Familienministerin Paus will Schwangere vor anderen Meinungen schützen Wird Meinungsfreiheit zu den Akten gelegt?

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

„Denn sie wissen nicht, was sie tun“ – so lautet der Titel eines Films mit dem Hauptdarsteller James Dean aus dem Jahr 1955, obwohl es damals noch keine grüne Partei, erst recht keine grünen Minister, gab, die oft und gerne Dinge tun und sagen, ohne auch nur im Mindesten zu wissen, was sie anrichten. Umso schlimmer, dass wir heute ohne Unterlass von ihnen behelligt werden. Nicht allzu viele werden Lisa Paus kennen, die umtriebige Bundesministerin für dies und das, vor allem für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ihr Werdegang ist schnell erzählt. Elf Jahre hat sie dem Studium der Volkswirtschaftslehre gewidmet, das sie immerhin – eigentlich ein Ausschlusskriterium auf dem Weg zu höheren grünen Weihen – erfolgreich abschließen konnte, um dann nichts anderes zu tun, als im Dunstkreis der grünen Partei des infantilen Totalitarismus als Mitarbeiterin, als Abgeordnete und schließlich als Ministerin zu wirken. Kann jemand besser qualifiziert sein, um die Geschicke dieses Landes mitzubestimmen?

Denn genau das tut sie. Wie man der „Welt“ entnehmen kann, hat sie sich der Lösung eines der zentralen Probleme unserer Zeit angenommen: „Protestaktionen vor Abtreibungspraxen sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig der Vergangenheit angehören. Ein vom Kabinett beschlossener Gesetzentwurf zur sogenannten Gehsteigbelästigung sieht vor, dass solche Aktionen künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet werden sollen.“ Man muss sich aber nicht auf die Deutung der Welt-Schreiber verlassen, sondern kann sich die Sachlage von der begabten Ministerin höchstpersönlich mündlich erklären lassen. Sie bittet darum, sich vorzustellen, man sei eine schwangere Frau und mache sich „auf den Weg zu einer Schwangerschaftsberatungsstelle, und auf dem Weg dorthin geraten Sie plötzlich in einen Spießrutenlauf. Mit diesem Gesetz machen wir das jetzt klar, wir klären jetzt, dass es eben unzulässige Verhaltensweisen gibt, die dann auch sanktioniert werden können. Also beispielsweise, wenn eben Frauen behindert werden beim Zugang von Schwangerschaftsberatungsstellen oder von Praxen oder von Kliniken, wenn sie mit falschen Tatsachenbehauptungen konfrontiert werden, wenn ekelhafte Bilder ihnen entgegen gehalten werden, wenn ansonsten eben klar erkennbar sie belästigt werden mit Meinungsäußerungen, die sie willentlich“, hier stockt sie kurz und korrigiert sich, „die sie klar erkennbar nicht wollen, dann sind das jetzt alles zukünftig Ordnungswidrigkeiten, die mit bis zu einem Bußgeld von 5.000 Euro dann auch belegt werden können. Wir hoffen damit, dass wir Rechtssicherheit schaffen, wir haben damit eine einheitliche Regelung für ganz Deutschland, die auch praxistauglich ist.“

Ohne Frage ist es abzulehnen, wenn jemand auf dem Weg wohin auch immer einen Spießrutenlauf bestehen muss. Man hat vergleichbare Forderungen allerdings weder von dieser Ministerin noch von irgendwelchen anderen Mitgliedern eines Bundeskabinetts gehört, wenn es beispielsweise darum geht, dass Delegierte der bösartigsten Partei aller Zeiten ohne Spießrutenlauf zu ihren Parteitagen gelangen; Behinderungen durch die stets friedliche Antifa scheinen der Aufmerksamkeit der Regierung entgangen zu sein. Zu mir ist auch noch kein empörter regierungsamtlicher Kommentar gedrungen, der die Hindernisse thematisiert, die man Bauern auf dem Weg zu ihren legitimen Kundgebungen gerne in den Weg legt. Und welche Spießrutenläufe Ungeimpfte in der schlimmsten Zeit der sonderbaren PCR-Pandemie über sich ergehen lassen mussten, will ich gar nicht erst ausführen. Wie es scheint, hat die Ministerin eine etwas einseitige Sicht der Dinge.

Aber was macht das schon, jetzt ist endlich klargestellt, dass es unzulässige Verhaltensweisen gibt. Es stimmt, Behinderungen beim Zugang zu welchen Stellen auch immer sind nicht zu rechtfertigen. Sofern es echte Behinderungen sind, bei denen sich beispielsweise jemand den Betroffenen in den Weg stellt und ihnen den Zugang unmöglich macht, ist das jedoch nichts Neues, Nötigungen waren noch nie erlaubt und sind noch immer strafbar. Dazu braucht es kein neues Gesetz. Doch darum geht es in Wahrheit nicht. Auch das Konfrontieren „mit falschen Tatsachenbehauptungen“ und das Präsentieren „ekelhafter Bilder“ soll zu den Ordnungswidrigkeiten gehören. Hat sie das mit Karl Lauterbach abgesprochen, der noch immer die Behauptung verbreitet, die Covid-Impfung sei sicher und wirksam? Wusste das Annalena Baerbock, als sie von Ländern sprach, die hunderttausende von Kilometern entfernt irgendwo im Weltall liegen? Falsche Tatsachenbehauptungen findet man, wohin man auch blickt, und insbesondere in Politikerkreisen sind sie häufig anzutreffen. Lauterbach und Baerbock sollten sich hüten, sie zukünftig in der Nähe schwangerer Frauen auf dem Weg zu einer Beratungsstelle auszusprechen.

