Was lief da schief? Regierungskritik in Tagesthemen GEZ-Tauwetter oder Eintagsfliege?

Im Redaktionsalltag bleibt leider zuweilen die eine oder andere Perle liegen. Unsere öffentlich-rechtlichen Anstalten liefern in der Regel statt Perlen eher Anlass zum Ärger. Und da man als Journalist ohnehin dazu neigt, zu viel Negatives und zu wenig Positives zu sehen, möchte ich Ihnen die Perle nicht vorenthalten, die ich leider in der Ablage vergessen hatte. Es ist ein Kommentar aus den Tagesthemen – endlich einmal ein Stück, das sich kritisch mit der Energiepolitik auseinandersetzte. Und damit absetzte vom rotgrünen Tenor, der sonst in den GEZ-Anstalten vorherrscht. Ich finde den Kommentar so großartig, und damit zeitlos, dass ich ihn Ihnen auch noch mit Verspätung präsentieren möchte. Mein Team hat ihn für Sie transkribiert:

Will man während der WM einen Fußballvergleich bemühen, dann ist die deutsche Bundesregierung mit ihrer Energiepolitik in die Abseitsfalle geraten. Vor einer Woche protestierte die deutsche Innenministerin putzig mit einem Stück Stoff am Arm gegen die Zustände in Katar. In der nächsten Woche verpflichtet sich die Bundesregierung, bis zum Jahr 2041 für Milliarden Euro Gas aus eben diesem Wüstenland einzukaufen. In der Golfregion wird dieses Verhalten als Doppelmoral kritisiert: Einerseits den Wirtschaftsminister den Bückling vor dem Emir machen zu lassen, andererseits die Katarer bei jeder Gelegenheit zu maßregeln. Ich fürchte, wir haben uns an solche Widersprüche nach einem Amtsjahr dieser Koalition längst gewöhnt. Wir schalten unsere Kernkraftwerke ab und kaufen Atomstrom dann teuer in Frankreich ein. Fracken wollen wir in Deutschland nicht, importieren aber begierig Frackinggas aus den USA. Neueste Kohlekraftwerke mit höchsten Umweltstandards werden wenige Jahre nach Betriebsstart stillgelegt, um deren Leistung mit Kohlestrom auch aus Ländern zu ersetzen, die Umweltschutz gar nicht im Blick haben. Die Energiebeschaffung kann nicht schmutzig genug sein, Hauptsache der Dreck fällt nicht im eigenen Land an. In vier Jahren werden jetzt also in Brunsbüttel nach Tausenden von Seemeilen die mit Schweröl betriebenen LNG-Tanker aus Katar einlaufen. Sollte diese im Zeichensetzen so mutige Koalition dann noch im Amt sein, kann sie an der Mündung des Nord-Ostsee-Kanals in die Elbe zur Begrüßung Regenbogenflaggen hissen.

Ansehen können Sie sich den Kommentar hier:

Das einzige Problem: Eine journalistische Schwalbe macht noch keinen öffentlich-rechtlichen Sommer. Und solange so ein Kommentar völlig einsam im rotgrünen Dauer-Beschuss durch die Anstalten steht, wirkt er eher wie ein Alibi denn wie ein Beleg für wirkliche Meinungsvielfalt. Die Verspätung mit dem Aufgreifen des Kommentars auf meiner Seite hat den Vorteil, dass ich rückblickend die Frage aus der Überschrift recht zuverlässig beantworten kann: Es ist eine Eintagsfliege und kein Beginn eines Tauwetters.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Bild: Screenshot Twitter

mehr zum Thema auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert