Von Kai Rebmann
Die womöglich richtungsweisenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen bringen die Altparteien gehörig ins Schwitzen. Jedes Mittel scheint recht zu sein, um das in ihren Augen bewährte Parteiensystem vor erdrutschartigen Verschiebungen zu bewahren. Der Vorsteher eines Wahllokals im Chemnitzer Stadtteil Siegmar hat in diesem panischen Aktionismus jetzt aber gleich mehrere rote Linien überschritten.
Der CDU-Mann war sich dabei auch nicht zu schade, einer ganz bestimmten Partei die rechtswidrige Beeinflussung von Wählern vorzuwerfen – nur um dann im selben Atemzug eine eben solche selbst zu begehen. In einem inzwischen offenbar gelöschten Facebook-Post schrieb der Christdemokrat unter anderem: „Ich musste heute auch erstmalig als Wahlvorstand aktiv werden, da ein Wahlplakat der Partei ‚Alternative für Deutschland‘ im unmittelbaren Umfeld des Wahlobjekts hing und somit noch eine Wählerentscheidung beeinflusst hätte. Das Wahlplakat wurde von der FFW Siegmar abgenommen.“
Aus der Ferne ist es natürlich schlicht unmöglich zu beurteilen, ob das betreffende Plakat tatsächlich in der „verbotenen Zone“ aufgehängt war. Doch diese Frage kann in den Hintergrund rücken, da es in dem Post weiter heißt: „Geht wählen. Ihr habt die Wahl zwischen Ampelparteien, die darum kämpfen, in den Bundestag einziehen zu können, einer neuen Partei deren Programm niemand richtig durchliest, sowie der Partei von Michael [Kretschmer, CDU], seit 2017 MP von Sachsen sowie AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban, einer als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei.“
Schon diese Zeilen sind, von allen Komma- und sonstigen inhaltlichen Fehlern mal abgesehen, hart an der Grenze zur Wählerbeeinflussung, die einem zur Neutralität verpflichteten Wahlvorsteher strengstens untersagt ist. Vielleicht müssen die Ampelparteien dereinst – spätestens im September 2025 – tatsächlich um den Einzug in den Bundestag bangen; heute geht es zunächst aber um die Wahl der Landtage in Sachsen und Thüringen.
Flammendes Plädoyer für Parteifreund
Und womöglich hat der CDU-Mann sogar recht, wenn er davon ausgeht, dass sich das Programm der „neuen Partei“ – gemeint ist offensichtlich das BSW – „niemand richtig durchliest“. Dieser Vorwurf dürfte vor allem an die eigenen Parteifreunde adressiert sein. Denn anders ist es wohl kaum zu erklären, dass mit der AfD jede Zusammenarbeit kategorisch ausgeschlossen wird, man sich gegenüber dem BSW – das in vielen Kernpunkten (Migration, Russland-Ukraine, US-Stützpunkte in Deutschland, Sicherheitspolitik etc.) die fast identischen Positionen vertritt – sehr viel offener zeigt.
Den Pfad der Neutralität endgültig verlassen hat der inzwischen aus diesem Amt entfernte Wahlvorstand dann aber mit seinem abschließenden Plädoyer für einen Parteifreund: „Ich wünsche insbesondere Peter W. Patt viel Erfolg, ein Landespolitiker, der die Sorgen und Nöte der Leute kennt, aber auch viel in den vergangenen Jahren geschafft hat.“
Wer angesichts dieser eklatanten und noch dazu offen zur Schau getragenen Doppelmoral mit einem Sturm der Entrüstung in den hiesigen Leitmedien gerechnet hat, sieht sich einmal mehr getäuscht. Der Skandal um den Wahlvorsteher in Chemnitz-Siegmar – und vor allem dessen Parteizugehörigkeit – soll offenbar unter der Decke gehalten werden, um die Position der Partei des amtierenden Ministerpräsidenten nicht „unnötig“ zu schwächen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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