Von Mario Martin
Sind Geimpfte besser vor einer Infektion geschützt als Genesene? Dieser Frage wurde im Rahmen einer am 25. Januar veröffentlichten CDC-Studie nachgegangen.
Die in den Vereinigten Staaten an etwa 1,1 Millionen Menschen durchgeführte Kohortenstudie zeigt Ergebnisse zur Wirksamkeit der Impfung im Vergleich zur Genesung.
Da die Studie zwischen dem 30. Mai und 30. November 2021 durchgeführt wurde, gelten die folgenden Ergebnisse in erster Linie für die damals dominante Delta-Variante und die vorherigen Varianten.
Genesung ist der Impfung überlegen
Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass Menschen die genesen, aber nicht geimpft waren, besser gegen die Infektion mit der Delta-Variante geschützt waren als diejenigen, die geimpft, aber nicht genesen waren.
Die Wissenschaftler schreiben: “Als die Prävalenz der Delta-Variante auf > 95% anstieg, stiegen die Ansteckungsraten in der geimpften Gruppe ohne vorherige COVID-19-Diagnose schneller an als in der geimpften und ungeimpften Gruppe mit einer vorherigen COVID-19-Diagnose.”
Als sich die Delta-Variante verbreitete, wuchsen die Ansteckungsraten bei der geimpften/nicht-genesenen Gruppe im Vergleich zur nicht-geimpften/genesenen Gruppe schneller an. Ein Zeichen, dass die Genesung einen wirksameren Schutz bietet.
Die folgende Grafik zeigt den Verlauf der Verbreitungsrate für die verschiedenen Kohorten in Abhängigkeit des Impfstatus und des Genesenenstatus. Wie immer sei darauf verwiesen, dass die Verbreitungsrate anhand der Inzidenz bestimmt wird. Die Studie wurde in New York und Kalifornien durchgeführt. Beides Bundesstaaten, die vergleichsweise strikte Corona-Maßnahmen verhängten. Damit ist auch wahrscheinlich, dass sich ungeimpfte Menschen in diesen Bundesstaaten öfter testen lassen (mussten), was vermutlich automatisch zu einer höheren Inzidenz in dieser Gruppe führte.
Die blaue Kurve der ungeimpften Personen soll hier nicht im Mittelpunkt stehen, sondern wir schauen auf die drei flachen Kurven. Blau-gestrichelt steht für die Kombination geimpft/nicht genesen, schwarz-gestrichelt für geimpft/genesen und blau-gepunktet für ungeimpft/genesen.
Zuerst fällt auf, dass die Verbreitungsrate bei Genesenen generell niedriger liegt als bei Menschen ohne vorherige Infektion, unabhängig vom Impfstatus. Also sehen wir hier die grafische Bestätigung des oben zitierten Ausschnitts der Arbeit.
Schauen wir nun genauer hin, sehen wir, die blau-gepunktete Kurve verläuft fast deckungsgleich zur schwarz-gestrichelten.
Somit spielt es laut dieser Studie für genesene Menschen bereits bei Delta so gut wie keine Rolle, ob sie vorher geimpft wurden oder nicht. Die Abweichung ist kaum wahrnehmbar.
Forscher warnen davor, auf Impfung zu verzichten
Dennoch warnen die Forscher, man solle sich als Immunisierungsstrategie nicht auf das natürlich Immunsystem verlassen, falls man vorher nicht mit COVID-19 infiziert war.
Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Forscher hier sagen, Genesene können sich eben doch auf ihren Immunschutz verlassen.
Ungeimpfte Nicht-Genesene haben im Vergleich zu geimpften Menschen ein höheres Risiko für Krankenhausaufenthalte, Langzeitfolgen und Tod, teilen die Forscher mit. Wir erinnern uns: “Die Impfung schützt vor schwerem Verlauf”, hieß es damals während der Delta-Variante.
Mit der ansteckenderen, aber milder verlaufenden Omikron-Variante (schwere Verläufe sind hier nur noch die Ausnahme), dürfte sich die Einschätzung der Forscher nur quantitativ geändert haben.
Dass es angesichts dieser Daten überhaupt keinen Sinn ergibt, die Laufzeit des Genesenenstatus zu reduzieren, wird dem Leser nicht entgangen sein. Interessant wäre eine Fortführung der Studie im Hinblick auf einen möglichen abnehmenden Schutz der Genesenen.
Studien des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) deuten jedenfalls genau darauf hin. Dort fand man nach 430 Tagen keinen abnehmenden Immunschutz der Genesenen.
Falls dieser nicht irgendwann festgestellt werden könnte, wäre eine Laufzeit für den Genesenstatus womöglich sogar generell hinfällig. Zumindest sollte der Status mindestens 430 Tage gelten, wenn wir unser Handeln an der vielbeschworenen Wissenschaft ausrichten würden.
Die Fachzeitrift Nature titelte im Mai letzten Jahres gar: „Hatten Sie COVID? Sie werden wahrscheinlich ein Leben lang Antikörper bilden.“
Die Bundespressekonferenz vom 27.1.2022:
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Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.
Bilder: Janet Worg/ShutterstockText: mm