Fake News bei den „Faktencheckern“ von „USA Today“ Veröffentlichung gefälschter Zitate und Interviews in mindestens 23 Artikeln

Von Kai Rebmann

Es ist wieder eine dieser Nachrichten, die man sich nicht hätte ausdenken können, die einem in Zeiten wie diesen aber in schöner Regelmäßigkeit quasi ganz von allein zulaufen. Die Medienlandschaft in den USA wird aktuell von einem gewaltigen Fake-News-Skandal erschüttert, über den in den deutschen Qualitätsmedien allenfalls am Rande berichtet wird. Weil man nicht mit Steinen werfen soll, wenn man im Glashaus sitzt? Im Zentrum der Affäre stehen die landesweit erscheinende USA Today und die Journalistin Gabriela Miranda, die über Jahre hinweg mindestens 23 Artikel mit gefälschten Zitaten und Interviews veröffentlicht hat, teilweise wurden die Namen von Personen und deren vermeintliche Verbindung zu bestimmten Organisationen frei erfunden. USA Today hat die betreffenden Artikel inzwischen aus ihrem Online-Archiv gelöscht, Miranda ist nicht mehr für die Zeitung tätig. Mit einer verkauften Auflage von täglich rund 1,6 Millionen Exemplaren sowie einer etwas schlankeren Gratis-Version ist die USA Today aktuell die landesweit meistgelesene Zeitung.

Nun ist es sicher jedem noch so gewissenhaft arbeitenden Journalisten schon passiert, dass einer seiner Artikel im Nachhinein richtiggestellt oder mit einer Gegendarstellung versehen werden musste. Im „Fall Miranda“ hatte das Verbreiten von Fake News, in deren Mittelpunkt in den meisten Fällen ausgerechnet Donald Trump stand, den USA Today im Wahlkampf 2016 einst als „notorischen Lügner“ bezeichnet hatte, aber offenbar System. Die in den Artikeln von Miranda verbreiteten Falschinformationen über Trump gefielen der tief demokratischen Redaktion der US-Zeitung aber offenbar so gut, dass sie eine interne Überprüfung für überflüssig erachtete. Und so bedurfte es eines „externen Hinweises“ um der Mitarbeiterin mit der überbordenden Fantasie auf die Schliche zu kommen. Wie die New York Times erfahren haben will, soll Miranda, als sie mit den Vorwürfen konfrontiert worden war, noch versucht haben, ihren Kopf mit gezinkten Aufnahmen, die die vermeintliche Echtheit der gefälschten Interviews belegen sollten, aus der Schlinge zu ziehen.

USA Today ist einer der wichtigsten Partner des Facebook-Faktenchecks

Besonders pikant und irgendwie schon fast tragikomisch: Die Redaktion von USA Today wurde von Facebook im Jahr 2020 in den erlauchten Kreis der Faktenchecker aufgenommen und merkte dabei nicht, dass die potenziell beste Kundin im Büro nebenan arbeitete. Oder hatte das mediale Flaggschiff der Demokraten im Endspurt des Wahlkampfs zwischen Donald Trump und seinem damaligen Herausforderer Joe Biden einfach schon zu viel politische Schlagseite? Wie Realsatire in ihrer besten Form wirken da die Lobeshymnen, die Facebook vor zwei Jahren auf die USA Today anstimmte. „Unter der Koordination seiner zentralen Redaktion wird USA Today sein nationales Netzwerk aus lokalen Büros an über 260 Standorten im Land nutzen, um Faktenchecks im Zusammenhang mit den Wahlen und anderen wichtigen Ereignissen vorzunehmen. Wir wissen, dass die landesweite Reichweite von USA Today ein wichtiges Gegengewicht zu den Fehlinformationen darstellen wird, die sich in den verschiedenen Bundesstaaten verbreiten“, teilte der Facebook-Mutterkonzern Meta bei der Vorstellung seiner neuen Faktenchecker mit.

Dabei hatte sich USA Today nach objektiven Kriterien gemessen schon damals für die Aufgabe als Faktenchecker disqualifiziert. Bereits Anfang der 2000er-Jahre war die Zeitung in einen ganz ähnlichen Fake-News-Skandal involviert. Der damals für das Blatt tätige US-Journalist Jack Kelley erfand ebenfalls jahrelang Geschichten und die passenden Quellen dazu und konnte diese unbehelligt in der USA Today veröffentlichen. Kelley flog erst auf, nachdem die serbische Menschenrechtlerin Nataša Kandić am 26. Januar 2004 öffentlich bestritten hatte, diesem als Quelle für eine bereits im Juli 1999 erschienene Titelstory gedient zu haben. Von Kandić wollte Kelley, so behauptete der Journalist in dem Artikel, den schriftlichen Befehl an eine Einheit der jugoslawischen Armee zur „Säuberung“ eines Dorfs im Kosovo zugespielt bekommen haben. Weder gab es dieses Dokument noch hatte Kelley jemals mit Kandić gesprochen, jedenfalls nicht in diesem Zusammenhang.

Müssen Faktenchecker nur die richtige Haltung haben?

Diese eklatante Vorgeschichte der USA Today muss auch Meta bekannt gewesen sein, als der Konzern die Redaktion der Zeitung zum Faktenchecker für Facebook nominiert hat. Das wiederum wirft die Frage auf, welche Kriterien erfüllt werden müssen, um als „wichtiges Gegengewicht zu den Fehlinformationen“ fungieren zu dürfen. Auch in Deutschland lassen sich zum Beispiel die Sender des ÖRR, die wie der Bayerische Rundfunk eigene Faktencheck-Formate (Faktenfuchs) unterhalten, immer wieder beim Verbreiten von Fake News erwischen. Doch was macht einen „guten“ Faktenchecker aus und wozu braucht man dieses neuartige Instrument des Journalismus überhaupt?

Die Mainstream-Medien haben seit Jahren mit sinkenden Zuschauer- bzw. Leserzahlen zu kämpfen, nicht wenige davon sind inzwischen ganz von der Bildfläche verschwunden. Andererseits bietet das Internet dem mündigen Bürger nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, sich aus verschiedensten Quellen zu informieren und sich dann sein eigenes Bild zu machen. Es ist wohl kein Zufall, dass die unterschiedlichen Faktencheck-Formate in den USA wie auch in Deutschland just während des US-Präsidentschaftswahlkampfs im Jahr 2016 aus dem Boden zu schießen begannen. Donald Trump musste um jeden Preis als Präsident verhindert werden, so dass, wie im vorliegenden Beispiel der USA Today, die journalistische und redaktionelle Sorgfaltspflicht im Zweifel auch mal hintanstehen mussten. Dass ausgerechnet solche Medien sich anschließend dann zum „Faktenchecker“ aufschwingen oder in diese Position gehievt werden, kann wohl nur noch als zynisch bezeichnet werden und spricht für sich.

Wo Debatten früher noch mit Argumenten geführt und durch eben diese gewonnen oder verloren wurden, reicht es heute aus, eine widerspenstige Meinung als Verschwörungstheorie abzutun und sich das Ganze von einem „Faktenchecker“ seines Vertrauens bestätigen zu lassen. Die Fake-News-Keule wird auffallend oft immer dann aus dem Schrank geholt, wenn den „Guten“ die Argumente auszugehen drohen. Lebendiger Journalismus und funktionierende Demokratien müssen jedoch die Existenz verschiedener Meinungen nebeneinander aushalten können.

David
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

 

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: pio3 / Shutterstock
Text: kr

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