Von Kai Rebmann
Die offensichtliche Manipulation mittels „angepasster“ grafischer Darstellung von Corona- oder Wetterkarten bei Tagesschau und Tagesthemen sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für Kritik an der ARD. Erst vor wenigen Tagen wurde an dieser Stelle über mehrere solcher Beispiele berichtet, bei denen die Zuschauer des durch Zwangsgebühren finanzierten Senders bewusst oder unbewusst in die Irre geführt wurden. In der vergangenen Woche hat der AfD-Politiker Georg Pazderski via Twitter nachgelegt und weitere Belege für Schummeleien bei der ARD mit den Wetterkarten veröffentlicht. Konkret ging es dabei um die Darstellung der Wetterkarten in den Tagesthemen vom 21. Juni 2022 im Vergleich zur Sendung vom 21. Juni 2017. Dazu schrieb Pazderski: „Exemplarischer kann man die bewusste Manipulation der Zuschauer kaum verdeutlichen. Was vor 5 Jahren noch grün war, ist heute knallrot. Langsam gehen den ÖR die Rottöne aus.“
Der AfD-Mann wirft den Tagesthemen also „bewusste Manipulation“ vor. Starker Tobak, den man bei der ARD so nicht auf sich sitzen lassen kann und will. Doch was tun, wenn gerade kein wohlgesonnener Faktenchecker zur Hand ist, der die bösen Unterstellungen – noch dazu aus den Reihen der AfD – umgehend ins Reich der Fabel verweist? Ganz einfach, man schaltet den „unabhängigen“ ARD-Faktenfinder ein, der die Tagesthemen gegen solche Kritik in Schutz nimmt. Dumm nur, wenn die beiden beim NDR angestellten „Faktenfinder“ Andrej Reisin und Pascal Siggelkow die von Pazderski geäußerten Vorwürfe nicht nur nicht entkräften können, sondern bei diesem etwas hilflos wirkenden Versuch auch noch ein lupenreines Eigentor schießen.
„Neues Design“ und „technische Gründe“
In unserem jüngsten Artikel über dieses Thema wurde seitens der ARD noch auf „technische Gründe“ verwiesen, die es für die Anpassung der Farbskala gegeben habe. Gegenüber dem hauseigenen Faktenfinder verteidigt Silke Hansen von der Wetterredaktion des Hessischen Rundfunks (HR) diesen Vorgang nun damit, dass das Wetter für die Tagesthemen seit dem Jahr 2020 nicht mehr von unterschiedlichen Redaktionen und Firmen angeliefert werde, sondern vom „ARD-Kompetenzzentrum“ in Frankfurt. Was das zur Erklärung für die manipulativ dargestellten Wetterkarten beitragen soll? Man weiß es nicht, aber Hansen versucht es mit dieser Begründung: „Wir haben bei der Übernahme das komplette Design umgestellt und dem Design der Tagesschau angepasst. Seitdem gibt es auch in den Tagesthemen keine Wolkensymbole mehr, sondern einen Wolkenfilm und die Temperaturen werden auf einer Temperaturkarte dargestellt, wie es bei der Tagesschau seit 30 Jahren gemacht wird.“
Aha!? So richtig überzeugend und einleuchtend klingt das aber immer noch nicht. Dessen sind sich wohl auch die ARD-Faktenfinder bewusst, weshalb sie noch einmal nacharbeiten. Oft würden bei den „mutmaßlichen Beweisfotos“ auch Wetter- mit Temperaturkarten verglichen, argwöhnen Reisin und Siggelkow. „Während eine Wetterkarte abbildet, wie das Wetter werden soll (sonnig, bewölkt, regnerisch), dient die Temperaturkarte dazu, die Gradzahlen auch farblich abzubilden. Die Skala kann dabei von Dunkelrot für heiße Temperaturen bis kaltem Blau reichen“, schreiben die NDR-Redakteure dazu. Dies ist nachweislich aber weder im vorliegenden Beispiel von Georg Pazderski noch in unserem dazu erschienenen Artikel der Fall gewesen, es wurden schlicht Äpfel mit Äpfeln verglichen.
ARD-Faktenfinder schreiben sich um Kopf und Kragen
Wo spätestens jetzt das Eingeständnis angebracht gewesen wäre, dass das „neue Design“ der Wetterkarten bei den Tagesthemen tatsächlich manipulativ wirkt und Kritik an diesem Vorgehen durchaus angebracht ist, auch wenn sie von einem AfD-Politiker kommt, verrennen sich die ARD-Faktenfinder vollends. Nicht jede Temperatur habe eine eigene Farbe, wird dem Leser erklärt. Darüber hinaus werde der Farbbereich entsprechend der Jahreszeit gewechselt: „Eine Farbskala, die im Sommer und im Winter im Einsatz wäre – also von minus 20 bis plus 40 Grad – hätte keine klar erkennbaren Farbunterschiede mehr. Deshalb verwendet die Wetterredaktion des HR vier unterschiedliche Farbskalen, die immer einen Teil abdecken: Fünf Grad sind so im Sommer blau und im Winter gelb oder orange.“
Schön zu wissen, liebe ARD-Faktenfinder, aber mit dem von Georg Pazderski eingebrachten Vorwurf der „bewussten Manipulation“ bzw. dessen Entkräftung hat das alles nicht das Geringste zu tun. Zur Erinnerung: Pazderski stellte zwei Wetterkarten aus den Jahren 2017 und 2022 gegenüber – die jeweils aus Sendungen vom 21. Juni der beiden betreffenden Jahre stammten. Der Hinweis auf jahreszeitliche Anpassungen der Farbskalen ist an dieser Stelle also völlig fehl am Platze. Natürlich ist es völlig legitim, wenn Grafiken im Lauf der Zeit angepasst oder deren Darstellung überarbeitet wird, aus welchen Gründen auch immer das geschehen mag. Zwingend notwendig wäre dann jedoch ein expliziter Hinweis darauf an prominenter Stelle, damit der Zuschauer die ihm präsentierten Grafiken und Zahlen richtig einordnen kann. Umso mehr sollte die Einhaltung dieser journalistischen Sorgfaltspflicht für einen durch Zwangsgebühren der Steuerzahler finanzierten Sender des ÖRR gelten.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
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