige Etappensiege für den Staatsrechtler Ulrich Vosgerau. Das CDU-Mitglied wurde im Zusammenhang mit der Berichterstattung über das sogenannte „Geheimtreffen“ bei Potsdam mehrfach verkürzt und damit sinnentstellend zitiert. Mehr noch: Teilweise wurden dessen Aussagen frei erfunden.
Vosgeraus Anwälte konnten gegenüber „t-online“ Ansprüche zugunsten ihres Mandanten durchsetzen. Darüber hinaus hat das Landgericht Hamburg dem selbsternannten Recherche-Netzwerk „Correctiv“ jetzt verboten, bestimmte Passagen seiner bisherigen Berichterstattung weiter zu verbreiten.
Dr. Carsten Brennecke beklagt, dass viele Medien die von „Correctiv“ in die Welt gesetzte Geschichte „freihändig“ weiterspinnen, was auf dem Potsdam-Treffen alles geplant worden sei und fügen falsche Tatsachenbehauptungen hinzu. Ein Beispiel hierfür sei das Portal „t-online“, auf dem ab dem 14. Januar 2024 die Falschbehauptung verbreitet worden sei, sein Mandant Dr. Ulrich Vosgerau habe „einem Vortrag gelauscht, in dem es um die Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft gegangen sei“. Weiter behauptete „t-online“, der Rechtsanwalt und Staatsrechtler habe dies in einem Interview auch noch „offen zugegeben“ und „nicht infrage“ gestellt.
Dies sei „alles falsch, alles frei erfunden“, stellt Brennecke klar. Nicht einmal „Correctiv“ habe behauptet oder auch nur wertend angedeutet, dass es bei dem Treffen um die Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft gegangen sei: „Erst recht hat Vosgerau in keinem Interview bestätigt, dass er einem Vortrag zur Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft gelauscht hat. Im Gegenteil: Vosgerau hat in mehreren Interviews betont, dass eine Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft kein (!) Gegenstand des Treffens war.“
Sowohl das Portal selbst als auch die Redakteurin, die die Falschbehauptung über die angeblichen Aussagen Vosgeraus in einem Artikel verbreitet hat, haben der Mitteilung zufolge „nach Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und sich verpflichtet, die Falschbehauptungen nicht weiter zu verbreiten“.
Brennecke wertet diesen Fall als weiteres Beispiel dafür, wie sich die Berichterstattung nach der Erstveröffentlichung durch „Correctiv“ verselbstständigt hat: „Zahlreiche Medien haben die Vorwürfe in der Anschlussberichterstattung immer weiter zugespitzt, überspitzt – und wie t-online – auch noch mit Falschbehauptungen gewürzt.“
Per einstweiliger Verfügung wurde „Correctiv“ vom Landgericht Hamburg in einem weiteren Verfahren die weitere Verbreitung einer vermeintlichen Aussage Vosgeraus zu Erfolgsaussichten von Wahlprüfungsbeschwerden verboten. Konkret geht es um diese Passage: „Den Vorschlag, man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, hält Vosgerau für denkbar: Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit.“
Das ist natürlich nicht nur blanker Unsinn, sondern hat der Staatsrechtler so auch nie gesagt – ganz im Gegenteil. Die Kanzlei Höcker, die den CDU-Mann über Rechtsanwalt Brennecke vertritt, stellt dazu klar: „Vosgerau hatte gerade nicht (!) gesagt, dass der Erfolg von Wahlprüfungsbeschwerden mit steigender Anzahl zunehme. Ganz im Gegenteil sagte er explizit, dass ein massenweises Vorgehen bei Wahlprüfungsbeschwerden nicht sinnvoll sei. Der Erfolg einer Wahlprüfungsbeschwerde hänge nicht davon ab, wie oft sie eingereicht werde, sondern davon, wie gut sie begründet sei.“
Das sah auch das Gericht so und wertete das angebliche Zitat als sinnentstellend und unwahr: „Leserinnen und Leser entnehmen der Äußerung, ‚Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit‘ das Verständnis, dass der Antragsteller [Vosgerau] wenn nicht wörtlich, so doch wenigstens sinngemäß gesagt habe, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlprüfungsbeschwerden Erfolg hätten, umso größer sei, je mehr Beschwerden eingelegt würden. Dies ist prozessual unwahr.“
Wie sehr der juristische Rahmen insbesondere in der Berichterstattung über das Potsdam-Treffen ausgereizt wurde, belegen zwei weitere Beispiele, mit denen „Correctiv“ durchkam und diese auch weiterhin so verbreiten darf.
