Frauke Petry, ehemalige AfD-Chefin und scheidende Bundestagsabgeordnete sendete per E-Mail an reitschuster.de ihre Einschätzung des Wahlergebnisses:
„Unabhängig davon, ob am Ende knapp die CDU oder die SPD stärkste Kraft wird, ist das bürgerliche Lager der große Verlierer. Weder die CDU noch die FDP waren personell auf die Zeit nach Angela Merkel vorbereitet. Noch schlimmer bei der AfD, die in diesem Wahlkampf weithin unsichtbar war. Sie hat ihre einstige Chance auf einen bürgerlichen Politikwechsel 2021 in den letzten vier Jahren endgültig verspielt.“ (aw, 21:28)
Fazit: Deutschland bekommt den Kanzler, der sich am meisten zurückgehalten hat, Lindner wird alles tun, endlich sein Ministerium zu bekommen und die Grünen bilden die Schattenregierung hinter der Regierung – notfalls mit EU- oder UN-Legitimation für jede einzelne Forderung – Ende der Veranstaltung. (aw, 21:17)
Und das war es dann fast. Alice Weidel will Fraktionschefin bleiben. Sie ist zufrieden mit dem Ergebnis. Und man spürt, dass sich die etablierten Parteien abgenutzt haben an der AfD – als dann noch aus Angst vor Rot-Rot-Grün die Linke angegriffen wurde, verlor man sich im Zweifrontenkrieg. (aw, 21:14)
Söder will nicht wieder „in den klassischen Schützengräben“ stecken bleiben. Aber was meint er? Will er wieder Kumpel sein mit Laschet und sich den Grünspan von heute auf morgen runterrubbeln? (aw, 21:12)
Lindner labert sich eine Kanne Milch und bittet die anderen einen Kakao zu mischen, durch den er sich dann selbst ziehen will – ein Trauerspiel des Ich-will-Minister-sein! (aw, 21:08)
Annalena Baerbock betont einmal mehr, dass die nächste Regierung eine Klimaregierung sein muss. Es ist den Grünen jetzt egal, ob sie die Kanzlerin selbst stellt oder dem Kanzler der anderen seinen Handlungsbedarf diktiert. (aw, 21:07)
Laschet will sondieren. Er glaubt, dass es formal länger dauert mit der Regierungsbildung und wirkt dabei wie Trump, als der die Wahl anzufechten gewillt war. (aw, 21:04)
Schlussrunde: Scholz soll sagen, ob er schon eine Neujahrsansprache halten will. Er sagt zu, verhindern zu wollen, dass das Merkel nochmal machen muss. (aw, 21:02)
Es ist nicht zu fassen: Es gibt keinen Streit. Keine gegenseitigen Vorhaltungen, nichts. Jeder kann mit jedem und Alice Weidel schaut sich das an, weiß sie doch um die vernichtende Wirkung dieser Veranstaltung – die Machtgier hat die politische etablierte Klasse vernichtet wie die Opiatsucht die Mittelschicht im ländlichen Amerika. (aw, 21:00)
Laschet kämpft wie ein Löwe um die Liebe von Lindner und Baerbock – aber er wirkt dabei nur wie ein zahnloser Schmusekater. Laschet hat sich bemüht, er hat sich angestrengt, er hat viel gegeben – jetzt soll er noch eine Zugabe geben, auch ohne den Applaus der Wähler – unmöglich. (aw, 18:55)
Baerbock legt los, was alles zu machen ist. Und Lindners Gesichtsausdruck zeigt nicht nur, wie er darunter leidet, es zeigt vor allem auch, dass er bereit dazu ist. (aw, 20:52)
Laschet spricht vom Reiz „unterschiedlicher gesellschaftlicher Strömungen“ in der Zukunft, während er über Wochen Millionen Wähler ausgegrenzt und den gesamten Osten zu Asozialen erklärt hat – Glaubwürdigkeitsfaktor jetzt gleich ganz gegen Null gefahren. (aw, 20:38)
