Gastbeitrag von Jerzy Maćków, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Regensburg.
Die Menschen, die davon überzeugt sind, dass nach dem guten Obama der schlechte Trump kam und die Vereinigten Staaten ruinierte, sind keines Gesprächs über Politik und Gesellschaft würdig. Ein Politiker ist nicht imstande zu dem, was man dem (noch) amtierenden amerikanischen Präsidenten unterstellt. In Deutschland wird aber anders gedacht, was wahrscheinlich mit der „Aufarbeitung des Nationalsozialismus“ zu tun hat. Nicht hundertausende Verbrecher, nicht Millionen NSDAP-Mitglieder, nicht Millionen und Abermillionen Deutsche, die die NSDAP gewählt hatten, und nicht jene Millionen Menschen, die „bis zum letzten Atemzug“ für ihren Führer gekämpft hatten, sondern Adolf Hitler sei an allen schlimmen Dingen schuld. So sei auch an den Problemen Amerikas allein Trump schuld, den so mancher in Deutschland für einen „Faschisten“ hält, und das reicht unter gedanklich Unbedarften aus, um Donald und Adolf in einem Atemzug zu nennen.
Wenn man jedoch über Politiker an der Macht sinnvoll reden will, muss man einschätzen können, welches Land sie übernommen und welches sie hinterlassen haben. Wie Helmut Kohl es zu sagen pflegte, es komme darauf an, „was hinten rauskommt“. Er wusste sehr wohl, worüber er sprach: Er hat ein wiedervereinigtes Deutschland hinterlassen. Obwohl er korrupt war: Ihn aus Schulbüchern zu tilgen, ist undenkbar.
Der Außenseiter Trump kam an die Macht als Antwort auf die tiefe politische Krise der Vereinigten Staaten. Es steht außer Frage, dass seine Vorgänger im Amt (selbstverständlich Barack Obama inbegriffen) und überhaupt die amerikanischen Eliten die Hauptverantwortung für diese Krise tragen.
Donald Trump wurde gewählt, weil er die von seinen Vorgängern oft verschwiegenen, schwierigen Probleme des Landes offen genannt hatte. Man musste mit seiner Diagnose der Lage nicht einverstanden sein, aber er verkörperte für Millionen Amerikanern das, was sie an sonstigen Politikern und amerikanischen Medien vermissen: die Glaubwürdigkeit.
Er versuchte zudem, die Probleme anzugehen. Er tat es auf seine Art, die oft unbeholfen, aber oft erfolgreich und wegweisend war. Er versuchte, die USA aus der Rolle des Weltpolizisten rauszuholen, ohne die amerikanische Verantwortung für Krisenregionen zu vergessen. Auf diesem Feld hat er wahrscheinlich mehr erreicht als Obama. Er brachte mehr amerikanische Soldaten nach Mittel- und Nordosteuropa, was die EU sicherer gemacht hat. Er bewog einige NATO-Mitglieder – darunter sogar Deutschland! – dazu, mehr für ihre Sicherheit zu tun. Innenpolitisch war er etwa bei Richterernennung und auf dem wirtschaftlichen Gebiet erfolgreich, wenngleich er mit dem schweren Erbe seiner Vorgänger – den stets ansteigenden Staatsschulden – nicht zurecht gekommen war.
Seine Art, Politik zu betreiben, erscheint vielen verstörend, aber es wird in Deutschland vergessen, dass er stets darum bemüht war, seine Anhänger anzusprechen. Auch hier hatte er Erfolg (mehr Menschen stimmten für ihn 2020 als 2016), aber für einen sehr hohen Preis: Er hinterlässt das stark polarisierte Amerika. Mal sehen, ob Joe Biden mit diesem Erbe zurecht kommen wird …
Alles in allem war Trump als Präsident kein Zauberer, aber auch keine Katastrophe wie er hierzulande immer dargestellt wird. Er begann einen Prozess, von dem wir nicht wissen, wie er zu Ende gehen wird: Die Erneuerung der Demokratie.
Diese befindet sich nicht nur in den USA, sondern in allen westlichen Ländern in einer tiefen Krise. Auf dem Weg, sie zu bewältigen, sind die Amerikaner nach Trump bestimmt weiter als wir. Unsere Eliten sind zu eigennützig, um die offensichtlichen Krisensymptome – die Erosion des Parteiensystems, die fehlende Kommunikation im politischen System, die kaum vorhandene Glaubwürdigkeit der Politik usw. – auch nur zu benennen. Sie unterscheiden sich darin nicht von den amerikanischen Eliten vor Trumps Präsidentschaft. Sie loben die angeblich außergewöhnliche Rationalität der Regierenden und die Stabilität. Die Stabilität heraufzubeschwören ist aber die Praxis jeder schlechten Regierung. Damit wird man weder Probleme noch die zunehmende Polarisierung los.
Deshalb werden wir uns vielleicht noch nach einem Trump sehnen. Denn unser Trump heißt heutzutage die AfD: von Alexander Gauland bis Björn Höcke. Wenn Berthold Kohler in der FAZ Friedrich Merz den deutschen Trump schimpft, ist er – ohne es zu wissen – ein Optimist.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Den Blog von Jerzy Maćków, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Regensburg, finden Sie hier.