Von Sönke Paulsen
Fast hätte Olaf Scholz es geschafft, seinem Kontrahenten von der Union die legitime Merkelnachfolge abzujagen. Inzwischen aber wendet sich das Blatt und „Olaf der Schweiger“ mit der Raute wirkt von Tag zu Tag unglaubwürdiger. Das schlägt sich auch in den Wahlumfragen nieder, in denen Armin Laschet langsam aufholt. Sein Umfrageergebnis in NRW wird er wohl auch am Wahlabend erreicht haben. Das liegt bei 24 %. Bei Olaf Scholz ist es weniger sicher, dass er seine derzeitigen 25 % halten kann. Denn die Umfragen in den Bundesländern zeigen vor allem eines: Wer Ministerpräsident ist, hat meist die Nase vorn.
Die Frage, wie es sein kann, dass dieser Trend, die Partei des Ministerpräsidenten in den Bundesländern auch bei der Bundestagswahl zu wählen, so stark durchschlägt, ist nicht gestellt und nicht beantwortet. Allein – es stimmt: In Hamburg dominiert die SPD, in Brandenburg und Rheinland-Pfalz auch. In Niedersachsen hat die Union die Nase vorn und in den radikalen Bundesländern, NRW und Sachsen, wird sie nur von Grünen und AfD in den Schatten gestellt. In Hessen hat sie mit Volker Bouffier die Nase eindeutig vorn.
Vermutlich wählen die meisten Bürger mangels Vertrauen in die Bundespolitik die Partei, welche die Landespolitik zuhause dominiert, mit der sie vielleicht noch ein bisschen zufrieden sind.
Es gibt keine Umfragen zu diesem Thema, aber es liegt nahe, dass die derzeitigen Wahlumfragen in den Ländern vor allem eines signalisieren: Bundespolitische Rat- und Orientierungslosigkeit der Wähler.
Vielleicht steckt auch noch ein bisschen Rebellion darin. Denn die Kanzlerin hat mit Hilfe der großen Koalition die Länder in der Pandemie entmachtet und auf diese Weise viele sinnvolle Modelle im Umgang mit Corona gleich mit. Denn diese Modelle kamen aus den Ländern und Kommunen.
Vielleicht denken die Wähler inzwischen auch wesentlich föderaler als vor der Krise und erwarten sich vom Bund nichts Gutes mehr. Verstehen könnte man es.
Das Politikmodell, das am 26.9.2021 gewählt werden wird, könnte ein verstärkter Föderalismus sein und damit eine Klatsche für Merkels Zentralismus und die EU. Denn die Wähler könnten verstanden haben, dass sie ihre Interessen bestenfalls noch im eigenen Bundesland wählen können und nicht mehr ein oder zwei Ebenen darüber.
Es ist sehr zu hoffen, dass dieses Thema in den Wahlanalysen aufgegriffen und behandelt wird. Denn Deutschland scheint eine Absage an den nationalen und übernationalen Zentralismus zu erteilen.
Könnte sein, dass das nicht im Interesse Berlins ist.
Aber wer bitte ist Berlin??
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: ARD MediathekText: Gast