Wer sind Nazis? Wir fragen die richtigen „Karlchen’s Backstube“ will kein Brot für Nazis verkaufen

Ein Gastbeitrag von Thilo Schneider

Flagge „gegen rechts“ zeigen, ist „en vogue“ und da wollte auch „Karlchen’s Backstube“ – wie so viele – nicht gegen andere zurückstehen, die begeistert beispielsweise Grünen-Parteitage sponsern. „Karlchen’s Backstube“ stellte also ein Schild ins Fenster: „Kein Brot für Nazis“. Das ist lobenswert, Nazis können verhungern. Im Namen der Demokratie. Also die, die noch da sind. Oder neu sind. Sie merken schon, das ist gar nicht so einfach. Also schickte ich ein paar Fragen an Karlchen und seine Backstube, um „den Sachverhalt zu klären“:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Thilo Schneider und ich bin freiberuflicher Reporter für diverse On- und Offlinemagazine wie beispielsweise Kelle-aktuell, Reitschuster, Achgut.com oder die Jüdische Rundschau.

Durch „X“ wurde ich auf eine lobenswerte Aktion von Ihnen aufmerksam, bei der Sie in diversen Filialen im Schaufenster „Kein Brot für Nazis“ plakatieren. Mich haben hierzu mehrere Anfragen erreicht, die ich gerne mit Ihnen bzw. von Ihnen geklärt hätte, denn gerade in der derzeitigen aufgeheizten Stimmung im Land wird Ihre gute und wichtige Aktion möglicherweise missverstanden und sorgt für Irritationen.

Im Speziellen geht es um Ihre Begriffsdefinition eines Nazis und dessen Identifizierung:

  1. Der Eintritt in die Hitlerjugend war frühestens mit zehn Jahren möglich. Dies bedeutet, dass, sollte sich ein damals Zehnjähriger als Nazi definiert haben, dieser letztlich 1935 geboren sein müsste, um in den letzten Monaten des Jahres 1945 der Hitlerjugend beigetreten zu sein. Ein solcher Nazi wäre also heute mindestens 88 Jahre alt, wahrscheinlich älter. Diese Nazis sind froh, allein den Weg auf die Toilette zu finden, ein Besuch in einer Ihrer Filialen dürfte ausgeschlossen sein. Sind diese Nazis gemeint?
  2. Es gibt Bürgerinnen und Bürger, die eine Mitgliedschaft in der Partei AfD haben. Sind diese mit „Nazis“ mitgemeint? Wie kontrollieren Sie diese am Tresen?
  3. Es gibt Bürgerinnen und Bürger, die AfD gewählt haben oder vorhaben, diese zu wählen. Sind diese mit „Nazis“ mitgemeint? Wie stellen Sie hier eine Bedienungsverweigerung sicher?
  4. Es gibt daneben auch Bürgerinnen und Bürger, die Mitglieder:Innen oder Wähler:Innen folgender Parteien sind: CDU und, als Touristen, CSU, Freie Wähler oder FDP. Werden die Genannten in Ihren Filialen bedient? Wo ziehen Sie gelegentlich hier Grenzen? Wie prüfen Sie den Status der genannten Personengruppe?
  5. Gibt es in Ihren Filialen geschultes Fachpersonal, das Nazis identifizieren kann? Achten Sie bei Ihren Kunden auf offensichtlich rechtsextreme Symboliken wie Tätowierungen oder Kleidungsmarken (z. B. „Lonsdale“) oder szenespezifische Kleidung wie Glatze, Bomberjacke und Springerstiefel?
  6. Wie gehen Sie ferner randgruppenspezifisch vor?

Wenn Sie nun beispielsweise einen homosexuellen Rollstuhlfahrer mit Migrationshintergrund vor sich haben, der mit einem Werbeluftballon der AfD in einer Ihrer Filialen ein Brot kaufen möchte – würden Sie diesen dann bedienen oder von einer Bedienung absehen? Wie gehen Sie mit derartigen oder ähnlichen Grenzfällen um?

  1. Wenn Sie Ihre Dienstleistung an Äußerlichkeiten festmachen: Nach welchen äußeren Kriterien nehmen Sie hier Abstufungen vor? Würden Sie einen 20-jährigen Glatzenträger nicht bedienen, einen über 50-jährigen schon? Was, wenn ein 20-jähriger eine Chemotherapie hatte?

Ihren Antworten auf meine Fragen sehe ich bis zum 31.01.2024 entgegen und weise Sie der Form halber darauf hin, dass ich diese Antworten im Sinne der Leser zur besseren Orientierung veröffentlichen werde. Gerne können Sie nach den jeweiligen Absätzen innerhalb dieser E-Mail antworten. 

Mit freundlichen Grüßen

Thilo Schneider

Leider haben Karlchen und seine Backenden und Bäckereifachverkaufenden von einer Antwort abgesehen. Vielleicht muss ich ja selbst einmal hinfahren und bekennen, dass ich zum einen schon im Gästehaus Adlon mehrere Nächte geschlafen habe und zum anderen für Reitschuster schreibe. Vielleicht kann ich dann wenigstens ein paar „Brownies“ kaufen.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thilo Schneider, Jahrgang 1966, freier Autor und Kabarettist im Nebenberuf, LKR-Mitglied seit 2021, FDP-Flüchtling und Gewinner diverser Poetry-Slams, lebt, liebt und leidet in der Nähe von Aschaffenburg. Weitere Artikel von Thilo Schneider finden Sie hier unter www.politticker.de. In der Achgut-Edition ist folgendes Buch erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht.

Bild: Screenshot Youtube-Video Die Wahtheit ?!

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