Von Kai Rebmann
Es war ein kalter Samstagmittag im Frühjahr 2022. Die Spaziergänge und Demonstrationen gegen die – wie wir nicht erst seit heute wissen – völlig unverhältnismäßigen bis schädlichen Corona-Maßnahmen in Deutschland haben gerade ihren Höhepunkt erreicht. Der Pforzheimer Theologe und Buchautor Dr. Lothar Gassmann hält auf dem Marktplatz seiner Heimatstadt eine viel beachtete Rede. Ein Video dieses als „Rede für die Freiheit“ bekanntgewordenen Auftritts ist inzwischen wieder auf Youtube zu sehen. Doch das war nicht immer so. Google hatte Gassmann mehrmals verwarnt, das Video zensiert und dem Theologen im Falle weiterer Verstöße mit der endgültigen Löschung seines Kanals mit mehr als 25.000 Abonnenten gedroht. David gegen Goliath könnte man also sagen.
Wie im biblischen Vorbild hat sich auch in diesem ungleichen Kampf am Ende der Underdog durchgesetzt. Maßgeblichen Anteil an diesem Erfolg hat neben dem lieben Gott auch der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, der schon mehrere ähnlich gelagerte Urteile gegen Fälle von willkürlicher Zensur gegen diverse Internet-Giganten erstritten hat. Dennoch betont der Jurist, dass es sich bei diesem Urteil des Landgerichts Karlsruhe um ein „Novum“ handele, durch das die Rechte insbesondere von Youtubern gestärkt worden sind.
Pauschaler Hinweis auf Community-Richtlinien unzulässig
Löschungen oder sonstige Formen der Zensur erfolgen bei Youtube, Facebook und Co meistens nach dem immer gleichen Muster. Nutzer mit missliebiger Meinung werden pauschal auf vermeintliche Verstöße gegen die Community-Richtlinien und/oder AGB hingewiesen. Die Zensierten erfahren dann bestenfalls noch, was ihnen vorgeworfen wird, zum Beispiel „Hassrede“ oder „Verbreitung von Desinformation“. Der Haken: Wodurch der vorgeworfene Verstoß begründet sein soll, also durch welche konkrete Aussage an welcher Stelle des Videos, erfahren die mit einer Sperrung bedrohten Nutzer nicht.
So erging es auch Lothar Gassmann, weshalb er sich juristisch zur Wehr setzte. Im Juni 2022 entschied das Landgericht Karlsruhe per einstweiliger Verfügung, dass die „Rede für die Freiheit“ und weitere Videos von Youtube nicht mehr gelöscht werden dürfen und wieder eingestellt werden müssen. Darüber hinaus wurde es Google Ireland als Betreiber des Streamingdienstes verboten, bei künftigen Sperrungen von Konten pauschal auf die Community-Richtlinien zu verweisen. Vielmehr muss konkret benannt werden, was wem an welcher Stelle des betreffenden Videos vorgeworfen wird. Denn: Nur wer weiß, was ihm angelastet wird, kann sich dagegen in angemessener Weise verteidigen.
Youtube hält an Zensur fest und nimmt Ordnungsstrafe billigend in Kauf
Der Rechtsstreit zwischen Lothar Gassmann und Youtube hat aber noch eine weitere Kuriosität zu bieten, die tief blicken lässt. Wie der Theologe betont, habe sich der Streamingdienst mit dem Richterspruch aus Karlsruhe und der damit verbundenen Ordnungsstrafe ausdrücklich und vor allem schriftlich einverstanden erklärt. Trotzdem wurde die „Rede für die Freiheit“ auch nach diesem Urteil mehrmals gelöscht und wieder eingestellt. Aus diesem Grund wurde Youtube jetzt vom Oberlandesgericht Karlsruhe im Januar 2023 zur Zahlung von 90.000 Euro an die Staatskasse verurteilt.
Natürlich wird Google seinen Laden deswegen nicht zusperren müssen. Das wiederum lässt nur den Schluss zu, dass Youtube ganz bewusst auf die Urteile deutscher Gerichte pfeift und vergleichsweise lächerliche Geldstrafen bei seinem Streben nach der Zensur missliebiger Meinungen sozusagen einpreist. Inwieweit die Richter in Karlsruhe das ihnen in diesem Fall zur Verfügung stehende Strafmaß voll ausgeschöpft haben, lässt sich für nicht unmittelbar am Verfahren Beteiligte nur schwer beurteilen.
Kleinvieh macht aber bekanntlich auch Mist. Der Vorteil der für die Meinungsindustrie im Internet tätigen Zensoren lag und liegt bisher darin, dass nur wenige ihrer Opfer die juristische Konfrontation mit einem Quasi-Monopolisten wie Google suchen. Fest steht aber: Durch die in mehreren Instanzen gegen Youtube gefällten Urteile wurden die Rechte von Andersdenkenden gestärkt. Inwieweit diese davon auch Gebrauch machen werden, wird dagegen die Zukunft zeigen müssen. Wie schwer sich Google auch nach der Zahlung der Ordnungsstrafe damit tut, Urteile deutscher Gerichte zu akzeptieren, zeigt der Umstand, dass das betreffende Video in vielen anderen Ländern – etwa Österreich oder den USA – den Angaben Gassmanns zufolge noch immer nicht wieder eingestellt worden ist.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog. Bild: Sergei Elagin/ShutterstockMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de