Was für ein müdes Elefäntchenründchen – schon nach der Hälfte der Sendung gehen fast die Fragen aus. Deutschland wird vom potentiellen Führungspersonal nicht mehr ernstgenommen – hat Merkel über Jahre gewonnen? (aw, 20:36)
Alice Weidel macht klar, dass die AfD zweistellig ist mit „solider Stammwählerschaft“. Und wenn man das Ergebnis von Freie Wähler und die Basis bereinigen würde, wäre man sogar auf der Gewinnerseite. (aw, 20:31)
Lindner will als erstes mit den Grünen sprechen, um dann gemeinsam Union und SPD zu bemühen. Grün-Gelb empfindet sich schon auf der Regierungsbank. (aw, 20:30)
Lindner kann es kaum aushalten – die Rolle des Königsmachers wirkt beim FDP-Chef, scheints, wie eine Testosteronpeitsche. (aw, 20:28)
Annalena Baerbock soll sagen, warum sie trotz Klima- und Flutkatastrophe nicht Kanzlerin werden wird. Baerbock erneuert dennoch, dass die nächste Regierung eine Klimaregierung werden muss – unabhängig davon, wer am Ende regiert. (aw, 20:25)
Berlins Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, die beste Chancen hat, Regierende Bürgermeisterin zu werden, kündigt Revolutionäres an: Unter anderem soll Berlin das Klima retten und eine Verkehrswende machen: „Es geht darum, diese Stadt umzubauen, so umzubauen, dass sie die grüne Hauptstadt wird.“ Die Welt retten, aber keine Wahllokale organisieren können – es fehlten Wahlzettel und es gab riesige Warteschlangen. Bizarr. (br, 20:18)
Einen Aspekt dieses Wahlabends hat bislang offenbar noch kaum jemand im Visier: Viel spricht dafür, dass sich die Koalitionsverhandlungen nach dem heutigen Wahlergebnis hinziehen. Und damit Merkel länger Kanzlerin bleibt. (br, 20:04)
Christian Lindners FDP im ZDF bei 11,7 Prozent. Lindner: „Die FDP ist gestärkt“. Es hätte von der CDU eine Kampagne gegen die FDP gegeben, fantasiert Lindner, der eine Legislatur lang eine Kampagne gegen AfD und Die Linke als Oppositionsarbeit verkaufen wollte. Lindner will Jamaika, meint er. Warum er das 2017 nicht wollte, erklärt er so: Er möchte mit der Union zusammen fairer mit den Grünen umgehen, als die Union 2017 gemeinsam mit den Grünen mit der FDP umgegangen sei. Äm, was? Darf man das Schwätzen nennen? Man muss sogar. (aw, 19:45)
Im ZDF wird der Abstand zwischen Union und SPD geringer, die AfD solidiert sich Richtung 11 Prozent und die Linke muss weiter zittern. (aw, 19:33)
Der größte Verlierer ist zweifellos die Linke. Sie wurde in den letzten Wochen zum Hauptfeind des bürgerlichen Lagers erklärt. Union und die Grünen haben in den 14 Tagen vor der Wahl die Linke noch massiv torpediert – die einen offen, die anderen verdeckt. Aber schwierig war das nicht. Wer meint, auf Sahra Wagenknecht verzichten zu können, der muss jetzt möglicherweise sogar im Bundestag pausieren. (aw, 19:23)
Jörg Meuthen soll erklären, warum man nicht von der Pleite der CDU profitieren konnte. Wie man allerdings den enormen Gegendruck des polit-medialen Komplexes ohne große Verluste zum Ergebnis von 2017 abfedern konnte, dafür vergisst er die Lorbeeren einzufordern, spricht von „keinem großen Sieg“. (aw, 19:19)
