Das Leben ist voller Überraschungen. Und so war es eine für mich, als ich dieser Tage einen Brief vom Bürgermeister von Schladen-Werla im Landkreis Wolfenbüttel bekam. Einem Ort, der nach Sehnsucht klingt. Es war kein gewöhnlicher Brief, sondern einer mit förmlicher Zustellung. Insofern war die Erwartung nicht freudig, als ich das Schriftstück öffnete. Und siehe da – es handelte sich um die „Feststellung einer Ordnungswidrigkeit / Anhörung“, die mir da ins Haus geflattert ist. Wie ich zu der Ehre oder der Anschuldigung komme – lesen Sie dazu meine Antwort an den Bürgermeister von Schladen-Werla (wobei ich mich fast verlesen und „Schilda“ gelesen hätte):
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
für Ihr Schreiben und das Interesse an meiner bescheidenen Person im fernen Schladen-Werla danke ich Ihnen. Ihre Aufmerksamkeit rührt mich umso mehr, als ich in meinem Leben noch nie das Vergnügen und auch noch nie die Ehre hatte, Schladen-Werla zu besuchen. Schlimmer noch. Ich muss Ihnen eine Bildungslücke gestehen: Bis zum Erhalt Ihres Briefes wusste ich nicht mal, dass es Schladen-Werla gibt. Gott sei Dank bin ich da nun schlauer, insofern diente Ihr Schreiben meiner Allgemeinbildung.
Überrascht hat mich, über welche Erkenntnisse Sie verfügen. In dem Schreiben steht: „Ihnen wird vorgeworfen, am 26.4.2021, 9.15 Uhr (Feststellung) in 36315 Schladen, Hildesheimer Straße, Feldweg, Autobahnübergang A 36 folgende Ordnungswidrigkeit begangen zu haben:
Sie haben… eine Straße über den Gemeingebrauch hinaus ohne Erlaubnis benutzt…“
Das wundert mich sehr. Denn ich war am 26. April in der Bundespressekonferenz (Alibi hier). Und da ich keine gespaltene Persönlichkeit bin und auch nicht geklont, wäre es für mich schwer gewesen, gleichzeitig in Schladen-Werla zu sein. Und das zu tun, was Sie mir in Ihrem Schreiben weiter vorwerfen: „Sie befestigten ein Plakat mit der Aufschrift ‘reitschuster.de‘ an ein Geländer der o.a. Autobahnüberführung ohne Erlaubnis.“
Ich bin kein Kriminalist und kenne mich mit der Thematik nur auf der spärlichen Grundlage von Fernsehkrimis aus. Aber was Sie an Beweismitteln anführen, scheint mir doch etwas spärlich:
Zum einen findet man solche Schwarz-Weiß-Fotos mit grober Pixelung von Verkehrskameras ja üblicherweise in entsprechenden Bußgeldbescheiden. Zumindest habe ich mir das sagen lassen. Insofern war ich für einen Moment erschrocken. Konnte da ein Doppelgänger in eine (Radar-)Falle getappt sein? Oder bin ich, wie andere als Schlafwandler, ohne mein Wissen als Schlaf-Raser unterwegs?
Auch bei genauerem Hinsehen und vor die Nase halten konnte ich dann offen gestanden nicht erkennen, wo Sie da meine Wenigkeit ausmachen wollen. Oder die eines Doppelgängers? Haben Sie mich oder ihn in dem Schatten im Gebüsch vorne rechts erkannt? Oder glauben Sie, ein Fuß von mir oder ihm ragt oben auf der Brücke hinter dem Plakat hervor?
Insofern lässt mich Ihr Beweismittel noch ratloser zurück als der Rest Ihres werten Schreibens.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Bedeutung und Wichtigkeit von Schladen-Werla grob sträflich unterschätzt wird, und streue mir da auch Asche auf das eigene Haupt diesbezüglich. Ich habe mich inzwischen schlau gemacht und weiß nun dank Ihrer Internet-Seite mehr: „Die Gemeinde Schladen-Werla hat viel zu bieten. Eine gute Kinderbetreuung von der Krippe bis zum Hort, beste Einkaufsmöglichkeiten und eine gute medizinische Versorgung machen Schladen-Werla zu einer beliebten Wohngemeinde. Mitten in der Natur und verkehrlich gut an die Oberzentren angebunden. Auch für die Freizeit bieten wir viel. Das mittelalterliche Hornburg, der Archäologie- und Landschaftspark Kaiserpfalz Werla oder unsere Wälder und Kiesseen. Einfach nur schön.“
Das ist beachtlich und freut mich für Sie.
Aber bei aller Achtung vor Schladen-Werla und Anerkennung seiner Anziehungskraft – glauben Sie, es würde für mich Sinn machen, mehr als 500 Kilometer von Berlin hin- und zurückzufahren, um ausgerechnet bei Ihnen ein Plakat mit dem Namen meiner Seite aufzuhängen? Zum einen wäre das wohl schon Narzissmus in behandlungsbedürftiger Form. Und zum anderen – selbst wenn dieser vorhanden sein sollte: Man mag ja über Berlin und Brandenburg manches Schlechte sagen können. Aber Autobahnbrücken, die viel befahren sind, gibt es auch hier. Näher erreichbar als Schladen-Werla.
Und jetzt Hand aufs Herz: Wenn jemand bei Ihnen ein Plakat des VfB Stuttgart aufhängen würde – käme es Ihnen dann in den Sinn, den Vorstand dort anzuschreiben und ihm eine Ordnungswidrigkeit vorzuwerfen?
Ich hoffe, ich konnte damit zur Klärung des Sachverhaltes beitragen.
Und ebenfalls hoffe ich, dass ich Zukunft einmal Schladen-Werla besuchen und mich von den beschriebenen Vorzügen Ihres Ortes selbst überzeugen kann. Es muss wahrlich ein glücklicher Fleck Erde sein, wenn die Verwaltung sich den Luxus leisten kann, auf diese Art und Weise Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen.
Umgekehrt lade ich Sie auch jederzeit gerne auf meine Seite ein. Auch die hat Ihre Vorzüge.
Besten Dank und freundliche Grüße
Ihr
Boris Reitschuster
PS: Ich rate für die Zukunft von der Deutschen Post als Dienstleister für „förmliche Zustellungen“ ab. Die Bestätigung für dieselbe, die eigentlich an Sie gehen sollte als Nachweis für die Zustellung, hat der Zusteller nämlich aus Versehen auch bei mir im Briefkasten mit eingeworfen. Mit so einer Post ist kein Staat zu machen.
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Und noch eine Bitte an alle meine Leserinnen und Leser – ganz im Ernst: Ich bekomme inzwischen öfter Schreiben von Ordnungsämtern quer durch die Republik mit Klagen, dass mit Aufklebern mit dem Logo meiner Seite etwa Briefkästen oder Parkuhren zugeklebt werden. So sehr ich mich über jede Reklame für meine Seite freue, bitte ich alle, die mir damit helfen, dabei keine Sachbeschädigungen vorzunehmen! 1000 Dank!
Sehen Sie hier das neueste Kurzvideo zu meiner Seite – von einem Kino-Profi als Geschenk für mich produziert:
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Bild: privat/Ekaterina Quehl
Text: br
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