Von Kai Rebmann
Man glaubte in der vergangenen Woche seinen Ohren nicht zu trauen, als Claudia Roth (Grüne) in ihrer Funktion als Kulturbeauftragte der Bundesregierung von der „Eigenständigkeit und Selbstbestimmung eines Landes“ und der „kulturellen Identität eines Landes, einer Gesellschaft“ sprach. Aber Claudia Roth wäre nicht Claudia Roth, wenn sie diese Worte vor dem Brandenburger Tor in Berlin gesagt hätte. Stattdessen befand sich die Staatsministerin auf Dienstreise in Odessa und äußerte mit diesen Worten ihre Sorge um die Bedrohung eben dieser Werte in der Ukraine. Im Zusammenhang mit dem russischen Überfall auf die Ukraine habe sie die große Sorge, „dass dieser Krieg auch ein Krieg gegen die Kultur“ sei.
Ist der Grünen, die in den Wochen vor der Wiedervereinigung „gegen die Annexion der DDR“ durch die Bundesrepublik auf die Straße gegangen war und „Nie wieder Deutschland“ gefordert hatte, eigentlich klar, was sie in der Hafenstadt am Schwarzen Meer gesagt hat? Dinge wie Patriotismus, Identifikation mit nationaler Kultur oder Selbstbestimmung eines Landes stehen der Ideologie der Grünen diametral entgegen. Oder hat der Krieg in der Ukraine etwa zu einem Umdenken geführt? Mussten die Grünen jetzt auf die harte Tour feststellen, dass Werte wie Demokratie, Freiheit und Wohlstand auch in einem über Jahrzehnte hinweg von Frieden verwöhnten Europa äußerst kostbare Güter sind, an die wir uns so sehr gewöhnt haben, dass wir sie als selbstverständlich erachten? Läutete der Auftritt von Claudia Roth in Odessa die ideologische Zeitenwende bei den Grünen ein oder handelt es sich am Ende um nicht mehr als einen Akt plumper Heuchelei?
Deutscher Selbsthass gehört bei den Grünen zum guten Ton
Um die Widersprüche zwischen Roths in Odessa getätigten Aussagen und den tatsächlichen Ansichten der Grünen zu Fragen nationaler und/oder kultureller Identität eines Landes offenzulegen, lohnt sich der Blick auf einige Zitate aus den Reihen der Öko-Partei, der es nur noch vorgeblich um den Umweltschutz geht. Im November 2015 war es Roth selbst, die bei einer linken Demo hinter Parolen wie „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“, „Vaterland war als Kind schon scheiße“ oder „Deutschland verrecke“ hergelaufen ist. Und auch dieses Zitat stammt von der heutigen Kulturbeauftragten der Bundesregierung: „Wir haben eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland, ob es einem gefällt oder nicht.“ Dabei handelt es sich streng genommen natürlich lediglich um die Feststellung einer Tatsache. Gleichzeitig belegt diese Aussage aber auch, dass Roth die ureigene deutsche Kultur, im Gegensatz zu jener der Ukraine, offenbar nicht als schützenswertes Gut betrachtet.
Wie sehr die Grünen als Ganzes nationale Identität und Patriotismus ablehnen, sobald es um Deutschland geht, zeigt die folgende Auswahl von Zitaten, die ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
„Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich darauf.“
(Katrin Göring Eckardt)
„30 Prozent der Kinder und Jugendlichen heute haben bereits einen Migrationshintergrund. Und dabei habe ich die Ossis noch nicht mitgerechnet.“
(Katrin Göring-Eckardt)
„Ich möchte, dass es Lehrerinnen mit Kopftuch an Berliner Schulen gibt.“
(Bettina Jarasch)
„Noch nie habe ich die Nationalhymne mitgesungen und werde es auch als Minister nicht tun.“
(Jürgen Trittin)
„Deutschland ist ein in allen Gesellschaftsschichten und Generationen rassistisch infiziertes Land.“
(Jürgen Trittin)
„Unser Ziel ist eine föderale europäische Republik.“
(Annalena Baerbock)
„Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“
(Robert Habeck)
„Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern. Eine Alleinherrschaft wird beendet. Demokratie atmet wieder auf.“
(Robert Habeck)
„Migration ist in Frankfurt eine Tatsache. Wenn Ihnen das nicht passt, müssen Sie woanders hinziehen.“
(Nargess Eskandari-Grünberg)
„Und wenn das so weitergeht, bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie, wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun.“
(Alexander van der Bellen, Österreich)
Hohle Phrasen und warme Worte helfen der Ukraine nicht weiter
Was hat Claudia Roth in Odessa also zu Aussagen getrieben, zu denen sie eigentlich eine völlig konträre Haltung hat? Glaubte sie etwa, mit warmen Worten und hohlen Phrasen irgendjemandem in der Ukraine weiterzuhelfen? Es fällt auf, dass es in letzter Zeit vor allem deutsche Politiker sind, die vermehrt in die Ukraine reisen. Um viel mehr als sehen und gesehen werden, scheint es dabei aber kaum zu gehen. Außer leeren Versprechungen, etwa die bis heute ausgebliebene Lieferung schwerer Waffen oder die baldige Aufnahme in die EU, gab es nichts zu hören.
Zur Unterstützung der Ukraine gehört aber auch der Mut zur Ehrlichkeit. Hätte vor einem halben Jahr noch jemand von einer möglichen EU-Mitgliedschaft der Ukraine gesprochen, er wäre wohl mitleidig belächelt worden. Im Korruptionswahrnehmungsindex liegt die Ukraine noch hinter anderen Ex-Sowjetrepubliken wie Armenien, Belarus, Kasachstan oder der Republik Moldau. Auch bei fast allen anderen Kriterien, die ein Land erfüllen muss, damit die EU Beitrittsgespräche auch nur in Erwägung zieht, liegt die Ukraine weit zurück. An diesen harten Fakten hat auch der Einmarsch von Putins Truppen nichts geändert.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
mehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de