Zerstörtes Stolberg: Hundertschaft schützt Innenstadt vor Plünderern "The day after": Exklusiv-Bericht aus einer zerstörten Stadt

Der Stolberger Achim Kaussen berichtet von der „Front“ – aufgezeichnet hat seine Erzählung Alexander Wallasch:

„Gefühlt kommen alle paar Wochen Unwetterwarnungen von den Wetterdiensten. Da werden ‚extreme‘ Stürme gemeldet, die dann maximal Windstärke 7 bis 8 erreichen. Ein wenig Schnee wird zum Jahrhundertereignis aufgeblasen, und drei Tage Regen läuten die Sintflut ein. Irgendwann glaubt niemand mehr diesen Bullshit. Diesmal hatten die Warner aber recht …“
Achim Kaussen, Dipl.-Ing. Elektrotechnik, in Stolberg geboren

Ich komme auch aus Stolberg, das Büro meines Arbeitgebers liegt in der Innenstadt (Stolberg Mühle, Dammgasse) und ich war ein paar Tage an der „Front“. Wir haben dort den ganzen Schutt aus unserer Immobilie beseitigt.

Vor Ort läuft alles recht gut

Feuerwehr, THW, Polizei in ausreichender Menge, die Baufirmen und Containerdienste arbeiten 24/7, die Hilfsbereitschaft ist riesig. Überall stehen Freiwillige mit Versorgungsständen, niemand muss hungern oder ohne Kleidung rumlaufen.

Ich war eben noch vor Ort, da wurden wieder Lebensmittel und Getränke von Freiwilligen abgeliefert. Wir haben in der Innenstadt keinen Strom, die Mobilfunknetze laufen aber. Eine Hundertschaft schützt die Innenstadt vor Plünderern. Die Vororte sind nicht betroffen (so wie ich), so dass von dort aus alles organisiert werden kann.

Dass die Dreilägerbachtalsperre die Flut ausgelöst hat, ist in Stolberg gesicherte Erkenntnis. Dass die den Grundablass geöffnet haben, glaube ich nicht. Die ist irgendwann übergelaufen, und das war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die Fehler wurden im Vorfeld gemacht.

Die hätten schon am Freitag damit beginnen müssen, den Pegel zu senken. Das hätte vermutlich einen halben Tag Luft geschafft und so den GAU vermieden.

Der Vorort Vicht ist völlig zerstört

In der Innenstadt ist die unterirdische Infrastruktur sehr stark beschädigt. Es gehen Gerüchte um, dass das Rathaus unterspült wurde und abgerissen werden muss. Das sind aber noch Gerüchte, die allerdings aus allen möglichen Ecken kommen.

Gefühlt kommen alle paar Wochen Unwetterwarnungen von den Wetterdiensten. Da werden „extreme“ Stürme gemeldet, die dann maximal Windstärke 7 bis 8 erreichen. Ein wenig Schnee wird zum Jahrhundertereignis aufgeblasen, und drei Tage Regen läuten die Sintflut ein. Irgendwann glaubt niemand mehr diesen Bullshit. Diesmal hatten die Warner aber recht …

Vermutlich hatten die Talsperrenbetreiber keine Lust, einem Fehlalarm aufzusitzen, den Pegel signifikant zu senken und dann im Oktober ohne Wasser dazustehen. Immerhin wurde von den „Experten“ für 2021 Dürre vorhergesagt.

Wir sind hier Erdbebenklasse 3 (Vulkaneifel), die HUK zum Beispiel bietet keine Elementarversicherung an, es gibt aber Versicherer, die das tun.

Ein Versicherungsmakler hat auf Youtube seine persönliche Strategie dargelegt

Man sollte nur das versichern, was existenzbedrohend ist. Da bleiben dann nur noch die Privathaftpflicht und die Gebäudeversicherung (mit Elementar) übrig.

Der Vichtbach hat des Öfteren einen erhöhten Pegel, manchmal laufen Keller voll oder die Straßen stehen unter Wasser, aber an ein solches Ereignis kann ich mich nicht erinnern.

Die Kirche wurde zeitweise bis auf circa einen Meter geflutet. Mittlerweile ist wieder alles trocken. Stolberg ist eine Stadt mit vielen, dezentral gelegenen Vororten. Die meisten Vororte sind nicht betroffen, lediglich Vicht und Zweifall sind schwerst beschädigt.

Achim Kaussen wurde in Stolberg geboren und lebt seit 58 Jahren ohne Unterbrechung hier. Von Beruf ist er Dipl.-Ing. Elektrotechnik mit Schwerpunkt IT. Er arbeitet in der Stolberger Innenstadt. 

Normalerweise bitte ich an dieser Stelle um Unterstützung für meine Seite. Heute möchte ich Sie bitten, den Opfern des Hochwassers zu helfen. Hier drei Spenden-Möglichkeiten:

  • Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. / Diakonie RWL DE79 3506 0190 1014 1550 20 Stichwort: Hochwasser-Hilfe. Weitere Spendenmöglichkeiten: http://www.diakonie-rwl.de/hochwasser-hilfe
  • Diakonie Wuppertal: Diakonisches Werk Wuppertal; Stadtsparkasse Wuppertal; Iban DE31 3305 0000 0000 5589 24; Bic WUPSDE33XXX, Stichwort „Hochwasser“
  • Gemeinschaftsstiftung für Wuppertal; IBAN: DE43 3305 0000 0000 1157 09; BIC/SWIFT-Code: WUPSDE33XXX
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Volkswagen tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: screenshot Youtube/Bild
Text: Gast
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