Dabei geht es zunächst um diese Passage: „An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er [Vosgerau] sich aber nicht erinnern können.“
Brennecke mahnte diese „verfälschte Wiedergabe der Stellungnahme“ an, da beim Leser dadurch der Eindruck entstehe, „Vosgerau habe Aussagen zur Ausweisung deutscher Staatsbürger auf dem Treffen nicht generell in Abrede gestellt, sondern nur in Sellners Vortrag“. Zudem habe „Correctiv“ den Hinweis des Staatsrechtlers, dass die Ausweisung deutscher Staatsbürger rechtlich wohl auch gar nicht möglich sei, „gleich ganz unter den Tisch fallen“ gelassen.
Im Original und in voller Länge hatte Vosgerau gegenüber „Correctiv“ mitgeteilt: „Es ist dort nach meiner Erinnerung von niemandem gesagt worden, es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert werden. Dies wäre ja rechtlich normalerweise auch gar nicht möglich.“
Wie bereits berichtet, darf „Correctiv“ weiterhin auch diese Passage: „Der Verfassungsrechtler spricht über Briefwahlen, es geht um Prozesse, um das Wahlgeheimnis, um seine Bedenken in Bezug auf junge WählerInnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten. Auf Correctiv-Fragen hin bestätigt er diesen Satz später.“
Brennecke sieht diese Aussage „aus dem Zusammenhang gerissen“ und „verzerrt dargestellt“. Vosgerau habe „nicht etwa türkischstämmigen Mitbürgerinnen generell die Fähigkeit abgesprochen, die Partei ihrer Wahl auszuwählen“. Vielmehr habe er gesagt, „dass die Ausübung der frei getroffenen Wahl beschränkt werden könne“.
Und auch hier die Stellungnahme von Ulrich Vosgerau gegenüber „Correctiv“ im Original und in voller Länge: „Die Behauptung, ich hätte in einem Vortrag die ‚Briefwahl bei Jungwählern mit türkischer Herkunft problematisiert‘, ist jedenfalls stark verzerrend. In dem Vortrag ging es über den sehr hohen Briefwähleranteil bei der Bundestagswahl 2021 und die verfassungsrechtlichen Probleme der (im Grundgesetz gar nicht vorgesehenen) Briefwahl, speziell im Licht der drei hierzu ergangenen Urteile des Bundesverfassungsgerichts, wobei dessen letztes Urteil aus dem Jahr 2009 das wichtigste ist.
In diesem Zusammenhang habe ich – wohl eher am Rande und in einem Nebensatz – möglicherweise sinngemäß darauf hingewiesen, dass eine Jungwählerin türkischer Herkunft (hier lohnt sich einmal das ‚gendern‘!), die zu Hause in der Küche unter Aufsicht ihres Vaters und mehrerer Brüder ihren Wahlzettel ankreuzt, dabei möglicherweise und in bestimmten Einzelfällen faktisch nicht denjenigen Freiheitsgrad genießt, den die Verfassung beim Wahlakt eigentlich voraussetzt.“
Auch wenn „Correctiv“ diese beiden umstrittenen, weil stark verkürzt wiedergegebenen Aussagen weiterhin verbreiten darf, ändert das nach Einschätzung von Dr. Carsten Brennecke nichts an einem wichtigen Effekt, der im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erzielt werden konnte. Der Anwalt hält dazu fest: „Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wurde darauf gelegt, mit welchen Methoden das ‚System Correctiv‘ bei seiner Berichterstattung arbeitet. Zu dieser manipulativen Methode gehört es, entlastende Aussagen von Protagonisten gezielt zu beschneiden und zu verkürzen.“
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