Von Kai Rebmann
Die Corona-Jahre können ruhigen Gewissens als die schwärzeste Stunde des Christentums in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet werden. Selbst an Weihnachten blieben die Kirchen auf staatliche Anordnung geschlossen, Christen konnten das Fest der Liebe allenfalls im Geheimen feiern, also faktisch im Untergrund. Anstatt sich gegen diesen beispiellosen Eingriff in die Religionsfreiheit zu wehren, wedelten die Kirchen brav mit dem Schwanz und machten den untertänigen Bückling.
Zu den ganz wenigen Kirchenvertretern, die damals den Mund aufgemacht haben, gehört Martin Michaelis. Der evangelische Pfarrer aus Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) nahm in Halberstadt und Umgebung spätestens ab dem Jahr 2022 regelmäßig an Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen teil und trat dort teilweise auch als Redner auf.
Problem: Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) als unmittelbarer Dienstherr des Geistlichen hatte Michaelis eben solche Auftritte ausdrücklich verboten und sah in dieser Wahrnehmung von demokratischen Grundrechten eine Verletzung von Amtspflichten. Diesen Vorwurf wollte der Pfarrer nicht auf sich sitzen lassen und zog vor das Kirchengericht. Bei den Schreiben, die er in diesem Zusammenhang im Jahr 2022 erhalten hatte, habe es sich nicht um eine „ordentliche Weisung“ gehandelt, so Michaelis. Das Kirchengericht schloss sich jedoch der Sichtweise der EKM an.
Kirche macht unliebsamen Pfarrer mundtot
Diese Vorgeschichte hilft auch bei der Einordnung, wie und weshalb es im April 2024 zum wohl endgültigen Bruch zwischen Michaelis und seiner Kirche kam. Weil der Geistliche als parteiloser Kandidat auf der Liste der AfD für den Stadtrat in Quedlinburg antrat, leitete die EKM ein Disziplinarverfahren mit weitreichenden Folgen ein. Michaelis war fortan und für die gesamte Dauer des Verfahrens unter anderem die Wortverkündung sowie das Abhalten von Taufen oder Abendmahlsfeiern untersagt.
Die EKM begründete diesen Schritt damals so: Mit seiner Kandidatur für die AfD, deren Landesverband in Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft werde, unterstütze Michaelis mutmaßlich deren Programmatik. Weiter erwecke er damit den Anschein, als sei rechtsextremes Gedankengut, das sich gegen die Menschenwürde sowie gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip richte, vereinbar mit christlicher Theologie und Haltung.
Im Juni wurde Michaelis schließlich mit dem drittbesten Ergebnis aller Kandidaten gewählt und in den Medien als „AfD-naher Pfarrer“ bekannt. Nach außen hin lieferte diese Kandidatur für die EKM offenbar die ideale Steilvorlage, um sich öffentlichkeitswirksam von ihrem Pfarrer und der AfD zu distanzieren. Dass das Tischtuch zwischen den Parteien zu diesem Zeitpunkt infolge des Streits um die Teilnahme an den Corona-Demos längst zerschnitten war, ging in den Berichten der letzten Wochen und Monate vollends unter.
Strafanzeige gegen ranghohe Kirchenvertreter
Denn Fakt ist: Bis zum Jahr 2022, bis er erstmals öffentlich als klarer Kritiker der Corona-Maßnahmen in Erscheinung getreten ist, war Michaelis unter anderem Vorsitzender des Thüringer Pfarrvereins – ehe ihn seine nicht linientreuen Aktivitäten das Amt kosteten und er abgewählt wurde.
Gegenüber der im Einzugsgebiet der EKM erscheinenden Kirchenzeitung „Glaube + Heimat“ kündigte Michaelis zuletzt an, gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Kirchengerichts und den Vorwurf der Verletzung von Amtspflichten in Berufung gehen zu wollen. Darüber hinaus will sich der Geistliche aber auch vor ganz weltlichen Gerichten gegen die Zerstörung seiner Existenzgrundlage zur Wehr setzen. So will Michaelis eigenen Angaben zufolge Strafanzeige gegen Michael Lehmann, den Personaldezernenten der EKM, und Matthias Porzelle, den Superintendenten des für ihn zuständigen Kirchenkreises, stellen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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