Sehen Sie hierzu meinen aktuellen Bericht von der heutigen Bundespressekonferenz auf Youtube.
Kritiker werfen der Kanzlerin vor, dass sie sich Vollmachten anmaße, die sie gar nicht habe. Insbesondere richtet sich die Kritik auch gegen die sogenannten „Corona-Gipfel“ mit den Ministerpräsidenten, die in der Verfassung gar nicht vorgesehen sind. Nach der Pleite mit dem harten „Oster-Lockdown“ sagte Merkel heute: „Denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung. Qua Amt ist das so.“ Mich hat diese Aussage sehr überrascht. Deshalb befragte ich dazu heute Merkels Sprecherin Ulrike Demmer, eine frühere Focus-Kollegin von mir. Ich wollte wissen, auf welche Verfassungsnorm sich Merkel stützt, wenn sie die Verantwortung für den Gipfel bzw. die Entscheidungen dort übernimmt. Mir ist kein entsprechender Punkt im Grundgesetz bekannt. Demmer offenbar auch nicht – sie konnte nur ausweichend antworten. Das spricht für den Verdacht, den Kritiker schon länger äußern: Dass Merkel bei der Konferenz das Sagen hat, ohne dass dies von der Verfassung gedeckt wäre. Und sie sich mit ihrer Aussage etwas „verplauderte“. Gegen diesen Verdacht spricht, dass sie sich mit ihren harten Forderungen in vielem nicht durchsetzen konnte.
Auch bei meiner zweiten Frage, warum Bayerns Ministerpräsident Söder mit seinen Teilnahmen am Gipfel regelmäßig gegen die eigene Reisewarnung verstößt, wurde ich aus der Antwort von Demmer nicht schlau. Oder genauer gesagt: Mir wurde nicht ersichtlich, warum Söders Teilnahme an dem Gipfel zwingend erforderlich ist, die von 14 anderen Länderchefs aber nicht.
Lesen Sie hier den Wortwechsel (auch wenn er nicht ganz genau wiedergegeben ist im Wortprotokoll der Bundesregierung – meine Sprache wurde angepasst, lesen Sie dazu in Kürze mehr). Überrascht hat mich auch, dass die Äußerung Merkels zu ihren Fehlern mir gegenüber gemacht wurde. Ich hatte nicht geahnt, dass ich der Adressat war (verzeihen Sie mir, aber diese schelmische Bemerkung konnte ich ich mir einfach nicht verkneifen, auch wenn mir völlig klar ist, dass sich Demmer hier nur versprochen hat).
Merkels Rolle
FRAGE REITSCHUSTER: Frau Demmer, ich habe eine Verständnisfrage zum Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Ich bin ein bisschen verwirrt. Vielleicht können Sie mir helfen, Frau Demmer. Die Bundeskanzlerin hat heute gesagt, dass sie qua Amt die volle Verantwortung für diesen Fehler übernimmt. Laut Grundgesetz ist es so, dass die Pandemiebekämpfung auch eine ganz wesentliche Aufgabe der Länder ist. Warum hat die Bundeskanzlerin die letzte Verantwortung? Auf welche Verfassungsnorm stützt sie sich damit? Danke.
DEMMER: Die Bundeskanzlerin hat sich gegenüber Ihnen, aber auch gegenüber dem Parlament geäußert. Es hat in der vergangenen Ministerpräsidentenkonferenz die Idee gegeben, uns allen eine Osterruhe zu verordnen, um dadurch Kontakte zu beschränken und möglicherweise die dritte Welle in einem geringeren Ausmaß zu halten und auszubremsen. Jetzt hat sich im Nachgang zur Ministerpräsidentenkonferenz herausgestellt, dass das sehr viel komplizierter ist als ursprünglich gedacht. Hierzu hat sich die Kanzlerin geäußert. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Grundsätzlich ist an dem Gedanken, dass wir die Ostertage nutzen sollten, um unsere Kontakte zu reduzieren, nichts Falsches, sondern der bleibt bestehen.
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Sie haben jetzt überhaupt nicht meine Frage beantwortet. Die Frage war: Es gibt Vorwürfe, dass die Kanzlerin zu viele Vollmachten auf sich nimmt. Auf welche konkrete Norm in der Verfassung stützt sie sich, wenn sie sagt, dass sie in dieser Konferenz die letzte Verantwortung qua Amt hat? Welche konkrete Verfassungsnorm ist damit gemeint?
DEMMER: Ich glaube, dass ich doch geantwortet habe. Die Bundeskanzlerin hat ja für eine Idee, die nicht ganz zu Ende gedacht war, die Verantwortung übernommen. Damit hat sie sozusagen erklärt, warum diese Idee jetzt nicht in die Tat umgesetzt wird, weil es nämlich in der kurzen Zeit rechtlich nicht möglich gewesen wäre. Trotzdem bleibt der Grundgedanke der Idee ja ein richtiger.
Söder
FRAGE REITSCHUSTER: Noch einmal eine Frage zur Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Gestern wurde dazu aufgerufen, dass man alle unnötigen Reisen und Reisen generell vermeiden sollte. Nun war zum wiederholten Male Herr Söder dabei, der ja aus Bayern angereist ist. In welcher Funktion ist er dabei? Der Bundesratspräsident ist nicht da, sondern bleibt in Magdeburg. Wie ist das mit der Vorbildfunktion zu vereinbaren, dass der bayerische Ministerpräsident so eine rege Reisetätigkeit entwickelt?
DEMMER: Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder darauf hingewiesen, auf Reisen, insbesondere auf touristische Reisen, zu verzichten. Dienstreisen sind selbstverständlich weiterhin anzutreten, wenn sie notwendig sind. Das gilt für alle.
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Sie haben die Frage nicht beantwortet. Die Frage war, in welcher Funktion Herr Söder hier ist. Wenn er in der einfachen Funktion als Ministerpräsident hier ist, warum immer dann derselbe Ministerpräsident? Warum ist ausgerechnet die Anwesenheit von Herrn Söder notwendig?
DEMMER: Herr Söder ist hier in seiner Funktion als Ministerpräsident genauso wie Herr Müller.
ZURUF REITSCHUSTER: Herr Müller reist ja nicht!
DEMMER: Das stimmt. Das ist aber ein Zufall, weil Herr Müller in seinem eigenen Bundesland verhandelt. Vielleicht richten Sie die Frage an Herrn Söder.
Vielleicht kann ich noch eine Wissenslücke von Ihnen füllen:
REITSCHUSTER: Immer gern!
DEMMER: Herr Söder ist der stellvertretende Ministerpräsidentenkonferenz-Vorsitzende.
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Ist er also in dieser Eigenschaft da?
DEMMER: Ich würde sagen, das kann man jetzt so nicht voneinander trennen. Denn er ist als Ministerpräsident und stellvertretender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz dort anwesend.
Leider hatte ich keine Rückfrage mehr frei. Denn tatsächlich ist der Vize-Vorsitz in der ohnehin nicht sehr wichtigen Ministerpräsidentenkonferenz kein Amt, das besondere Bedeutung hätte. Das ist formell das Amt des Bundesratspräsidenten. Das hat aber Reiner Haseloff inne – der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Aus Magdeburg hätte der auch keine weite Anreise nach Berlin, anders als Söder. Insofern liegt hier der Verdacht auf der Hand, dass Söder die eigenen Corona-Maßstäbe verletzt im Kampf um das Kanzleramt – denn anders als mit einem Schaulaufen für die Merkel-Nachfolge ist seine Teilnahme kaum zu erklären. Sie spricht Bänder darüber, wie ernst der Ministerpräsident die eigenen Regeln nimmt.
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Bild: Boris Reitschuster
Text: br