Von Ekaterina Quehl
Dass russische Staatsmedien beim Thema „Krieg in der Ukraine“ nicht müde werden, Desinformationen zu verbreiten, ist nun in aller Munde. Vor dem Beginn des Krieges am 24. Februar wurden noch diejenigen verspottet, die einen Angriff auf die Ukraine für möglich hielten. Zu Kriegsanfang hieß es, die Ukraine müsse „entnazifiziert“ werden. Dann wurden ukrainische „Bio-Labore“ entdeckt, die in Zusammenarbeit mit den USA spezielle Bio-Waffen entwickelt haben sollen, die mithilfe dressierter Vögel speziell an Russen übertragen würden, wobei doch Putin selbst von den Ukrainern und Russen als einem Volk gesprochen hat. Mariupol hätten ukrainische Neonazis selbst zerstört und die friedliche Bevölkerung dabei als Schutzschild benutzt. Nun hat der Erste Kanal Russlands sich selbst übertroffen und dem Bundeskanzler Olaf Scholz vorgeworfen, „Enkel eines SS-Generals zu sein“. Dass der SS-General ein „von Scholz“ war und der Kanzler nur ein Scholz ohne von ist, wurde dabei ignoriert. Obwohl das Fake so plump ist und auch bereits vor über einem Monat in deutschen Medien als solches entlarvt wurde, benutzen es russischen Kreml-Medien auch heute noch als Erklärung dafür, warum westliche Staaten die Ukraine unterstützen. Dieses Nazi-Erbe soll wohl auch der Grund dafür sein, warum der Westen die Ukraine in den letzten acht Jahren in ein „Neonazi-Nest“ verwandelt haben soll. Unsere russische Kollegin Mascha Borsunowa entlarvt in ihrer wöchentlichen Sendung Fake News Desinformationen der Kreml-Berichterstattung. Das aktuelle Beispiel, in welchem Scholz mit Hitler verglichen wird, habe ich für Sie hier übersetzt.
Im russischen Staatsfernsehen wird nicht vergessen, den westlichen Politikern, die die Ukraine besuchen, zu drohen. So der Abgeordnete der Staatsduma Oleg Morozov mit seinem Verständnis für Diplomatie und Recht im Ersten Kanal:
„Wenn dieser Krieg vorbei ist, müssen wir uns alle fragen, wer diesen Knopf gedrückt hat. Wer hat schwangere Frauen und Lehrerinnen in friedlichen Städten getötet? Wer ist für diese Kriegsverbrechen verantwortlich? Und wer hat diese Kriegsverbrechen gefördert? Ich sehe hier ein Szenario, vielleicht ist es aktuell noch unrealistisch: Irgendwann, in einer sehr nahen Zukunft, wird ein Verteidigungsminister eines NATO-Staates nach Kiew reisen, um mit Selenskij zu sprechen… und wird dort nicht ankommen und schließlich irgendwo in Moskau aufwachen.“
Olga Skabeewa (Moderatorin der Sendung 60 Minuten im Ersten Kanal Russland): „Gekidnapped?“
Oleg Morozow: „Ja, und dann werden wir herausfinden, wer dafür verantwortlich ist. Übrigens denke ich, dass das Szenario nicht so unrealistisch ist.“
Nun, was wäre das Staatsfernsehen ohne einen Vergleich des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz mit Hitler?
Skabeewa: „Er winkt sogar mit der Hand wie er. Es fehlt ihm nur noch sein Schnurrbart. Sehen Sie! Er sieht genauso aus! Also, ehrlich gesagt, wenn ich das auf zwei Bildschirmen nebeneinander sehe: das gleiche Gesicht, die gleichen Gesten.“
Der Co-Moderator von Skabeewa, der Abgeordnete Jewgeny Popow, ging in seinem Vergleich sogar noch weiter:
„Der Westen ist laut Scholz mit einem sogenannten ‚Frieden in der Ukraine‘ nach Diktat nicht einverstanden. Der Kanzler kennt die Ideologie des Diktats nicht vom Hörensagen. Sein Großvater war ein hochrangiger SS-Mann, der zweimal gegen Russland kämpfte und persönlich an der Ermordung der Juden in Polen und in der Ukraine beteiligt war. Jetzt versucht sein Enkel Scholz, Russland seine Friedensbedingungen zu diktieren.“
Das ist eine Fake. Schauen wir uns es genauer an. Russische Propagandisten verbreiten seit März Informationen darüber, dass westliche Politiker, darunter auch Bundeskanzler Scholz, Verwandte derer seien, die dem Dritten Reich dienten. Demnach soll Scholz ein Enkel des SS-Generals Fritz von Scholz sein. Als Beweis soll der gleiche Name und ein Foto des Kanzlers sowie des SS-Generals dienen. Seht Ihr – es ist EIN Gesicht! Einige Veröffentlichungen deuten darauf hin, dass das Fake von einem Kreml-nahen Geschäftsmann, dem sogenannten Putin-Koch Jewgeni Prigoschin stammte. Am 5. März veröffentlichte der Pressedienst der Firma Concord, die Prigoschin gehört, einen Beitrag mit einem Kommentar des Unternehmers, in dem es um die Beziehung von Scholz zu diesem SS-General ging. Dieser Beitrag wurde später entfernt. Das Fake verbreitet sich aber immer noch im Netz.
Nikita Michalkow (berühmter russischer Regisseur): „Kein Wunder, dass Herr Scholz lächelt, wenn er das Wort Völkermord hört.“
Aber wie gesagt, es ist ein Fake. Die Deutsche Presse-Agentur prüfte bereits die Unterlagen des Bundesarchivs und stellte fest, dass der SS-General Fritz von Scholz kinderlos war. Das bedeutet, dass der deutsche Bundeskanzler nicht dessen Enkel sein kann. Die leiblichen Großeltern von Scholz stammten aus Hamburg und arbeiteten als Bahnangestellte.
Abschließend etwas mehr zum Vergleich mit Hitler von dem „Analysten“ und Senator Andrej Klimow.
„Die Propaganda wurde so massiv, dass sie einen brüderlichen slawischen Staat innerhalb von 8 Jahren in ein Neonazi-Nest verwandelte. Das muss nun mal direkt gesagt werden. Übrigens – und das betone ich oft – es vergingen genau acht Jahre von dem Putsch, der Hitler 1933 an die Macht brachte, bis 1941 verging. Dieselben acht Jahre.“
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Text: eq/Gast
Übersetzung: Ekaterina Quehl
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