Von Kai Rebmann
Die Erkenntnis, dass die vermeintlich kostenlosen Bürgertests, die den Steuerzahler 11,50 Euro pro Abstrich kosten, von Kriminellen dazu genutzt wurden, um sich unrechtmäßig mit öffentlichen Geldern zu bereichern, ist wahrlich nicht neu. Das ganze Ausmaß dieses Millionen-Betrugs kommt Stück für Stück aber erst jetzt ans Licht, nachdem immer mehr Staatsanwaltschaften entsprechende Ermittlungen gegen dubiose Betreiber von Testzentren aufgenommen haben. Bundesweit wurden inzwischen mindestens 642 Verfahren eingeleitet, allein 347 davon in Berlin. Ein weiterer Hotspot des Abrechnungsbetrugs in Corona-Testzentren scheint in Baden-Württemberg zu liegen, wo die Zahl der Verfahren laut LKA ebenfalls im dreistelligen Bereich liegt. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein, und falls sich die in Berlin und Baden-Württemberg bekannten Dimensionen eines Tages auch in den übrigen Bundesländer herausstellen sollten, sehen wir aktuell nur die Spitze des Eisbergs.
Die Politik gibt sich empört und ist sich in diesem Zusammenhang keinerlei Schuld bewusst. Es sei “ein Skandal, wenn hier betrogen wird“, wo es „um die Gesundheit von Menschen geht“, wetterte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Man könnte es allerdings auch als skandalös empfinden, wie leicht die Politik es den Corona-Gaunern bei diesem Millionen-Betrug gemacht hat. Gelegenheit macht bekanntlich Diebe und die Aussicht auf schnell und leicht verdientes Geld erschien manchem dann doch zu verlockend.
Abrechnungen der Testzentren wurden kaum geprüft
Bemerkenswert ist vor allem die Tatsache, dass die ersten Testzentren in Deutschland bereits im Jahr 2020 ihre Pforten öffneten, Regelungen zur Kontrolle der Abrechnungen aber erst im Juli 2021 formuliert wurden. Selbst über die genaue Anzahl der in Deutschland betriebenen Testzentren war der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nicht im Bilde. Diese liege bei „einer Größenordnung von 20.000 bis 30.000 Testzentren“, hieß es damals lapidar aus dem Bundesgesundheitsministerium. Praktisch jeder konnte fast überall ein Corona-Testzentrum eröffnen und sich nach einer flüchtigen Einweisung eine goldene Nase verdienen.
Das ganze Ausmaß des durch diesen Abrechnungsbetrug angerichteten finanziellen Schadens ist derzeit noch nicht abzusehen. Wenn aber allein die Berliner Landesregierung mit einem Schaden in Höhe von 24 Millionen Euro rechnet und man dazu noch berücksichtigt, dass „Schadenssummen in der Regel sehr zurückhaltend geschätzt werden“, wie Jochen Sindberg von der Polizei Berlin zu berichten weiß, lässt sich zumindest erahnen, in welche Richtung es gehen könnte. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge bezeichnete es als „Trauerspiel, wenn ohne Prüfung Geld gezahlt worden ist“. Sorge scheint dabei zu ignorieren, dass der deutsche Steuerzahler dieses „Trauerspiel“ zu einem nicht unwesentlichen Teil seinem Parteifreund und ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu verdanken hat.
Neben der Tatsache, dass millionenfach Corona-Tests abgerechnet wurden, die nie durchgeführt worden sind, stellten die Behörden seit Beginn der verschärften Kontrollen in den Testzentren auch schwerwiegende Mängel in vielen anderen Bereichen fest. So kam es beispielsweise in Baden-Württemberg seit Februar verstärkt zu Kontrollen auch bezüglich der hygienischen Verhältnisse und des Umgangs mit dem Datenschutz in den Corona-Testzentren. Laut einem ZDF-Bericht wurden dabei „gravierende Mängel bei mehr als der Hälfte der Schnelltestzentren“ festgestellt. Uwe Lahl vom Gesundheitsministerium Baden-Württemberg fordert daher, die Testzentren „in professionelle Hände“ zu geben, um so dem Missbrauch von Steuergeldern zu begegnen.
Gassen spricht sich für Ende von ‚Bürgertests an jeder Ecke’ aus
Einen ganz anderen und wohl auch sehr viel logischeren Weg würde Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, gehen. „Im Grundsatz glaube ich, kann man auf sie (die Tests, Anm. d. Autors) sukzessive verzichten. Es sollten symptomatische Menschen getestet werden, dann aber vernünftig mit einem PCR-Test, und ich glaube, von diesen doch in der Qualität sehr unterschiedlichen Bürgertests an jeder Ecke können wir uns jetzt langsam verabschieden“, plädierte der Experte im ZDF.
Nach aktuellem Stand sollen die kostenlosen Schnelltests spätestens Ende Mai beendet werden. Es stellt sich jedoch die Frage, warum diese Testzentren nicht schon Anfang April geschlossen wurden, als die Corona-Maßnahmen weitgehend weggefallen und seither so gut wie keine Nachweise mehr erforderlich sind. Damit könnten mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Die Behörden, die die im doppelten Sinne offensichtlich nicht immer ganz sauber arbeitenden Betreiber von Testzentren kontrollieren müssen, würden entlastet; das Geld der Steuerzahler wäre vor krimineller Abzocke geschützt; und – vor allem – die Inzidenzen würden rapide in den Keller rauschen, wenn wirklich nur noch symptomatische Menschen getestet würden. Wie hatte es Jens Spahn doch so treffend formuliert? „Wenn wir Geimpfte, wie Ungeimpfte weiter testen, dann ist diese Pandemie nie zu Ende“, so der damalige Bundesgesundheitsminister am 30.08.2021 bei „Hart aber fair“.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: DesignRage/ShutterstockText: kr