Aber die ekelhaften Bilder, mit denen man andere Leute belästigt, um bei ihnen ein bestimmtes Verhalten zu bewirken – die muss man doch unterbinden! Das kann man schon. Selbst ein lebenslanger Nichtraucher wie ich dürfte allerdings schon einmal die ebenfalls ekelhaften Bilder gesehen haben, die man auf Zigarettenschachteln platziert, um Raucher vom Rauchen abzuhalten. Diese Bilder sind staatlicherseits gewünscht, sie sollen bei den Betrachtern ein bestimmtes Verhalten bewirken; muss man sie jetzt auch zur Ordnungswidrigkeit erklären?

Das Beste kommt noch, und es kommt unter dem Stichwort „ansonsten“. Waren die bisher beschriebenen Tatbestände wenigstens noch einigermaßen klar umrissen, wenn auch im Vergleich eher zweifelhaft, so äußert die hochherzige Ministerin anschließend ihr vermutlich zentrales Anliegen: „Wenn ansonsten eben klar erkennbar sie belästigt werden mit Meinungsäußerungen, … die sie klar erkennbar nicht wollen, dann sind das jetzt alles zukünftig Ordnungswidrigkeiten, die mit bis zu einem Bußgeld von 5.000 Euro dann auch belegt werden können.“ Ansonsten, also jenseits der vorher aufgeführten Umstände, gibt es somit einen Universaltatbestand: die Belästigung mit Meinungsäußerungen, die jemand klar erkennbar nicht will. Besser kann man es nicht machen, denn ist das einmal eingeführt, lassen sich kaum noch alle Dämme am Brechen hindern. Jemand fühlt sich belästigt, weil ich ihm im Sommer sage, dass das Wetter schön ist, obwohl er doch erkennbar die Hitze nicht mag? Ordnungswidrigkeit, 5.000 Euro! Das kann man mit jeder Äußerung machen, man braucht nur jemanden zu finden, der sie „klar erkennbar“ nicht will. Ich mache gern den Anfang. Unsere hochbezahlte Langzeitpraktikantin im Außenministerium meinte in aller Öffentlichkeit, wir seien im Krieg mit Russland und nicht untereinander. Will jemand bestreiten, dass man von einer dahingeplapperten Kriegserklärung belästigt werden kann und sie klar erkennbar nicht will? Ordnungswidrigkeit, 5.000 Euro! Und was geschieht, wenn bei der Vorstellung eines solchen Gesetzes durch die Ministerin einer der Anwesenden angewidert das Gesicht verzieht und damit zeigt, dass er ihre Meinungsäußerung „klar erkennbar“ nicht will? Das ist klar: Ordnungswidrigkeit, 5.000 Euro!

Mit solchen Gesetzen kann man alles zur bußgeldbedrohten Ordnungswidrigkeit machen, man muss es nur wollen. Doch die Ministerin hofft zuversichtlich, „dass wir Rechtssicherheit schaffen“, und mehr noch: „Wir haben damit eine einheitliche Regelung für ganz Deutschland, die auch praxistauglich ist.“ Sicher, mit der Kodifizierung von willkürlichem Unrecht schafft man Rechtssicherheit, mit der Aushebelung der Meinungsfreiheit im Sinne der eigenen Ideologie kommt man zu einer einheitlichen Regelung, „die auch praxistauglich ist“. Praxistauglich waren schon viele Regelungen in der deutschen Geschichte, das sagt nichts über ihre Qualität als Regelung aus.

Meinungsäußerungen, die irgendjemand als Belästigung empfindet, werden zur teuren Ordnungswidrigkeit erklärt – das nenne ich einen verfassungskonformen Gesetzesentwurf! Ob Paus den Entwurf korrekt vorgetragen hat, spielt dabei keine Rolle. Denn entweder trifft ihre Darstellung zu, dann ist sie verantwortlich für ein Gesetz, mit dem man leicht die Meinungsfreiheit zu den Akten legen kann – sie ist eine Grüne, wen sollte das wundern? Oder sie hat das Gesetz falsch dargestellt, dann hat sie ihr eigenes Werk nicht verstanden – sie ist eine Grüne, das müsste auch niemanden wundern.

Vermutlich erfreuen sich unsere Minister, allen voran der Kanzler der Vergesslichkeit, eines ausgezeichneten Schlafes, denn von dem antiken Dichter Euripides kann man lernen: „Den Ahnungslosen schenkt der Herr einen leichten Schlaf“. Es mag sein, dass sie wissen, was sie tun und vorsätzlich handeln. Es mag aber auch sein, dass manchem beim Betrachten der Regierungstätigkeit ein Wort Einsteins in den Sinn kommt: „Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null – und das nennen sie ihren Standpunkt.“

Besser kann man die deutsche Politik kaum beschreiben.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

 

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