ARD kassiert heimlich, still und leise die hohe »Wirksamkeit« von BioNTech Öffentlich-rechtliches Informieren in Zeiten von Corona

Ein Gastbeitrag von Gregor Amelung

Der Social-Media-Bereich der Tagesschau betreibt Accounts bei Facebook, Instagram, Youtube, Tiktok und Twitter. Darüber hinaus informiert man auf verschiedenen Messenger-Diensten wie etwa Telegram. Mit dieser breiten Aufstellung gelang es der Tagesschau Anfang 2020, sich an die Spitze des deutschen Social-Media-Rankings zu setzen. Ein wichtiger Pfeiler für diesen Erfolg ist der Onlinedienst Instagram.

Dort und auf tagesschau.de postete die Redaktion am 14. Mai 2021: »Nach der ersten Impfung wurden nach Daten des Gesundheitsministeriums rund 44.000 Covid-19-Fälle gemeldet. Das entspricht bei mehr als 28,5 Millionen Erstgeimpften etwa 0,15 Prozent.«

ARD verrechnet sich bei Infiziertenquote

Die »28,5 Millionen Erstgeimpften« bezogen sich sehr wahrscheinlich auf den RKI-Datenstand vom 12. Mai 2021 (28.516.504). Allerdings sind in ihm auch 8,3 Millionen (8.320.680) Personen enthalten, die zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Zweitimpfung erhalten hatten. Zieht man diese richtigerweise ab, erhält man durchaus andere Werte. Dann liegt die Infiziertenquote bei den reinen Erstimpfungen bei 0,22 Prozent (44.059 Fälle) und bei den Zweitgeimpften bei 0,16 Prozent (13.087 Fälle).

Ein Rechenfehler, der durchaus auch dem Schreiber dieser Zeilen unterlaufen könnte (und auch bereits bei reitschuster.de unterlaufen ist). Allerdings kann das wohl kaum der Maßstab für die Redaktion der Tagesschau sein.

»Wirksamkeit« nach der 1. Dosis halbiert sich fast

Auch bei der Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erlebt man beim ARD-Flaggschiff einen recht laxen Umgang mit Zahlen. Am 21. Februar 2021 hatte es bei tagesschau.de gelautet:

»Am Freitag war… bekannt geworden, dass der Impfstoff [von BioNTech] schon nach der ersten Dosis hochwirksam sei. Bereits zwei bis vier Wochen nach der ersten Spritze liege die Wirksamkeit bei 85 Prozent, hieß es in einer in der Fachzeitschrift ›The Lancet‹ veröffentlichten Untersuchung.«

Die Wirksamkeit des BioNTech-Impfstoffs lag also bei 85 Prozent nach der ersten Dosis. Einen Monat später (23.04.) las sich das schon anders: »Unabhängig vom Impfstoff – BioNTech/Pfizer oder AstraZeneca – sank das Risiko für eine Coronavirus-Infektion drei Wochen nach der Impfung … um 65 Prozent, wie die Universität [Oxford] mitteilte.« Weitere drei Wochen später (12.05.) erklärte dann der Faktenfuchs vom BR: »Laut einer israelischen Studie ist das Risiko, sich zu infizieren, zwei bis drei Wochen nach der Erstimpfung mit dem BioNTech/Pfizer-Impfstoff um 46 Prozent geringer.« Gleichlautendes erfuhr man auch auf tageschau.de.

Innerhalb von knapp drei Monaten hatte somit die Schutzwirkung des BioNTech-Vakzins deutlich abgenommen. Von beachtlichen 85 Prozent war es runtergegangen auf nur noch 46 Prozent. Die abhandengekommenen 39 Prozentpunkte waren der Tagesschau allerdings keine gesonderte Meldung wert. Nicht mal ein Hinweis ist zu finden, außer vielleicht ein Satz, der dem neuen 46-Prozentwert vorgelagert war. Dort hieß es: »Dass eine Impfung nicht zu 100 Prozent schützt, war von Anfang an bekannt.«

Nun, das ist wohl wahr. Weniger bekannt war allerdings bisher, dass 85, 65 oder 46 Prozent in der gleichen Prozent-Bundesliga spielen.

Die magische 95 nach der 2. Dosis wackelt ebenfalls

Aber diese Petitesse betrifft ja lediglich den begrenzten Personenkreis derer zwischen der ersten und der zweiten Impfdosis. Wesentlich für die Pandemie-Bekämpfung ist ja die Wirksamkeit nach der zweiten Dosis. Bezüglich des Vakzins von BioNTech hatte tagesschau.de bereits im November 2020 über dessen hohe Wirksamkeit berichtet. »Wirksamkeit von rund 95 Prozent« (20.11.2020), »95 Prozent Wirksamkeit« (22.12.2020), »95 Prozent Wirksamkeit« (29.01.2021), »95 Prozent wirksam« (17.02.2021), »verhindert … zu 95,8 Prozent eine Erkrankung an Covid-19« (21.02.2021). Noch standfester als bei der ARD war die 95er Marke beim ZDF. Dort hieß es: »BioNTech-Impfstoff zu 96 Prozent wirksam« (20.02.2021).

Umso überraschender war es, was man auf tagesschau.de einige Wochen später (01.04.) zu lesen bekam: »Der Impfstoff von BioNTech und Pfizer bietet auch neuen Daten zufolge einen hohen Schutz gegen Covid-19. Demnach liegt die Wirksamkeit im Untersuchungszeitraum von sieben Tagen bis sechs Monaten nach der zweiten Impfdosis bei 91,3 Prozent.« Bereits wenige Tage zuvor, am 29. März, hatte tagesschau.de über eine neue Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC berichtet, die »eine hohe Wirksamkeit von bestimmten Corona-Impfstoffen … bekräftigen« würde. Nach dieser »Bekräftigung« fiel dann kaum mehr auf, dass die Wirksamkeit der mRNA-Impfungen, zu denen auch das Produkt von BioNTech zählt, laut CDC bei »um 90 Prozent« liegen würde. Und dass eine neue israelische Studie zum Ergebnis gekommen sei, dass »der BioNTech/Pfizer-Impfstoff eine Übertragung von Sars-Cov-2 zu 89,4 Prozent« verhindern würde.

Damit hatte das Vakzin dann auch nach der zweiten Impfung innerhalb von fünf Monaten knapp 6 Prozentpunkte abgegeben, ohne dass man das medial an die große Glocke gehängt hätte.

Damit man in Zukunft von tagesschau.de darüber informiert wird, dass die Wirksamkeit des BioNTech-Vakzins abermals in einer Studie »bekräftigt« worden ist und dass sie aktuell bei 83 oder 78 Prozent liegt, muss möglicherweise nur ein bisschen Zeit vergehen. Zeit, in der die Zweitgeimpften Erfahrung mit dem Virus sammeln. Es ist allerdings auch möglich, dass sich BioNTech noch mal berappelt und auf die Marke von 95 Prozent zurücksprintet. Dann nämlich, wenn wir mehr impfen und weniger Geimpfte testen (weil wir ja die Ungeimpften testen müssen, um das Virus in Schach zu halten). Je nachdem wären dann vielleicht auch 96 oder 97 Prozent drin.

Übrigens, der Yale-Epidemiologe Harvey Risch interpretierte die ihm vorliegenden Daten aus den USA und Israel Ende April dahingehend, dass er von einer tatsächlichen Wirksamkeit der Covid-19-Vakzine von 50 bis 60 Prozent ausgeht.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
 

Der Autor ist in der Medienbranche tätig und schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: lupmotion/Shutterstock
Text: Gast

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