Robert Habeck will die Macht für die Grünen – aber er hält sich alles offen: „Es kann auch unter der Führung der CDU passieren“ – Baerbock ist als Ideengeberin schon abgeräumt, Vergangenheit. (aw, 19:16)
Offensichtlich große Erleichterung bei Robert Habeck, dass der Baerbock-Spuk ihrer Kanzlerschaft abgeräumt ist – und Annalena Baerbock betont mehrfach die Gemeinsamkeit mit Habeck – aber sie wird schon das Wetzen der Messer gehört haben. Jetzt ist Habecks Stunde. Und man merkt Baerbock an, dass sie weiß, was diese Stunde geschlagen hat. (aw, 19:11)
CDU und SPD jeweils über 200 Sitze. Der Bundestag insgesamt wird mit einer neuen Rekordzahl an Abgeordneten seine Arbeit aufnehmen, der chinesische Volkskongress bekommt also ernsthafte Konkurrenz aus Europa. (aw, 19:05)
ZDF heute eröffnet die Wahlsendung mit dem salbungsvollen Satz: „Ein Feiertag der Demokratie“. (aw, 19:02)
Die Wahlprognosen unterscheiden sich deutlich zwischen ARD und ZDF. Das war allerdings schon öfter so in der Vergangenheit. Da allerdings haben die Sender sich gegenseitig gespiegelt. Auf beiden Kanälen wurden beide Ergebnisse sichtbar. Hat man sich von diesem Angebot neuerdings getrennt? (aw, 19:00)
Laut den Hochrechungen haben die „Anderen Parteien“ acht Prozent. Vielleicht habe ich versäumt, dass sie aufgeschlüsselt wurden bei der ARD. Aber oft geschah das nicht. Insbesondere auch die Freien Wähler, denen Wahlprognosen bis zu vier Prozent bescheinigten, wurden noch nicht genannt (wenn ich es nicht verpasst habe). Acht Prozent der Wähler, allesamt Gebührenzahler, die die ARD einfach ignoriert. Bitter. (br, 18:58)
Im Götterdämmerungsstimmung im Konrad-Adenauer-Haus. (aw, 18:53)
Armin Laschet erinnert in seinen ersten Worten an Angela Merkel und „16 gute Jahre“ – anhaltender Applaus. Und Laschet erinnert an den fehlenden Amtsbonus für ihn. Spricht von einem „Kopf-an-Kopf-Rennen“. (aw, 18:52)
Ingo Zamperoni hält Wagenknecht in der ARD vor: „Sie sind ja inzwischen eine der heftigsten Kritikerinnen Ihrer Partei.“ Die Linken hätten sich wegentwickelt von dem, wofür sie gestanden haben – eine Interessenvertretung für die einfachen Bürger zu sein: „Wir sollten jetzt nicht wieder auf äußere Faktoren sehen, sondern auf uns selber.“ Und auf das, was man selbst falsch gemacht habe. (br, 18:43)
„Haben Sie die falschen Akzente gesetzt?“, wird die Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow gefragt in der ARD, ob man Sahra Wagenknecht vernachlässigt habe. Die Parteichefin weicht der Frage geschickt aus. Meine persönliche Einschätzung: Mit Wagenknecht an vorderster Front statt der drögen Funktionärin und ähnlichen blassen Kadern wären die Linken zweistellig geworden. (br, 18:34)
„Es wird noch gewählt in Berlin, es hat große Probleme mit den Stimmzetteln gegeben“, wird in der ARD verkündet. Aktuell um 18.25 Uhr stünden noch Wähler vor Wahllokalen, obwohl diese eigentlich schon geschlossen sein müssten. Man warte auf die Wähler. Besonders brisant: Die Parteien, die es zu verantworten haben, dass man nicht mal genügend Wahlzettel in den Wahllokalen vorrätig hatte, wurden offenbar in der Regierung bestätigt. (br, 18:29)
Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch ist in der ARD sichtbar enttäuscht. Man müsse jetzt diverse Fragen analysieren. Er gesteht selbst ein, dass die Partei nicht mehr als Interessenvertretung des Ostens wahrgenommen werde. Sahra Wagenknecht, bislang in der Parteiführung verhasst, baut Bartsch eine Brücke. Man müsse sich das, was sie sage, genau ansehen, sagt er sinngemäß. (br, 18:25)
Massiv irritierend, dass die Balken möglicher Koalitionen im ZDF grün sind. Die unfreiwillige Ironie ist am stärksten, wo SPD und CDU koalieren. Grüner wird’s auch hier nicht. (aw, 18:25)
Ingo Zamperoni versucht in der ARD nicht einmal den Eindruck zu erwecken, journalistisch neutral zu sein, als er AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel interviewt. Seine Freude über das in seinen Augen schlechte Abschneiden der Partei verhehlt er kaum. Weidel spricht das dann auch vor laufender Kamera an. (br, 18:22)
CSU reißt 33 Prozent in Bayern – das schlechte Ergebnis reicht für Jubel in München. Die CSU spricht von einem „Fotofinish“ mit der SPD – kann man sich nicht weiter runterrechnen? Auch die CSU redet jetzt vom erreichten Wahlziel Rot-Rot-Grün verhindert zu haben. 2017 ging es noch darum, die AfD zu verhindern. So ändern sich die Zeiten. (aw, 18:17)
Die FDP freut sich riesig über ein klar zweistelliges Ergebnis in Folge, das hatte es in der Geschichte der Bundesrepublik bisher noch nicht gegeben.
Ziemiak liefert schon jetzt den Brüller des Abends: „Wir haben ein Credo: erst das Land, dann die Partei“. (aw, 18:11)
Absolute Stille im Konrad-Adenauer-Haus. (aw, 18:09)
Linke massiver Wackelkandidat mit 5 Prozent in der Prognose. (aw, 18:03)
SPD und CDU zusammen 50 Prozent. (aw, 18:00)
Das ZDF erinnert daran, dass die Grünen als kleinste Kraft 2017 in den Bundestag eingezogen waren – davon, dass auch das ZDF hier massiv daran mitgetan hat, diese miesen Werte hochzupeitschen – natürlich keine Rede. (aw, 17:57)
Glaubwürdigkeit der Kanzlerkandidaten Laschet, Scholz, Baerbock 12, 29 bzw. 14 Prozent. Das ist insgesamt desaströs für jeden einzelnen Kandidaten. (aw, 17:50)
ZDF: „Die Ära Merkel geht zu Ende – irgendwann.“ Merkels Ende macht auch das ZDF nervös, man will es kaum glauben. (aw, 17:47)
Heute werden die Weichen gestellt für die Zukunft der Bundesrepublik. Gemeinsam mit Alexander Wallasch informiere ich Sie im Live-Ticker über die aktuellen Entwicklungen und Trends. (aw, 17:46)
Deutschland 2021: Riesen-Aufregung, dass die Wahlkreuze des CDU-Kandidaten sichtbar wurden. Kaum Aufregung, dass unter dem SPD-Kandidaten Milliarden verschwunden sind.
Parallel-Universen in den (sozialen) Medien.#Wahlbeteiligung— Boris Reitschuster (@reitschuster) September 26, 2021
Hallo und herzlich willkommen zum Wahlticker 2021. In meinen Augen ist die heutige Wahl eine Schicksalswahl – wie ich ausführlich beschrieben habe (siehe hier). Nein, nicht weil ich die illusorische Hoffnung auf ein Wahlergebnis hätte, das die verhängnisvollen Entwicklungen in Deutschland stoppen könnte. Sondern weil es in meinen Augen um die Geschwindigkeit auf dem Weg in den Abgrund geht. Ja, das ist keine rosige Perspektive. Aber eben leider doch sehr wichtig.
Bild: Screenshot ARD 26.09.2021
Text: br