Von Alexander Wallasch
#allesdichtmachen … Da war doch was? Genau, denn so schnelllebig sind die Zeiten dann doch nicht, als dass man sich nicht erinnern würde. Einzig die Bundestagswahl könnte als eine Art Zeitenwende zukünftig viele Ereignisse in davor und danach passiert einteilen.
Mit #allesdichtmachen setzten sich Ende April 2021 über fünfzig Schauspieler und Regisseure satirisch ironisch mit den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung auseinander und trafen wohl einen Nerv, so aggressiv diffamierend jedenfalls, wie sich die Kritik des polit-medialen Komplexes gerierte.
Mehr als die Hälfte der Akteure knickte später unter dem Druck ein. Die wohl berechtigte Angst um ein Auskommen in der staatlich bzw. öffentlich-rechtlich intensiv subventionierten Branche sorgte für eine Reihe von Abbitten.
Ihre Videos wurden gelöscht – einige distanzierten sich von ihrer Arbeit, andere blieben bei ihrer regierungskritischen Haltung, wollten aber ihre Videos nicht mehr zur Debatte stellen – unter ihnen so prominente Darsteller wie Meret Becker, Heike Makatsch und Richy Müller.
Eine Reihe von Ärzten und Medizinern solidarisierte sich später mit den Schauspielern.
Mit dem Begehren der Regierung, bald auch Kinder zu impfen, flammten die künstlerischen Proteste vor wenigen Wochen wieder auf, ein Film in Spielfilmlänge wurde auf Youtube veröffentlicht. Dieses Mal engagierten sich prominente Köpfe wie der Filmemacher Til Schweiger, der hier sehr persönlich wurde und freimütig von Impffolgen (Schweinegrippe) einer seiner Töchter erzählte.
Aber auch für einige Akteure von #allesdichtmachen war ihr Protest gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung nach der Schmutzkampagne gegen die Videos noch lange nicht vorbei:
Ihr neuestes Projekt heißt #allesaufdentisch. Hier geht es nicht mehr um eine ironische Betrachtungsweise, dieses Mal treten die Protagonisten in neuen Videos jeweils in einen Dialog mit kritischen Experten und Wissenschaftlern, die in der Debatte bisher wenig oder gar kein Gehör gefunden haben:
Mit zunehmender Sorge beobachten wir die Entwicklung des politischen Handelns in der Corona-Krise. Viele ExpertInnen wurden bisher in der öffentlichen Corona-Debatte nicht gehört. Wir wünschen uns einen breitgefächerten, faktenbasierten, offenen und sachlichen Diskurs und auch eine ebensolche Auseinandersetzung mit den Videos.
Kritische Schauspieler sprechen mit kritischen Wissenschaftlern
Schauspieler Volker Bruch beispielsweise spricht mit Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Michael Meyen über Faktenchecker als Medienpolizei und Wotan Wilke Möhring geht in den Dialog mit dem Anwalt Joachim Steinhöfel, schwerpunktmäßig über Meinungsfreiheit und die Arbeit des bekannten Anwalts.
Ersteres Video wird kommentierend so begleitet:
Faktenchecker sind Propagandamaschinen, die sich als Journalismus verkleiden. Das gilt auch für den Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunks oder den Faktenfinder der Tagesschau, die es nur gibt, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht den Pluralismus liefert, für den wir ihn eigentlich bezahlen.
Und zum Gespräch mit Anwalt Steinhöfel findet sich folgender Textkommentar als eine Art Text-Teaser zum Video:
Mit dem höchst schwammigen Begriff „Hassrede“ wird das überlebenswichtige Grundrecht der Meinungsfreiheit attackiert. Ein WDR-Rundfunkrat fordert die Kündigung von Jan Josef Liefers und Ulrich Tukur, weil sie es wagten, eine Meinung zu haben. Diese Entwicklungen müssen entschlossen bekämpft, die Täter beim Namen genannt werden. Denn ohne Meinungsfreiheit ist alles nichts.
Auch in diesem zweiten Durchgang nach #allesdichtmachen lässt die Häme der Alt-Medien nicht lange auf sich warten. So leitetet die Frankfurter Rundschau ihre Berichterstattung so ein:
„Erst wollten sie ‚alles dicht machen‘. Nun soll ‚alles auf den Tisch‘. Hier lesen Sie nach und nach, was sich die Corona-Kritiker:innen in ihren Videos zurechtschwurbeln.“
Und das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) eilt der Regierung mit einer Art privatem Faktenscheck zur Hilfe, gleich als Überschrift: „Impfen, Kinder, Virusursprung: Sechs Punkte, in denen die Macher von #allesaufdentisch irren“. In den Videos, so berichtet das private Netzwerk, ginge es „mal mehr, mal weniger sachlich zu“.
Wie weit sich das RND selbst bereits von einem journalistisch-ethischen Konsens verabschiedet hat, mag u.a. dieser Satz aus besagtem Artikel belegen: „Problematisch ist dabei, dass viele der Interviewten verkürzte Ansichten statt wissenschaftlichen Konsens wiedergeben.“
Geht es verschwurbelter? Selbstverständlich muss hier, schon dem Format geschuldet, verkürzt wiedergegeben werden – die Gespräche wollen auch Anregungen zum Selberdenken sein, ein Kick-Off hin zu einem offenen Dialog.
Der Verweis auf den wissenschaftlichen Konsens durch das RND ist dann bereits der kaum dezente Hinweis auf ein Sprechverbot. Wer noch Debatten führen will außerhalb des Regierungskurses, der bewegt sich außerhalb des Konsenses, der ist – na klar – schon Corona-Leugner.
Ein anderes Triell: Diffamierung, Diskreditierung, Denunziation
Dieses System der Diffamierung hat sich bereits bewährt bei der Klima-Debatte, wo, wer der etablierten Haltung widerspricht, zum Schlimmsten der Schlimmen gehört: Zu den Klima-Leugnern.
Nicht zu vergessen: Corona-Leugner wie Klima-Leugner sind die engen Verwandten der Auschwitz-Leugner. Das jedenfalls wird hier suggeriert. Und u.a. auch dagegen begehren Prominente auf, geben nicht auf, sich für die freie Debatte freier Bürger einzusetzen.
Abschließen soll hier noch ein Rückblick auf die Bundeskanzlerin: Angela Merkel sagte noch Ende 2019, sie halte die Behauptung für „Unsinn“, dass man seine Meinung nicht mehr sagen könne. Es gäbe kein Recht auf Zustimmung von allen Seiten.
Und die Bundeskanzlerin erinnerte hier explizit an 1989, als in der DDR plötzlich so viele Menschen in der Lage gewesen wären, sich „klar und deutlich in die gesellschaftliche Debatte einzubringen“. Es bräuchte heute wieder mehr Menschen, die sich „in die Diskussion über die Zukunft ‚konstruktiv‘ einbringen“.
Die Bedeutung dieser Aussagen muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Es gibt zwei Interpretationsangebote: Die Bundeskanzlerin verglich hier entweder ihre Regierungsarbeit selbst indirekt mit dem Regime der DDR oder sie wollte – was wahrscheinlicher erscheint – sagen, dass es schon Verhältnisse wie in der DDR bräuchte, um überhaupt ein Recht zu haben, sich regierungskritisch zu äußern und dann aber bitteschön „konstruktiv“ wie damals in der DDR.
Selbsternannte Experten reichen den Alt-Medien an
Die etablierten Medien sind sich weitestgehend einig, was von #allesaufdentisch, was von der neusten Aktion der Künstler zu halten ist: Die Sächsische Zeitung zitiert einen „Experten für Verschwörungstheorien“ (Wie wird man das?). Und der befindet für das Blatt, die Aktion sei ein „schädliches Narrativ“.
Über die Schauspieler und Künstler würden sich „wissenschaftliche Minderheitenmeinungen über die Pandemie-Leugner-Szene hinaus“ verbreiten, diese würden als Mehrheitspositionen dargestellt. „Durch einen wissenschaftlichen Anschein werden die Beiträge aufgewertet.“
Geht es eigentlich noch diffamierender? Aber so eine Diffamierung kann auch nach hinten losgehen: Denn eine gewichtigere Berechtigung für die Aktion der Künstler im Gespräch mit Wissenschaftlern kann es ja kaum geben.
Was allerdings noch aussteht, dürfte eine viel umfangreichere Debatte sein um diese denunziatorische Arbeit solcher Blätter wie der Sächsischen Zeitung, die an viel düsterere Zeiten im wunderschönen Sachsen erinnert.
Zuletzt noch ein Blick in eines der Videos: Kommunikationsexperte Prof. Dr. Michael Meyen sagt im Gespräch mit Volker Bruch (u.a. „Babylon Berlin“) über selbsternannte Faktenchecker:
Wie mächtig diese Faktenchecker sind, kann man am Beispiel Wolfgang Wodarg, glaube ich, ganz gut nachvollziehen: Da kommt der Aufschlag zur Vernichtungskampagne gegen Wolfgang Wodarg von Correctiv im März 2020. Und die Leitmedien schreiben dann mehr oder weniger ab in den nächsten ein, zwei Tagen, was Correctiv in diesem – in Anführungszeichen – „Faktencheck“ über Wolfgang Wodarg vorgegeben hat.
Hier wurde, so Meyen, von jungen Journalisten die Arbeit von gestandenen Wissenschaftlern einfach in die Tonne getreten. Dasselbe Schicksal blüht nun auch gestandenen Schauspielern, die diese Wissenschaftler in ihren Gesprächen zurück auf die Debattenbühne geholt haben.
Wer dem etwas entgegensetzen oder sich informieren will, der schaut sich diese Filme einfach an und bildet sich eine Meinung – so wie man es früher getan hat: Aus einer Vielfalt der Standpunkte heraus.
Hier die Beiträg von Wotan Wilke Möhring mit Joachim Steinhöfel und Volker Bruch mit Prof. Dr. Michael Meyen:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: Screenshot #allesaufeinentischText: wal