Von Daniel Weinmann
Am Montag vergangener Woche sorgte eine Meldung der Krankenkasse BKK Provita zu Impfnebenwirkungen für Aufsehen. „Die unserem Haus vorliegenden Daten geben uns Grund zu der Annahme, dass es eine sehr erhebliche Untererfassung von Verdachtsfällen für Impfnebenwirkungen nach einer Corona-Impfung gibt“, schrieb Vorstand Andreas Schöfbeck. Vermutlich seien 2,5 bis 3 Millionen Bundesbürger wegen Impfnebenwirkungen in Behandlung gewesen (Reitschuster.de berichtete).
Beim deutschen Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gingen daraufhin die Wogen hoch. „Schwurbel-BKK gibt falschen Alarm bei Impfnebenwirkungen“, titelte der Virchowbund nur drei Tage später.
„Peinliches Unwissen oder hinterlistige Täuschungsabsicht – was davon den Vorstand der BKK Provita bewogen hat, vor angeblichen Alarmzahlen bei Impfkomplikationen zu warnen, weiß ich nicht. Die Schlussfolgerungen aus der Datenlage sind jedenfalls kompletter Unfug“, wettert der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich, in seiner Stellungnahme.
»Offenbar will man vor allem Werbung in der impfkritischen Klientel machen«
Die Krankenkasse vermische zwei völlig unterschiedliche Bereiche, nämlich die ärztliche Diagnose-Codierung mit ICD-Codes und die Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut. Unerwünschte Wirkungen würden auch erwartbare, milde und vorübergehende Impffolgen umfassen, die nicht an die Behörde gemeldet werden müssten. „Von einer ‚Gefahr für das Leben von Menschen‘, wie die Kasse sich ausdrückt, kann (…) also keine Rede sein“, so Heinrich.
Der Schulmediziner zeigt zugleich wenig Verständnis für alternative Heilmethoden: „Diese undifferenzierte Schwurbelei passt aber ganz offensichtlich in das Markenimage der Kasse, die mit Homöopathie und Osteopathie als Satzungsleistungen wirbt und sich selbst als ,veggiefreundlichste Krankenkasse‘ tituliert. Offenbar will man vor allem Werbung in der impfkritischen Klientel machen.“
Diese scheint dem Virchowbund ein Dorn im Auge: Vor drei Wochen sprach sich der Ärzteverband für die „schnellstmögliche Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus“ aus. Sie sei ein Zeichen der sozialen Verantwortung, unterstrich Heinrich. Auch das deutsche Bundesgesundheitsministerium hält die Analyse der BKK Provita für „hochgradig unseriös“.
»Polemische Äußerungen lehnen wir ab«
Die so gescholtene Krankenkasse distanzierte sich „in aller Deutlichkeit von den unseriösen Äußerungen des Virchowbundes“ und bleibt bei ihrer Darstellung. Sie veröffentlichte vier Grafiken ihrer Auswertung (eine zu jedem ausgewerteten Diagnosecode) und wies darauf hin, dass sich Ärzteverbandschef Heinrich zu keinem Zeitpunkt mit dem Vorstand der BKK Provita in Verbindung gesetzt oder Einblick in die Datenauswertung verlangt habe.
„Nur eine ernsthafte und sachorientierte Datenanalyse kann der Impfstoffsicherheit und somit der Gesundheit der Versicherten einen Nutzen bringen. Polemische Äußerungen lehnen wir als ungeeignetes Mittel der Auseinandersetzung ab“, ätzte die BKK Provita.
In den kommenden Tagen werden sich Vertreter der Krankenkasse und des Paul-Ehrlich-Instituts zu einer „eingehenden Datenbesprechung“ treffen. Ausgang offen.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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