Von Kai Rebmann
Die sektorale Impfpflicht in Deutschland gehört seit Ende Dezember 2022 der Vergangenheit an. Dennoch wird das „Instrument“, das von seinen Initiatoren als Türöffner für eine allgemeine Impfpflicht installiert worden war, zumindest die Gerichte noch eine ganze Zeit beschäftigen. So wie jetzt in Dresden. Das Arbeitsgericht in der sächsischen Landeshauptstadt verurteilte den Betreiber eines Pflegeheims zur Lohnnachzahlung in Höhe von rund 20.000 Euro brutto an eine ungeimpfte Mitarbeiterin. Die Frau war im Zuge des Inkrafttretens der sektoralen Impfpflicht freigestellt worden und hatte bis Jahresende keinen Lohn mehr erhalten. Seit dem 1. Januar 2023 arbeitet die Klägerin wieder als Köchin bei ihrem alten und neuen Arbeitgeber.
Die Mitarbeiterin konnte oder wollte keinen Nachweis über eine „Impfung“ oder Genesung nachweisen. Parallel zur vorgesehenen Meldung beim zuständigen Gesundheitsamt machte die Heimleitung kurzen Prozess mit ihrer Köchin, suspendierte die Frau und behielt auch den vereinbarten Lohn ein. Dieser wäre der Klägerin nach Auffassung des Gerichts aber zugestanden, und zwar in voller Höhe. Zur Begründung hieß es, dass im Zusammenhang mit der sektoralen Impfpflicht zunächst zwischen bestehenden Arbeitsverhältnissen und Neueinstellungen zu unterscheiden gewesen sei. Darüber hinaus sahen die Richter auch die direkte Freistellung – also ohne Abwarten weiterer Schritte des Gesundheitsamts – als rechtswidrig an.
Wegweisendes Urteil für Sachsen
Der Umstand, dass die Frau in dem Seniorenheim als Köchin arbeitete – und nicht etwa als Pflegerin mit regelmäßigem und engem Kontakt zu den Bewohnern – spielte bei dem Urteil ebenfalls eine Rolle. Es gehörte zu den sinnbefreiten Eigenheiten der sektoralen Impfpflicht, dass diese vom Pförtner bis zur Sekretärin alle Beschäftigten betraf, die auch nur im entferntesten Sinne in einer Einrichtung des Gesundheitswesens arbeiteten. Ausnahmen gab es lediglich für Ungeimpfte, die beispielsweise im Homeoffice arbeiteten. Das Gericht betonte jedoch, dass eine Weiterbeschäftigung der 60-Jährigen auch deshalb möglich gewesen wäre, wenn „eine Küche zur Versorgung der Pflegeeinrichtung so separiert ist, dass kein enger räumlicher Zusammenhang besteht.“
Dieser Fall aus der Sächsischen Schweiz zeigt aber noch etwas: Während es – wie hier – offenbar Arbeitgeber gab, die ihr ungeimpftes Personal quasi in vorauseilendem Gehorsam auf die Straße setzten, stellten sich andere Einrichtungen und Verbände schützend vor ihre Mitarbeiter und verwiesen auf deren Unabkömmlichkeit. Es wurde also schon von vorneherein mit mindestens zweierlei Maß gemessen. Carsten Ullrich, der Anwalt der ungeimpften Köchin, bezeichnete den Richterspruch aus Dresden als „erstes wegweisendes Urteil“ für Sachsen.
2.500 Euro Entschädigung für Verstoß gegen Datenschutz
Da es im Zusammenhang mit der Meldung an das Gesundheitsamt offenbar auch zu Verstößen gegen die Richtlinien des Datenschutzes gekommen ist, sprach das Gericht der Klägerin neben der Lohnnachzahlung auch eine Entschädigung in Höhe von 2.500 Euro zu. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber mitteilen, welche personenbezogenen Daten (außer der Meldung über einen fehlenden Impf-/Genesenennachweis) an die Behörde weitergegeben wurden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das Pflegeheim kann bis Ende Februar 2023 noch Rechtsmittel einlegen. Auch wenn der Anwalt der Köchin von einem „wegweisenden Urteil“ gesprochen hat, betonte das Gericht ausdrücklich, dass kein „Grundsatzurteil“ gefällt worden sei. Die in Dresden getroffenen Festlegungen gelten demnach ausschließlich für die beiden unmittelbar am Verfahren beteiligten Parteien.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog. Bild: ShutterstockMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de