Ein Gastbeitrag von Iris Zukowski
Die Massenmedien sprechen von „Erschütternden Einzelfällen“, wenn Kinder töten.
Im baden-württembergischen Bad Mergentheim stößt im Januar 2023 ein 14-Jähriger eine 78-Jährige von ihrem Fahrrad. Die Frau verstirbt an den schweren Kopfverletzungen.
Im Januar 2023 wird auf einem Brachgelände in Wunstorf der 14-jährige Jan N. geknebelt und gefesselt, mit Steinen bedeckt, erschlagen aufgefunden. Der gleichaltrige Täter und sein Opfer kannten sich seit der Grundschule. Im März 2023 töten ein 12- und ein 13-jähriges Mädchen in einem Waldstück bei Freudenberg mit unzähligen Messerstichen die 12-jährige Luise.
Im April 2023 wird in Wunsiedel in einer Kinderhilfeeinrichtung eine 10-Jährige tot in ihrem Bett aufgefunden. Ein 11-jähriger Junge hat das Mädchen nach einem Streit zu Tode stranguliert. Vor ihrem Tod wurde das Opfer von einem 25-Jährigen, der durch ein offenes Badezimmerfenster ins Haus gelangte, vergewaltigt. Die Staatsanwaltschaft äußert sich nicht dazu, ob sich der 11-Jährige und der 25-Jährige kannten.
In Lohr am Main erschießt im September 2023 ein 14-Jähriger einen gleichaltrigen Mitschüler auf dem Schulgelände. Das Opfer soll dem Täter 60 Euro geschuldet haben.
Im lippischen Horn-Bad töten drei Jugendliche im Oktober 2023 einen Mann und filmen die Tat.
Die Täter im Alter von 14 und zwei im Alter von 15 Jahren, verbreiten das Video, das zeigt, wie zwei von ihnen auf ihr Opfer einschlagen, während der Dritte ein Messer in der Hand hält und das Geschehen filmt. Ein Zeuge spielt das Video der Polizei zu. Dem Bericht zufolge sollen die jungen Täter den Mann aus dem Obdachlosen-Milieu zufällig getroffen haben. Warum es zu der Tat kam, ist unklar.
Gewalt, als Mittel zur Zielerreichung
Verbrechen wie diese, sind schon lange keine Einzelfälle mehr. Dennoch wird kaum nach den Ursachen geforscht, warum die Zahl der Kinder und Jugendlichen steigt, die gewalttätig sind und sogar töten. Man bleibt an der Oberfläche, thematisiert den Wandel der Jugend, das Versagen von Eltern oder Erziehern oder zieht psychische Störungen als Ursachen in Betracht. Experten geben sich ratlos und Politiker schweigen wie gewohnt. Immer, wenn mögliche Ursachen öffentlich nicht thematisiert werden, sollten wir aufmerksam werden.
Begehen Kinder grausame Verbrechen, Vergewaltigungen oder sogar Morde, zeigen uns die Mainstreammedien bevorzugt Interviews mit entsetzen Anwohnern und ausgewählten Experten. Man präsentiert uns Ratlosigkeit, sucht nach den Ursachen im Elternhaus oder vermutet psychische Störungen. Neben dem Migrations-Effekt wird auch der Medien-Effekt nicht thematisiert.
Die Einzelfälle werden dem Wandel der Jugend zugeschrieben. Generalisierte Aussagen eignen sich hervorragend, um von unangenehmen Fragen nach den Ursachen abzulenken. Da es stimmt, dass sich die Erlebniswelt und das Verhalten von Kindern und Jugendlichen verändert hat, nimmt es die Mehrheit als hinreichende Erklärung an. Die Frage, was zu diesem Wandel geführt hat, wird in der Regel nicht gestellt.
Aus der Sicht der modernen Hirnforschung und Neuropsychologie, erzeugen fiktionale Gewalt und Pornografie in den heranreifenden Hirnstrukturen von Kindern und Jugendlichen weitreichende und vielfältige Wirkungen, die unterschiedlich ausgeprägt in Erscheinung treten können – je nachdem, wie behütet Kinder aufwachsen. Gewalt, als Mittel zur Zielerreichung ist vor allem für frustrierte Kinder und Jugendliche zu einer „normalen Verhaltensstrategie“ geworden.
Gewaltvolle Medienangebote und frei verfügbare Internet-Pornografie sind zur sozialen Umwelt vieler Kinder geworden. Die falschen Vorbilder, die sie täglich präsentiert bekommen, verändern ihr Sozialverhalten, denn sie prägen ihr Gehirn.
Warum gehen die bedeutsamen Erkenntnisse der Hirnforschung zur neuronalen Plastizität unseres Gehirns nicht in die Mediendiskussion ein? Sie werden in Bereichen ignoriert, die wichtig sind für die Entwicklung unserer Kinder und ihres Sozialverhaltens. Merkwürdigerweise hat sich in den letzten Jahren die Ansicht verbreitet, dass man im Grunde kaum etwas über die Funktionsweisen des Gehirns wisse. Es scheint, als seien die sagenhaften Durchbrüche der modernen Hirnforschung seit den 80er Jahren und später durch MRT-Verfahren und Hirnscans nie geschehen. Wir wissen nicht, warum sich durch eine einfache Zellteilung der Bauplan unseres Körpers entfaltet, wir wissen aber sehr genau, wie das menschliche Gehirn Reize verarbeitet und neuronale Strukturen aufbaut und erweitert. Das Wissen um die informationsverarbeitenden Prozesse in unserem Gehirn, das im Wechselspiel mit unseren Umwelterfahrungen – auch am Bildschirm – seine neuronalen Strukturen selbst erschafft, wird für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz genutzt, aber hinsichtlich des Medien-Effekts auf das menschliche Gehirn ausgeblendet. Wenn täglich Gewaltdarstellungen und Pornografie in die unentwickelten Hirnstrukturen von Kindern gelangen, führt das zum „Wandel der Jugend“ und zu vielen schrecklichen Einzelfällen.
Gewaltdarstellungen in den Medien, ebenso wie frei verfügbare Pornografie, werden von vielen verharmlost und verteidigt. Jene, die an diesen Angeboten Gefallen finden und von den möglichen destruktiven Effekten verschont bleiben, gehen davon aus, dass dies für alle anderen auch gelte. Doch vor allem Kinder, die nicht behütet und geliebt aufwachsen, können lebenslang durch diese falschen Vorbilder geprägt und psychisch geschädigt werden. Medienangebote sind weit mehr als Unterhaltung und Fiktion, sie sind zur desozialisierenden Realität von Kindern geworden.
Zu dem Thema dieses Artikels hat die Autorin auch ein Buch geschrieben, das neu erschienen ist: „Jugend-Gewalt und Medien-Effekt“. Darin erfährt der Leser, wie das menschliche Gehirn Informationen verarbeitet, und wie sich die Hirnstrukturen von Kindern entwickeln. Anhand von Fallbeispielen und Interviews werden die Folgen des Medien-Effekts aufgezeigt.
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Iris Zukowski – Diplom-Psychologin, Hypnotherapeutin und Sachbuchautorin: „Jugendgewalt und Medien-Effekt“, Ruhland Verlag 2023, „Was uns heute unterhält, kann uns morgen töten.“ Ruhland Verlag 2017. Sie war einige Jahre Dozentin für Neuromarketing und ist seit 2018 SOS-Initiatorin zur Aufklärung über die weitreichenden Effekte von frei verfügbarer Pornografie.