Öffentlich-rechtliche Journalisten als Laufburschen der Politik Skandal um ORF in Österreich

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Als Journalist lebt man in diesen Zeiten in einem besonderen Dilemma. Einerseits will man seine Leser nicht langweilen, und darauf läuft es fast hinaus, wenn gefühlt fast täglich eine „Verschwörungstheorie“ wahr wird und man darüber berichtet. Andererseits wäre ein Verschweigen solcher Ungeheuerlichkeiten sehr unjournalistisch. Und so präsentiere ich Ihnen heute wieder eine unglaubliche Geschichte, bei der wohl bis heute viele Ihrer Mitbürger glauben würden, es müsse eine Verschwörungstheorie sein. Wenn sie nicht zu belegen wäre.

Die Geschichte spielt beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich, dem ORF. Genauer gesagt in dessen Landesstudio in Niederösterreich. Dort sind im Januar Landtagswahlen angesetzt, und die Kandidatin der ÖVP, die in Österreich in etwa die Rolle spielt, die in Deutschland die CDU innehat, muss in dem eher ländlich strukturierten Bundesland um ihre absolute Mehrheit bangen.

Ein anonymer Hinweisgeber aus dem Landesbüro des öffentlich-rechtlichen Senders berichtet dort von Zuständen, die genau dem entsprechen, was Kritiker des öffentlich-rechtlichen Systems diesem ankreiden – und was dessen Verteidiger als „Verschwörungstheorie“ weit von sich weisen. Dem Insider zufolge „wird regelmäßig Druck gemacht, damit insbesondere die Landeshauptfrau stets gut im Bild ist“ – die ÖVP-Politikerin Johanna Mikl-Leitner, wie die „FAZ“ berichtet. Demnach „wurden sogar Redakteure auf der Heimfahrt zurückbeordert, weil sie vergessen haben, einen belanglosen O-Ton Mikl-Leitners in ihrem Bericht unterzubringen. Bei für die ÖVP peinlichen Themen soll gebremst worden sein.“

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Dem Gesetz über den ORF zufolge haben die „Landeshauptmänner, also Ministerpräsidenten, bei der Besetzung des ORF-Landesdirektors ein explizites Mitspracherecht. Was per se absurd ist. Der zu Kontrollierende hat Einfluss darauf, wer den lukrativen Posten seines Kontrolleurs erhält“ – eine Pervertierung der Idee der Vierten Macht. „Schon gibt es Medienberichte mit Zitaten aus den Landesstudios in Wien oder dem Burgenland (beide SPÖ-geführt), wonach es dort natürlich auch so zugehe, nur vielleicht nicht so unverfroren“, schreibt die „FAZ“.

Der Redaktionsrat forderte dem Bericht zufolge ORF-Generaldirektor Roland Weißmann auf, den niederösterreichischen ORF-Landesdirektor Robert Ziegler zu suspendieren: „Sollte es sich als wahr erweisen, dass Redakteurinnen und Redakteure angewiesen wurden, Beiträge so zu gestalten, dass bestimmte Politikerinnen und Politiker vorkommen, auch wenn dazu keinerlei journalistische Notwendigkeit besteht, ist das ein klarer Verstoß gegen die gesetzliche Pflicht zur Unabhängigkeit.“

‘Klima der Angst‘

Nun soll eine Kommission die Vorwürfe klären. Sie erinnern an die Vorgänge beim Norddeutschen Rundfunk. Mitarbeiter des Gebührensenders klagen über massive politische Einflussnahme, ein „Klima der Angst“ und Führungskräfte, die agierten wie Pressesprecher der Regierung – darüber haben wir hier erst im August berichtet.

Im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen die Gebühren-Anstalt steht die offensichtlich einseitige und voreingenommene Berichterstattung zugunsten von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther. Der CDU-Politiker hatte seinen Parteifreund Hans-Joachim Grote als Innenminister des Landes entlassen. In der Folge plante der NDR einen Bericht über den Fall und wollte ursprünglich auch den geschassten Grote zu Wort kommen lassen. Kurz vor der Ausstrahlung wurde das kritische Zitat des Ex-Innenministers auf Geheiß der zuständigen Redaktionsleiterin Julia Stein aber aus dem Beitrag entfernt. Ebenso wurde ein geplantes Interview mit Grote abgesagt, so dass nur der Ministerpräsident seine Sicht der Dinge präsentieren konnte.

Maulkorb

Diese Vorgänge sind nach meiner Erfahrung nur die Spitze des Eisberges. Viele anständige Kollegen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sind selbst über die Zustände dort, insbesondere die politische Einseitigkeit und den vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Politikern, entsetzt. Nur traut sich kaum einer den Mund aufzumachen – weil sonst die Existenz auf dem Spiel steht.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben eine ursprünglich gute Idee völlig diskreditiert, ja pervertiert. Es ist höchste Zeit, sie in der heutigen Form abzuschaffen – denn reformierbar sind diese geradezu feudalen Anstalten nicht mehr. Sie gefährden in höchstem Maße das, was sie eigentlich fördern sollen: eine pluralistische Demokratie.

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Bild: Chris Redan/Shutterstock

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