Welt-Artikel zu #IchHabeMitgemacht gelöscht Aktion nimmt weiter Fahrt auf

Von Mario Martin

Die Aktion IchHabeMitgemacht schlägt nicht nur auf Twitter weiterhin Wellen. Dort hat sich die Aktion inzwischen vergrößert und umfasst nun weitere Hashtags wie #WirHabenMitgemacht, und auch den Gegenpol #IchHabeNICHTMitgemacht, über den Menschen gefeiert werden, die sich der Ausgrenzung aktiv widersetzen.

Welt: 'Verbale Entgleisungen gegenüber Ungeimpften'

Am gestrigen Dienstag veröffentlichte die Welt einen Artikel zu der Aktion. Der Beitrag titelte: “Initiative dokumentiert Beleidigungen gegen Ungeimpfte” und kam erstaunlich neutral daher. Von “verbalen Entgleisungen gegenüber Ungeimpften” ist die Rede.

Mit „Als ‚Blinddarm‘ wurden sie bezeichnet, als ‚Tyrannen‘ oder ‚Geiselnehmer‘. Um im vergangenen Jahr die Impfquote zu erhöhen und vor allem die Unwilligen zu überzeugen, war einigen jedes Mittel recht”, öffnet der Artikel. Und bietet dann das, was deren Leser eigentlich erwarten dürfen: Die Auflistung der Ausrutscher, Diffamierungen und Ausgrenzungen, auf denen die Aktion beruht.

Es folgen Zitate diverser Akteure des bundesdeutschen polit-medialen Gruselkabinetts, die sich aktiv an der Segregation beteiligten.

Die Betroffenen wurden sogar um Statements gebeten, um zu der Aktion Stellung beziehen zu können: “Mit #IchHabeMitgemacht stehen nun diejenigen am Pranger, die zuvor ausgeteilt haben, der Hashtag trendet mittlerweile. Auf WELT-Anfrage, was sie heute über ihre Äußerungen denken, haben sich Wüst, Lauterbach, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Markus Söder (CSU) und Tobias Hans bisher nicht geäußert”, schreibt die Autorin des Artikels, Beatrice Achterberg.

Artikel nach wenigen Stunden gelöscht

Die nüchterne Neutralität des Artikels überraschte und sorgte bei einigen Personen wohl für Unmut. Dies ist jedenfalls zu vermuten, da der Artikel nicht viel länger als vier Stunden nach seiner Veröffentlichung wieder gelöscht wurde. Dort, wo er gestanden hatte, prangt nur noch die “Nicht gefunden”-Seite der Welt.

Auf unsere Anfrage gibt uns die Welt folgende Antwort:

Vielen Dank für Ihre Nachricht.

Gerne informieren wir Sie darüber, dass der Artikel von unserer Webseite gelöscht wurde, da dieser nicht unseren Qualitätsstandards entsprach.

Wir bedanken uns für Ihr Verständnis und wünschen Ihnen auch weiterhin viel Freude mit WELT auf allen Kanälen.

Da aber keine inhaltlichen Fehler im Artikel ausgemacht werden können, scheint dies ein Vorwand zu sein. Spannend wäre ein Blick hinter die Kulissen. Vorstellbar, dass einige Mitarbeiter – des inzwischen durchaus kritisch berichtenden Blattes – mit der Veröffentlichung des Artikels eine rote Linie überschritten haben und nun von oben zurückgepfiffen wurden.

https://www.welt.de/politik/article238131137/Corona-Impfung-Initiative-dokumentiert-Beleidigungen-gegen-Ungeimpfte.html

Glücklicherweise war der Artikel bereits im Webarchiv gesichert worden und dürfte nun durch den Streisand-Effekt (gelöschte Inhalte erhalten besondere Aufmerksamkeit) zu größerer Reichweite gelangen als seine gelöschte Originalversion.

Die #IchHabeMitgemacht-Aktion hat sich inzwischen auf Twitter festgesetzt und erhält mit der unglücklichen Löschung der Welt nun neuen Zündstoff. Aus den vielen Kommentaren unter den geteilten Gruselzitaten der Protagonisten finden sich Beteuerungen, mit der Aktion so lange weitermachen zu wollen, bis eine echte Aufarbeitung der Vorgänge einsetzt.

Spärliches Medienecho

Auch andere Mainstream-Medien wurden in der letzten Woche auf die Aktion aufmerksam und berichteten, wenn auch nur vereinzelt. Allerdings klafft der Tenor der beiden anderen Berichte weit auseinander.

Der Bayerische Rundfunk ließ kein gutes Haar an der Aktion und schrieb von verbitterten und vorlauten Coronaleugnern, die auf Twitter mit Schmutz um sich werfen. Der Autor des Beitrags, Martin Zeyn, wünscht sich gar in den erlauchten Kreis derer aufgenommen zu werden, die den “Schmutz” der Trolle abbekommen. Dieser Bitte wurde von den Nutzern auch prompt entsprochen.

Ausgewogener berichtete die Berliner Zeitung, die von einer umstrittenen Aktion sprach, bei der zur Menschenjagd aufgerufen werde.

Aber auch hiermit wollte sich ein Großteil der Nutzer nicht anfreunden:

Von diesen beiden Ausnahmen abgesehen war das geringe Medienecho für die reichweitenstarke Aktion disproportional.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Die Corona-Maßnahmen haben unzählige Menschen extrem hart getroffen. Sie haben viele Existenzen gefährdet und vernichtet. Ich möchte Menschen, die betroffen sind, helfen – und veröffentliche deshalb auf meiner Seite Reklame von ihnen. Mit der Bitte an meine Leser, sie wohlwollend zu betrachten.Die Corona-Maßnahmen haben unzählige Menschen extrem hart getroffen. Sie haben viele Existenzen gefährdet und vernichtet. Ich möchte Menschen, die betroffen sind, helfen – und veröffentliche deshalb auf meiner Seite Reklame von ihnen. Mit der Bitte an meine Leser, sie wohlwollend zu betrachten.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.

Bild: Shutterstock
Text: mm

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