Todenhöfer: „Ist unser Land wirklich noch eine lupenreine Demokratie?“ "Die Parteien dürfen die Demokratie nicht länger fast totalitär beherrschen"

Wer Zweifel am Funktionieren der Demokratie in Deutschland öffentlich äußert, muss mit massiver Diffamierung rechnen. Insbesondere damit, in die „rechte Ecke“ gestellt zu werden – der neuen Form des Rufmords im selbsterklärten „besten Deutschland aller Zeiten“. Umso erstaunlicher, dass nun der Buch-Autor und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer auf seiner Facebook-Seite ganz offen solche Zweifel äußert. Die sieben Punkte, die er aufführt, halte ich für so bemerkenswert, dass ich sie hier gerne dokumentiere:

Sieben Beweise für die schleichende Degeneration unserer Demokratie:

  1. Laut Grundgesetz „geht alle Staatsgewalt vom Volk aus“. In Deutschland aber geht alle Staatsgewalt von den Parteien aus. Obwohl das Grundgesetz den Parteien nur eine „Mitwirkung bei der politischen Willensbildung“ des Volkes gestattet. 
  2. Wie schamlos die Parteien ihre Macht missbrauchen, zeigt sich daran, dass CDU/CSU und SPD im Hauruckverfahren die „staatliche Parteienfinanzierung“ von bereits sagenhaften 165 Mio. Euro auf abenteuerliche 190 Mio. Euro erhöht haben. Das Bundesverfassungsgericht wird sich demnächst mit dieser beschämenden Selbstbedienung der Parteien befassen müssen.
  3. Die Präambel unseres GG verpflichtet „das deutsche Volk, dem Frieden der Welt zu dienen“. Stattdessen schicken die Parteien des Bundestages die Bundeswehr in immer neue sinnlose Kriegseinsätze. Laut dem langjährigen Chef der Rechtsabteilung des BMVg Weingärtner biegt sich die Bundesregierung die verfassungsrechtlichen Grundlagen eines Militäreinsatzes notfalls einfach zurecht. Wie etwa beim Antiterror-Einsatz in Syrien und im Irak, für den es bis heute kein Mandat des UN-Sicherheitsrats gibt. 
  4. In Art. 1 Abs. 2 GG steht, dass sich das Deutsche Volk zu den „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ bekennt. Das tut unsere Demokratie leider nur mit Worten. Immer wenn sie mit ihren Kriegen Menschen anderer Kulturen tötet oder verwundet, behaupten unsere Berufsheuchler, sie täten das, um Menschenrechte und Demokratie durchzusetzen. Die Grundwerte unserer Demokratie werden als Waffe gegen andere Völker missbraucht. 
  5. Power to the people! Deutschland braucht echte Volksabstimmungen. Doch leider sind bei uns direkte Volksentscheide wie in der Schweiz über wichtige Fragen unseres Landes wie Klimapolitik, Rentenpolitik, Krieg und Frieden nicht vorgesehen, obwohl „alle Staatsgewalt“ doch angeblich „vom Volk ausgeht“. 
  6. Damit das Volk eine Chance hat, vernünftig über die großen Fragen unseres Landes zu entscheiden, müssten unsere Medien die Bevölkerung offener und ehrlicher informieren. Als „vierte Macht im Staat“. Wichtig wäre hierfür eine verfassungsrechtliche Stärkung der Rolle der einzelnen Journalisten. Bisher ist nur die Meinungsfreiheit der „Medienhäuser“ vor staatlichen Eingriffen geschützt, nicht aber die Freiheit des einzelnen Journalisten vor Eingriffen seiner Chefredaktion und seines Verlegers. 
  7. Politische Bewegungen, die die Politik der herrschenden Parteien in wichtigen Punkten ablehnen, werden von den Parteien dämonisiert und kriminalisiert. Die „Querdenker“ etwa werden inzwischen sogar vom Verfassungsschutz beobachtet. Ich teile die Auffassungen der „Querdenker“ nicht und habe das zahllose Male öffentlich deutlich gemacht. Aber dass in einer Demokratie „Querdenker“ als Verfassungsfeinde diskriminiert werden, ist ein Verstoß gegen das in Artikel 5 festgelegte demokratische Grundrecht der Meinungsfreiheit. Und damit undemokratisch.

Die Koalitionsverhandlungen haben sich mit 1.000 Einzelheiten befasst. Mit den Grundelementen einer volksnahen, lebendigen Demokratie befassten sie sich nicht. Ist unser Land wirklich noch eine lupenreine Demokratie? Manchmal könnte man denken, dass es sich eher sich zu einer volksfernen, oft heuchlerischen und leider auch korrupten Parteiendemokratie entwickelt.

Wer wie ich echte Demokratie für die beste Staatsform unseres Landes hält, muss diese Fehlentwicklung bekämpfen. Die Parteien dürfen die Demokratie nicht länger fast totalitär beherrschen und den direkten Einfluss des Volkes immer weiter zurückdrängen. Wir brauchen eine volksnähere Demokratie. Unsere Politiker scheint das nicht zu interessieren. Je ohnmächtiger das Volk ist, desto mächtiger sind sie.

Die volksferne Parteiendemokratie wird von der Bevölkerung nur so lange ertragen werden, wie sie ihr Wohlstands- und Sozialstaatsversprechen halten kann. Da das schon längst nur noch mit steigenden Schulden gelingt, sieht die Zukunft unserer Demokratie nicht rosig aus. Die nächste große Krise, bei der die Parteien erneut so kläglich versagen wie zuletzt, könnte die „Demokratie“ hinwegfegen. Weimar kommt immer näher. Das aber ist genau das, worauf die rechten Parteien warten.

 

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Bild: Shutterstock
Text: br

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