Es hatte fast etwas von einem Familientreffen: Der neue Sprecher der Bundesregierung und Nachfolger von Steffen Seibert, Steffen Hebestreit, war nicht nur früher selbst Mitglied der Bundespressekonferenz. Er gehörte auch deren Vorstand an und leitete selbst Pressekonferenzen. Der aktuelle Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Mathis Feldhoff vom ZDF, und der Ex-Kollege, der früher bei der linkslastigen »Frankfurter Rundschau« arbeitete, duzen sich denn auch entsprechend. Die geradezu freundschaftliche Atmosphäre wurde bei der ersten Pressekonferenz mit dem neuen Kanzler-Sprecher am Montag auch nicht durch mich im Saal gestört – dort herrscht jetzt 2G. Und auch Online-Fragen von mir konnten der Harmonie keinen Abbruch tun – sie wurden schlichtweg ignoriert und nicht vorgelesen. Schöne neue Pressekonferenzen-Welt.
Am Dienstag Mittag findet in der Bundespressekonferenz ein nicht-öffentliches Briefing mit Hebestreit statt. Weil der Vorstand im Saal 2G eingeführt hat, und bei diesem Format auch keine Möglichkeit zur Online-Teilnahme besteht, ist ein Teil der Mitglieder ausgeschlossen. Und faktisch werden so auch meine Leser ausgeschlossen von wichtigen Informationen. Und vom Fragen.
Im VIDEO: Wie der neue Regierungssprecher mit kritischen Fragen umgeht:
Boris Reitschusters aktuelles Bundespressekonferenz-Video – diesmal exklusiv auf GETTR.
Hier ein Auszug aus meinem aktuellen Wochenbriefing – das Sie hier kostenlos abonnierten können:
Es war eine Szene, die mir nicht geheuer war, und bei der es mir eiskalt den Rücken herunterlief. Mitten in Berlin, in der Wilmersdorfer Straße. Ich war in einem Laden, um mir Brot zu kaufen. Es war nur eine Verkäuferin am Tresen, die anderen waren fast schon demonstrativ mit anderen Dingen beschäftigt. So bildete sich hinter mir eine kleine Schlange. Plötzlich hörte ich hinter mir einen Mann mit nervöser, fast schreiender Stimme: „Gehen Sie raus, hier sind nur sechs Leute zugelassen, sie sind der Siebte“. Ich drehte mich um, sah einen älteren Mann, mit rotem Kopf, und einen anderen, der wieder nach draußen ging. Betroffene Stille. Ich schüttelte den Kopf und wechselte mit dem Getadelten durch die Glastüre ein paar Blicke.
Als einer der anderen Kunden den Laden verließ und der Gemaßregelte wieder in die heiligen Hallen durfte, empfing ich ihn mit folgenden Worten, absichtlich laut, damit es auch der Freizeit-Polizist hinter mir hören konnte: „Wissen Sie, das Virus ist mathematisch begabt, es springt erst ab dem siebten Menschen über, bei sechs Menschen traut es sich das nicht!“ Man muss dazu sagen, dass der Verkaufssaal groß und geräumig ist – selbst zwanzig Menschen würden dort nicht so eng zusammen stehen wie in der U-Bahn zur Stoßzeit.
Der gerade Hereingekommene zwinkerte mir zu: „Sie sind doch der, der in der Bundespressekonferenz die kritischen Fragen stellt, der Reitschuster. Machen Sie weiter so!“ Plötzlich kläffte es wieder von hinten, der Freizeitpolizist meldete sich wieder: „Zu blöd, um die Maske richtig aufzusetzen, ziehen Sie sie gefälligst höher über die Nase“. Ich war mir keines Maskenverstoßes bewußt. Das mag auch daran liegen, dass ich viel in Osteuropa bin und es dort niemanden interessiert, wie jemand seine Maske auf hat. Hauptsache, sie ist irgendwo im Gesicht. Und auch, wenn jemand gar keine Maske trägt, interessiert das in der Regel niemanden. Für den gemeinen Osteuropäer ist es unter seiner Würde, den Sitz der Maske seines Mitmenschen zu prüfen oder gar zu monieren. Die Menschen dort haben generell eher keine Freude daran, andere zu kontrollieren. Das gilt als verpönt.
Bild: Screenshot BPK/Ekaterina QuehlText: br
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