Überbietungs-Wettbewerb im Wegsperren Wie viel Lockdown hätten Sie denn gerne?

Hier finden Sie mein aktuelles „reitschuster.live“, in dem ich mit Ihnen den Lockdown diskutiert habe.

Vor über zwanzig Jahren war ich bei einem Hintergrundgespräch mit einem der ranghöchsten Würdenträger des Vatikans. Warum Papst Johannes Paul II. so streng sei, wurde er gefragt. Die Antwort werde ich nie vergessen: „Ist er doch gar nicht! Der ganze Kurs ist darauf ausgerichtet, dass alles zu zehn Prozent eingehalten wird in der Welt. Nur die Deutschen machen alles hundertprozentig oder noch mehr, dabei wollen wir das doch gar nicht und dann beklagen sie sich, wie streng wir sind. Niemand erwartet völligen Gehorsam“.

An diese Worte muss ich in Corona-Zeiten ständig denken.

Heute sitzt der Corona-Gipfel aus Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten – eine im Grundgesetz gar nicht vorgesehene Runde – virtuell zusammen, um zu entscheiden, wie lange 83 Millionen Menschen in Deutschland  weiter einer als „Lockdown“ bezeichneten Ausgangssperre unterliegen. Und ob Schulen, Kindergärten, Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen sowie ein Großteil der Geschäfte geschlossen bleiben. Derweil scheint ein regelrechter Wettbewerb im Rufen nach strengeren Regeln entbrannt zu sein. Dem die Medien einen breiten Raum bieten – ganz im Gegensatz zu Forderungen von skeptischen Stimmen, den Lockdown zu begrenzen. Die kommen in den großen Medien kaum zu Wort.

Man hat den Eindruck, unter Deutschlands Journalisten macht sich eine regelrechte Lust am Lockdown breit. Das legen etwa auch die Fragen auf Pressekonferenzen nahe. Da wird fast ausnahmslos kritisiert, dass zu wenig Freiheiten begrenzt werden – und nicht umgekehrt. Wer die strikten Maßnahmen auch nur hinterfragt, macht sich verdächtig. Gestern war die Aussage vom SPD-Corona-Taliban Karl Lauterbach allgegenwärtig, man müsse den Lockdown unbegrenzt verhängen (und fordert auch für den Klimaschutz ähnliche Maßnahmen). Bodo Ramelow von der Links-Partei, Ministerpräsident in Thüringen von Angela Merkels Gnaden, fordert „noch viel strengere Maßnahmen“, wie auf Focus Online zu lesen ist, das längst zu einem Corona-Panik-Medium geworden ist (und bei dessen Verlag der Ehemann von Gesundheitsminister Jens Spahn das Berliner Büro leitet). Dort ist auch zu lesen, dass Viola Priesemann, Physikerin am Max-Planck-Institut, darauf pochte, den „Bewegungsradius für Bürger“ auf nur 5 Kilometer zu begrenzen. Was für eine schöne Formulierung für ein faktisches An-die-Leine-Legen.

Merkel bietet derzeit nur 15-Kilometer Einsperr-Radius. Davon, dass bei ihrer Videoschalte mit Experten auch explizite Kritiker eingeladen waren – nach dem alten Grundsatz, immer auch die andere Seite zu hören – ist zumindest nichts bekannt. Dafür weiß man von der Anwesenheit der Hardliner wie Drosten. Kritiker der harten Linie wie der frühere russische Vize-Regierungschef Alfred Koch, ein Russlanddeutscher, der inzwischen in Bayern lebt, machen geltend, dass es weltweit keinen Beleg für die Wirksamkeit eines harten Lockdowns gebe und dass auch die Weltgesundheitsorganisation WHO davon abrät. Auffällig sei sogar, dass gerade in Ländern mit hartem Lockdown die Fallzahlen besonders hoch seien. Vieles erschließe sich nicht, mahnt Koch: „Warum darf man nicht allein in die Berge oder die Natur oder nachts raus, dafür aber sind die U-Bahnen und Busse voll?“

Auch in der zweiten und dritten Reihe im Regierungslager regt sich durchaus Widerstand. Es herrsche nicht nur Angst vor dem Virus, sondern auch davor, „dass das Virus nicht liefere“ – so die wörtliche Aussage von einem Abgeordneten (m/w/d) aus einer Regierungspartei über die Befindlichkeiten bei Volksvertretern und Regierenden: Man habe sich so sehr auf eine harte Linie festgelegt, dass es keinen Rückwärtsgang mehr gebe. Wenn sich jetzt herausstelle, dass alles doch gar nicht so schlimm war, würde der Regierung alles um die Ohren fliegen. Deshalb sehe man die Impfung als „Ausstiegsstrategie“: Man könne der Bevölkerung dann ein „großes Impfwunder“ präsentieren und so ohne allzu große (politische) Verluste aus der ganzen Chose herauskommen.

Nein, der Mann bzw. die Frau aus den Regierungsfraktionen (es ist kein Diverser, so viel sei verraten) sieht keine Verschwörung, er/sie beteuert, man habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Aber die Angst gehe um, dass man in Wirklichkeit völlig überreagiert habe. Und das könne man nicht zugeben.

Auch aus anderer, sehr zuverlässiger Quelle im Regierungsapparat ist zu hören, dass man aktuell einfach überfordert sei mit dem Virus. Zu viel sei unklar, zu viel im Nebel. Also mehr oder weniger eine Virus-Bekämpfung und Krisenpolitik im Blindflug. Das klingt ziemlich glaubwürdig, und würde auch sehr viel erklären. Allerdings lässt es auch den überaus harten Kurs der Regierung in einem sehr fragwürdigen Licht erscheinen. Und wenig Gutes für die politische Zukunft ahnen – wenn die Verantwortlichen auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen sind, nicht abzuweichen von ihrer Linie.


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Bild: Igor_83/Shutterstock
Text: br

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