Von Kai Rebmann
Das leidige Thema um die von ARD, ZDF und Konsorten erhobenen Zwangsgebühren zur Finanzierung ihres Milliarden-Apparates sorgt auch bei unserer Leserschaft immer wieder für Zündstoff. Jetzt erreichte uns das Schreiben einer Frau, die im Sendegebiet des Südwestrundfunks (SWR) lebt und vom Beitragsservice der Öffentlich-Rechtlichen mit einer Forderung in Höhe von genau 307,79 Euro konfrontiert wird – die sie nicht zu zahlen bereit ist.
Die unfreiwillige GEZ-Kundin begründet dies in ihrem an den Beitragsservice adressierten Widerspruch insbesondere wie folgt: „Nachweislich werden Meinungen, die den seitens der Regierung eingenommenen Standpunkten widersprechen, verzerrt und unterdrückt. Kritische Berichterstattung hinsichtlich des Regierungshandelns findet kaum mehr statt. Oppositionelle und regierungskritische Stimmen werden systematisch als ‚Verrückte‘, ‚Querulanten‘ oder ‚Spinner‘ dargestellt. Der verfassungsmäßige Auftrag einer unabhängigen sorgfältigen Berichterstattung ist nicht mehr gegeben.“
Aus diesem Grund sei, so die Leserin, auch die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Erhebung, die Forderung und erst recht die Eintreibung der Rundfunkgebühr entfallen. Dabei beruft sich die Baden-Württembergerin auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018, in welchem eben diese Grundlage wie folgt umrissen wird:
„In der Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner Funktion als nicht allein dem ökonomischen Wettbewerb unterliegender, die Vielfalt in der Rundfunkberichterstattung gewährleistender Anbieter, der durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen Orientierungshilfe bietet, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags als Beitrag rechtfertigende individuelle Vorteil.“
Mit anderen Worten: Das Bundesverfassungsgericht verknüpft die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags mit ganz klaren Voraussetzungen. Mit der Frage, ob diese Anforderungen an das eigene Programm nach wie vor gegeben sind, konnte oder wollte sich der SWR nicht auseinandersetzen. Statt sich selbst zu reflektieren, griff der Sender sofort zu deutlich schärferen Schwertern und drohte seiner „Kundin“ mit Pfändungsmaßnahmen – ganz einfach, weil er es kann, und dafür noch nicht einmal einen gerichtlichen Titel benötigt.
NDR pfeift seine Eintreiber schon zurück
Dabei sind sich die Gerichte in Deutschland keineswegs einig darüber, ob ARD, ZDF und Co die vom Bundesverfassungsgericht definierten Voraussetzungen (noch) vollumfänglich erfüllen, wie folgendes Beispiel zeigt. Der NDR ist in einem Streit mit säumigen Beitragszahlern inzwischen zurückgerudert und will – anders als der SWR – zunächst noch Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. Landesverfassungsgerichts Hamburg abwarten.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2024 beschied der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandfunk den Widerspruch eines „Kunden“ (Name dem Autor bekannt) wie folgt:
„Sehr geehrter Herr XY, wir bestätigen Ihnen den Eingang Ihres Widerspruchs gegen den Festsetzungsbescheid des Norddeutschen Rundfunks vom 03.06.2024. Die Entscheidung über den Widerspruch setzen wir bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Az.: 6 A 1432/24SN) aus. Vollstreckungsmaßnahmen werden aus dem angefochtenen Bescheid bis zum Abschluss des vorgenannten Verfahrens nicht eingeleitet.“
Hintergrund solcher und ähnlicher Schreiben, die aktuell seitens des Beitragsservices in Umlauf gebracht werden, ist eben die noch ausstehende Antwort des Bundesverwaltungsgerichts auf die Frage, ob Rundfunkbeiträge überhaupt noch durchgesetzt werden dürfen, wenn ein systematisches Versagen der Öffentlich-Rechtlichen vorliegt.
