Wie bei Potemkin: Bahn gaukelt Politikern heile (Zug-)Welt vor Privilegien für Minister

Heute wäre eine Entschuldigung von mir bei den Menschen in Russland fällig. In den vielen Jahren dort habe ich die Probleme etwa im Flugverkehr immer mit der Aussage kommentiert, diese lägen auch daran, dass die „Apparatschiks“ überall Privilegien haben – etwa, weil Flugzeuge mit ihnen an Bord bevorzugt behandelt werden. In Deutschland, so erzählte ich damals oft Freunden und Bekannten, sei das undenkbar.

Ohne böse Absicht habe ich dabei meine russischen Gesprächspartner belogen, wie sich jetzt herausstellt. Denn was ich jetzt über die Privilegien von Politikern bei der Deutschen Bahn lesen musste, machte mich völlig sprachlos. Und erinnert mich an schlechte, postkommunistische Traditionen in Russland. Das enthüllte jetzt ausgerechnet der sonst so brave „Spiegel„: „Reisen etwa hochrangige Politikerinnen oder Politiker angekündigt mit dem Zug, dann tritt offenbar die Konzernrichtlinie 199, Modul 1, in Kraft: ‘Reisen nach Sondervorschrift‘“, schrieb das Blatt unter Berufung auf „Bahnkreise“.

‘Schlicht nicht vermittelbar‘

Wenigstens fordert nach dem Auffliegen der Privilegien ein erster Bahn-Aufsichtsrat, die Vorzugsbehandlung abzuschaffen. „Sondervorschriften für Prominente sind aus der Zeit gefallen. Das ist schlicht nicht vermittelbar“, sagt Stefan Gelbhaar dem „Spiegel„. „Die Bahn ist für alle da, und da gibt es schon genug zu tun, etwa bei der Barrierefreiheit.“
Ob es so kommt, ist fraglich. Denn es fällt auf, dass die meisten Medien – bis auf einige Ausnahmen – gar nicht oder nur auf Sparflamme über die Privilegien berichten: Googeln Sie einfach einmal „Konzernrichtlinie 199“ oder „Bahn Privilegien„, um sich zu überzeugen. Früher hätte so eine Enthüllung die Schlagzeilen beherrscht. In Zeiten der Gleichtaktung von Regierung und Medien hat man fast den Eindruck, die wenigen, eher versteckten Berichte haben Alibi-Funktion.
Wenn zu viele Menschen von solchen Zuständen erfahren würden, könnte sie das, um mit den Worten des Ex-Innenministers Thomas de Maizière zu sprechen, beunruhigen.
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Bild: Ekaterina Quehl/Shutterstock

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