„Bildungsnation“ Deutschland – so wird das nichts Viele Schüler können nicht einmal mehr richtig schreiben

Ein Gastbeitrag von Josef Kraus

Von der Öffentlichkeit und den Medien weitestgehend unbeachtet, hat eine aktuelle Studie über die Schreibfertigkeiten der Schüler Erschreckendes zu Tage gefördert. Das Hauptergebnis: „Schüler können nicht mehr richtig schreiben“. Basis für diese prekäre Diagnose ist die „STEP“-Studie 2022 (Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben) des Schreibmotorik-Instituts in Heroldsberg bei Nürnberg. Dieses Institut hatte zwischen November 2021 und April 2022 insgesamt 841 Lehrer aller Bundesländer und aller Schulformen befragt, wie gut bzw. wie schlecht Schüler heutzutage schreiben.

Hier die wichtigsten Ergebnisse:

  • Im Primarbereich sind 31% der Lehrer, im Sekundarbereich 51% mit der Handschrift der Schüler nicht zufrieden.
  • 51% der Jungen und 30% der Mädchen haben Probleme mit der Handschrift.
  • Fast die Hälfte der Schüler können nicht 30 Minuten und länger beschwerdefrei schreiben.
  • Die Lehrer beklagen fehlende Schreib-Struktur (76%), zu langsames Schreiben (71%) und unleserliches Schreiben (65%) als (sehr) häufige Probleme. (Siehe hier)

Das schaut dann konkret so aus: Schüler wechseln zwischen Druck- und Schreibschrift hin und her, sie schmeißen Klein- und Großbuchstaben durcheinander, halten sich an keine Zeilenlinie und an keine Seitenbegrenzung, und sie schreiben immer langsamer und immer weniger ausdauernd. Vielfach ist das Geschriebene selbst für erfahrene Lehrkräfte nicht mehr lesbar.

Aber Vorsicht – Nicht mit „Corona“ ablenken!

Und was ist der Grund? Das Institut bzw. die befragten Lehrer sehen als wesentlichen Grund für diese Defizite die Corona-Pandemie mit den damit verbundenen Schulschließungen und das damit verbundene Homeschooling. Laut Studie gaben mehr als 70 Prozent der befragten Lehrkräfte an, dass ihre Schüler nach „Corona“ deutlich größere Probleme beim Schreiben haben als zuvor.

Doch HALT! Man sollte nicht so tun, als sei ausschließlich oder auch nur in erster Linie „Corona“ an diesen eklatanten Mängeln bei der Basisfertigkeit Schreiben schuld. Dasselbe Institut hat nämlich bereits im Jahr 2015 die nahezu gleichen Ergebnisse zu Tage gefördert. Damals hatte die Umfrage zwischen Dezember 2014 und März 2015 stattgefunden (siehe hier).

Das heißt: Die schlechten Diagnosen von 2015 sind 2022 noch einmal nach unten getoppt worden. Es handelt sich also um ein Problem, das die Bildungspolitik und die „moderne“ Schulpädagogik seit geraumer Zeit geschaffen und befördert haben.

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Damals (2015) meinten vier Fünftel (79 Prozent) der an der Erhebung beteiligten mehr als 2.000 Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen, die Handschrift ihrer Schülerinnen und Schüler habe sich im Schnitt verschlechtert. Sogar 83 Prozent der befragten Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer gaben an, dass sich die Kompetenzen, die Schüler als Voraussetzung für die Entwicklung der Handschrift mitbringen, in den vergangenen Jahren verschlechtert haben.

Also noch einmal: „Corona“ mag die Probleme verschärft haben, geschaffen wurden die Probleme von einer falschen Schulpolitik bzw. Schulpädagogik. Geschaffen wurden die Probleme ferner dadurch, dass die Kinder grob- und feinmotorisch verarmen, weil sie immer weniger Sport betreiben, immer weniger basteln, immer seltener Spiele wie Dame, Mühle, Mensch-ärgere-dich-nicht, Domino usw. spielen und immer häufiger nur vor einem Bildschirm oder einer Spielekonsole sitzen. (Diese Probleme übrigens wurden durch „Corona“ weiter verschärft!) Bezeichnenderweise hat sich damals (2015) übrigens schon gezeigt: Es hat die Feinmotorik von acht Fingern gelitten. Verbessert hat sich die Motorik der Daumen. Warum wohl? Vom Daddeln!

Vergessen wir nicht die Sünden von Politik und „moderner“ Pädagogik!

Und dann erst die politischen und pädagogischen Sünden. Wir nennen die größten:

  • Dem Schreiben und insgesamt der sprachlichen Bildung wurde immer weniger Bedeutung beigemessen.
  • Der Grundwortschatz wurde reduziert.
  • Die Schüler lässt man mit Lückentexten und Multiple-Choice-Tests arbeiten. Hauptsache: wenig schreiben!

Dann gibt es in manchen Bundesländern auch noch abseits aller Orthographie-Regeln ein „Schreiben nach Gehör“ und einen Verzicht auf die sogenannte verbundene Ausgangsschrift.

Ob auch die multikulturelle Zusammensetzung mit einer Mehrheit an Kindern mit Migrationshintergrund in vielen Klassen eine Rolle spielen mag? Wir wagen es aus Gründen der „political correctness“ kaum zu fragen. Und wir wagen aus demselben Grund auch kaum zu fragen, ob die sprachlichen Leistungen unserer Schüler nicht noch mehr leiden werden, wenn die „Gender“-Sprache über die „Schüler/_:*Innen“ hereinbricht. Das Schreibmotorik-Institut jedenfalls hat mit der Präsentation der Studie von 2022 hier bereits ein Türchen geöffnet, indem es auf 35 Seiten 26mal das Gender-Sternchen * verwendet.

Jedenfalls müsste man in der „hohen“ Politik und in den Schreibstuben der Erziehungswissenschaftler und Didaktiker eines wissen: Wer gut und versiert schreibt, und zwar mit der Hand schreibt, der prägt sich Geschriebenes besser und konzentrierter ein, er ist intensiver bei der Sache, er schreibt bewusster, setzt sich intensiver mit dem Inhalt und dem Gehalt des Geschriebenen auseinander.

Alles in allem: Unsere Schüler bekommen immer bessere Noten, weil eine populistische Politik es so will; sie macht in der Folge auf „moderne“ Pädagogik und senkt die Ansprüche ab. Die Leistungen und Fertigkeiten unserer jungen Leute aber werden immer schwächer. Armes „Volk der Dichter und Denker“, dessen einziger Rohstoff die Bildung sein sollte!

David
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)

Bild: Shutterstock
Text: Gast

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