Anders als in Baden-Württemberg, Bayern oder Sachsen sind im Einzugsgebiet des NDR etwa die Kommunen für die Eintreibung der Zwangsgebühren zuständig. Die Initiative „Beitragsblocker“ verweist hierzu exemplarisch auf die Gemeinde Jesteburg (Niedersachsen), die nicht mehr bereit sei, diese Aufgabe weiter fortzuführen. Mittlerweile hat angesichts der unklaren Rechtslage auch der NDR eingelenkt und schrieb der Gemeinde Jesteburg am 15. Juli 2024:
„Sehr geehrte Damen und Herren, am 02.05.2024 haben wir Sie beauftragt, gegen oben genannten Schuldner die Zwangsvollstreckung durchzuführen. Inzwischen hat sich ein anderer Sachverhalt ergeben. Stellen Sie die Vollstreckung bitte ein. Eine Rücksendung des Ersuchens ist nicht erforderlich.“
SWR feuert bei Eintreibung weiter aus allen Rohren
Wie ist das höchst unterschiedliche Vorgehen bei der Eintreibung von vermeintlich ausstehenden GEZ-Beiträgen also zu erklären? Weshalb verzichtet der NDR bis auf weiteres darauf, während der SWR stur an der bisherigen Linie festhält? Liegt es daran, dass dem NDR die Helfershelfer abhanden gekommen sind und der SWR im Gegensatz dazu Herr des eigenen Verfahrens sein kann? Fragen, die zunächst leider unbeantwortet bleiben müssen, aber natürlich dennoch gestellt werden dürfen.
Denn, unglaublich, aber wahr: Anders als bei sonstigen Streitigkeiten zwischen Gläubigern und Schuldnern dient allein der durch den Beitragsservice ausgestellte Rückstandsfestsetzungsbescheid „als Vollstreckungsgrundlage für rückständige Rundfunkbeiträge und hat insofern die Funktion eines Titels, der den öffentlich-rechtlichen Anspruch vollstreckbar macht“.
Heißt: Einer Überprüfung auf Rechtmäßigkeit des Anspruchs durch Dritte, insbesondere Gerichte, bedarf es hierzu nicht. Oder besser gesagt – bedurfte es bisher nicht, falls das Beispiel der „Beitragsblocker“ und des NDR auch andernorts Schule machen sollte.
Der SWR indes zeigt sich von alledem gänzlich unbeeindruckt und scheint gewillt, bei der Eintreibung vermeintlich ausstehender Rundfunkbeiträge auch solche Register zu ziehen, die man sonst eher aus autoritären Systemen kennt. Im vorliegenden Fall hat der Beitragsservice sogenannte „Drittauskünfte“ über die Schuldnerin beantragt, sprich sich nach deren Arbeitgeber erkundigt, um dort gegebenenfalls den Lohn pfänden zu können. Die gewünschte Auskunft wurde dem Gläubiger über den örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher bzw. die Deutsche Rentenversicherung schließlich auch erteilt.
Gegenüber reitschuster.de stellt die Leserin daher die nicht ganz unberechtigt erscheinende Frage: „Warum setzt der SWR [sprich „Beitragsservice“] einen Gerichtsvollzieher ein, um letztlich doch selbst zu pfänden.“ Dieses Vorgehen erachte sie „als eine Überschreitung einer roten Linie. Denn die Absicht dahinter erscheint offensichtlich: Allem Anschein geht es nicht zuletzt um Einschüchterung säumiger GEZ-Zahler.
Bank stellt auf Durchzug
Da passt es ins Bild, dass selbstverständlich auch die Bank der Schuldnerin – in diesem Fall die ING Diba AG – informiert wurde, negativen Schufa-Eintrag inklusive. Die Leserin teilte ihrer Bank mit, dass sie eine etwaige Kontopfändung seitens des SWR bzw. Beitragsservices für rechtswidrig erachte und forderte diese daher auf, von möglichen Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.
Der Bank wiederum sind solche Bedenken einerlei und sie degradiert sich selbst zum braven Befehlsempfänger. Die ING Diba teilte ihrer langjährigen Kundin unter anderem mit: „Wir als Drittschuldner prüfen nicht, ob die geltend gemachte Forderung rechtmäßig ist. Die uns vorliegende Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist rechtsgültig. Bei der Zustellung einer Pfändung sind wir generell verpflichtet, diese im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen. Deshalb sind die von uns getroffenen Maßnahmen korrekt.“
Das mag im Allgemeinen natürlich stimmen, verleiht dem hier vorliegenden speziellen Fall aber dennoch einen mindestens faden Beigeschmack. Denn bei der „Pfändungs- und Einziehungsverfügung“ handelt es sich keineswegs um einen gerichtlichen Titel, sondern lediglich einen vom Beitragsservice selbst ausgestellten Festsetzungsbescheid.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Camilo Concha/ShutterstockBitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
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