Söder mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold geehrt Höherrangig als der Veitshöchheimer Faschingsorden

Ein Gastbeitrag von Josef Kraus

„Ich schwöre Treue der Verfassung des Freistaates Bayern, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten … so wahr mir Gott helfe.“ So steht es in Artikel 2 des bayerischen „Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Staatsregierung.“ Nichts Außergewöhnliches, etwas Selbstverständliches, möchte man meinen.

Doch, schon etwas Außergewöhnliches! Denn wer sich pflichtgemäß an diesen Amtseid hält, zumindest nicht justiziabel dagegen verstößt, wird dafür bald mit einem Orden geehrt. Jedenfalls wurde dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) soeben die Bayerische Verfassungsmedaille in Gold ausgehändigt – gemeinsam unter anderem mit der Schauspielerin Jutta Speidel, die sich als Gründerin des Vereins Horizont für benachteiligte Frauen und deren Kinder einsetzt. Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck wird die Medaille in Gold zu einem späteren Termin verliehen bekommen. „Du willst Kümmerer sein“, sagte Landtagspräsidentin Ilse Aigner zu Söder bei der Verleihung. Und weiter: „So auch in der größten Krise unserer Zeit. Das hat dir viel Anerkennung eingebracht.“

Da sieh mal einer an: Kaum hat er „freiwillig“ auf die Kanzler-Kandidatur der Union verzichtet, da bekommt Markus Söder auch schon einen Trostpreis. „Trostpreis“? Stimmt nicht ganz, denn die aktuelle Verleihung galt schließlich dem Jahr 2020. Also womöglich ein Trostpreis für entgangene Veitshöchheimer Franken-Faschings-Orden, die wegen „Corona“ nicht hatten verliehen werden können.

Die Bayerische Verfassungsmedaille ist übrigens eine Auszeichnung, die vom Präsidenten des Bayerischen Landtages an Personen verliehen wird, die sich „um die bayerische Verfassung verdient gemacht haben“. Jährlich sollen nicht mehr als 50 Verleihungen vorgenommen werden. Sie gehört zu den staatlichen Auszeichnungen, die im Freistaat Bayern am seltensten verliehen werden.

Wie bei vielen anderen Orden freilich erfolgt die Verleihung auch dieses Ordens zumindest innerhalb der politischen “Elite“ nach einem simplen Automatismus. Landtagsabgeordnete erhalten die Verfassungsmedaille in Gold nach fünf Legislaturperioden. Söder hat diese Grenze noch nicht erreicht, er befindet sich nach seiner Wahl in den Bayerischen Landtag (erstmals 1994) derzeit inmitten seiner fünften Legislaturperiode. Bayerische Minister erhalten die silberne Verfassungsmedaille bereits nach einer Legislaturperiode. Söder wurde erstmals 2007 Minister, hat also aktuell eine volle Legislaturperiode (2008–2013) als Kabinettsmitglied hinter sich.

Verdiente Persönlichkeiten aus allen Gruppen der Bevölkerung sollten laut Statuten eigentlich gleichermaßen berücksichtigt werden. Realiter sind unter den Ordensträgern aber Politiker, Kirchenvertreter und Journalisten überrepräsentiert. Klar, vorschlagsberechtigt ist jede Fraktion und jedes Mitglied des Landtags. Ein Ordensbeirat prüft die Vorschläge, über die Verleihung entscheidet der Landtagspräsident, aktuell die Landtagspräsidentin Ilse Aigner.

Der geehrte Söder jetzt aktuell: „Es war immer eine große Ehre, an Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit in Bayern mitzuwirken. Das bestärkt im Einsatz für unser schönes Land und seine Menschen“, schrieb Söder auf Twitter. Ebenfalls auf Twitter und Co. folgten denn auch rasch süffisante Kommentare. „Entschuldigung, aber ist das nicht Teil der job description als Ministerpräsident?“ kommentiert ein Nutzer. „Bin verwirrt – es ist doch die Aufgabe eines Ministerpräsidenten, sich an die Verfassung zu halten, oder nicht? Ich kriege auch keine Medaille, weil ich meinen Job mache …“, schreibt ein anderer. „Warum nicht gleich ein Denkmal errichten und eine Prachtstraße in München und Nürnberg nach Ihnen benennen? Wenn schon, denn schon!“ schlägt eine Twitter-Nutzerin vor.

Einen Sinn für Peinlichkeiten scheint man in diesem real existierenden Land jedenfalls nicht mehr zu haben.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)
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