„INSA-Meinungstrend: Jeder Zweite will niemals AfD wählen“ – diesen Titel entdeckte ich in der „Welt“. Und der Journalist in mir sagte sofort: Hoppla, da haben die Kollegen aber sehr unsauber gearbeitet. Denn die journalistisch saubere Überschrift wäre genau die umgekehrte gewesen – die, die ich auch für diesen Text gewählt habe. Nämlich, dass (nur noch) fast jeder zweite Deutsche ein Kreuz bei der AfD nicht ausschließt. Weil das viel überraschender ist und damit den viel höheren Neuigkeitswert hat – angesichts der Verteufelung der Partei in 24-Stunden-Dauerschleife in Medien und Politik.
Die Überschrift – und heutzutage lesen sehr, sehr viele Leser nur noch die (ich leider allzu oft auch) – vermittelt genau den gegenteiligen Eindruck von dem, was dann im Text des Beitrags zu lesen ist: „Der Anteil wahlberechtigter Bürger, der generell nicht die „Alternative für Deutschland“ wählen will, ist weiter gesunken. Dieses Ergebnis ermittelte das Meinungsforschungsinstitut INSA für ‚Bild‘. Im vergangenen Dezember lag der Anteil noch bei 60 Prozent.“ Ganz klar: Für die AfD ist das eine Erfolgsmeldung – die von der „Welt“ durch die Überschrift verschleiert wird.
Der „Bild“ selbst hat das Ergebnis derart nicht gepasst, dass sie nicht einmal versuchte, den Anschein von journalistischer Neutralität zu wahren. Sie titelte: „Umfrage-Schock: AfD auf Fünfjahres-Hoch“. Daneben bringt die „Bild“ zunächst einen Beitrag unter dem Titel: „Nur jeder Zweite würde die rechtsextreme Partei niemals wählen.“ Die AfD als Gesamtpartei „rechtsextremistisch“ zu nennen, ist Propaganda und kein Journalismus. Ob es damit zu tun hat, dass zwei Merkel-treue Kollegen als neue Chefredakteure installiert wurden? Später wurde die Überschrift offenbar geändert und lautet nun so: „SCHOCKIERENDE ZAHLEN – Warum haben so viele den Schrecken vor der AfD verloren?“ Diese Frage beantworte ich den Kollegen gerne zwei Absätze weiter unten.
Anders als die „Welt“ und die „Bild“ bringen übrigens manche Medien eine nicht manipulative Überschrift. Etwa die „Berliner Zeitung“, die titelt: „Nur noch jeder Zweite will niemals AfD wählen.“ Ebenso hält es der Tagesspiegel. Aber auch hier wäre es meiner Ansicht nach korrekter gewesen zu schreiben, dass jeder Zweite ein Wählen der AfD nicht ausschließt. Ich weiß – man kann das als semantische Korinthenkackerei auffassen. Aber es ist psychologisch ein Unterschied, ob eine negative Botschaft („niemals wählen“) im Zentrum steht oder eine positive („ein Wählen der AfD“).
Ein Blick ins Kleingedruckte zeigt dann, dass es mit 53,9 Prozent sogar nur noch etwas mehr als die Hälfte der Befragten sind, die ein Wählen der AfD ausschließen. Das Wählerpotenzial der AfD liegt der Umfrage zufolge bei mehr als 20 Prozent. Also nochmal deutlich über den 15 bis 17 Prozent, die Umfragen der Partei aktuell bescheinigen. Gegenüber den 10,3 Prozent bei der Bundestagswahl 2021 ist das ein erheblicher Zuwachs.
Aus der Entwicklung zeige sich eine „insgesamt verbesserte Akzeptanz der AfD“, sagte INSA-Chef Hermann Binkert: „Das soziale Klima hat sich zugunsten der AfD entwickelt.“ Aber zurück zur Frage der „Bild“ – warum „so viele den Schrecken vor der AfD verloren haben“: Zu verdanken ist das zum einen der absurden, gebetsmühlenartigen Dauer-Stigmatisierung, die sich abnutzt. Und die auch in solchen dummen „Bild“-Überschriften zum Ausdruck kommt. Zum anderen ist es ein Verdienst der Linie der Ampel und ihrer realitätsfernen und wirtschaftsfeindlichen Politik. Ganz besonders ragen dabei die Grünen heraus und ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Skandal um die Vetternwirtschaft in seinem Ministerium dürfte wohl einigen Bundesbürgern klargemacht haben, wie sehr es bei der Klimapolitik um Geld und Geschäftemacherei auf der einen Seite geht – und um einen Umbau der Gesellschaft auf der anderen.
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